Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band. Schon steht er vor der Hütte der Propheten, Noch halt er weilend an der Schwelle inne, Ob er sich selber auf sich selbst besinne, Dann schnell entschlossen ist er eingetreten. Auf einem schlechten, strohbedeckten Lager Liegt eines Jünglings kränkende Gestalt; Blond ist sein Haar, doch seine Stirn ist alt Uno seine Glieder sind gebleicht und hager. Ansicht man's diesen ausgebrannten Augen, Daß sie das Nächste nicht zu schauen taugen, Doch wie so stier hinschaun die blassen Sterne Wohl scheinen sie zu sehn in weite Ferne. Er hebt vom Lager sich und hin zur Pforte Sich neigend spricht er sinnend diese Worte: "Was bebt die Schwelle so von meinem Haus? "Ich grüße dich, mein König Wenzeslaus!" -- Der König fragt: "So hast du schon vernommen "Daß ich zu deiner Hütte wollte kommen?" Der blinde Jüngling aber lächelnd spricht: "Dein Pförtner weiß von deinem Ausgang nicht, "Des Waldes Thier allein, der Blatter Rauschen "Hat es gewagt dich wandernd zu belauschen. "Dem Bettler meidest du, o König Wenzeslav, "Auf hartem Lager seinen süßen Schlaf "Und kommst nun selbst in niedrer Bettlertracht "Zu betteln bei der Zukunft Heilger Nacht, "Und durch des Blinden geisterhafte Blicke "An deuten dir die Räthsel der Geschicke. --" "Nun dann so sprich, du Blinder, ohne Zaudern! Der König ruft es, seine Glieder schaudern, Er lehnt sich horchend an der Hütte Wand, Und deckt die Augen zu mit kalter Hand. -- Der Blinde neigt das Haupt, die Zunge kalte, Kaum hörbar bebt das Wort aus seinem Munde, Bis immer stärker, immer düstrer schallt Wie Sturmgebrause die Prophetenkunde: "Ich sehe lodern einen Scheiterhaufen -- "Sanct-t simpUcitas -- sie wollen taufen Schon steht er vor der Hütte der Propheten, Noch halt er weilend an der Schwelle inne, Ob er sich selber auf sich selbst besinne, Dann schnell entschlossen ist er eingetreten. Auf einem schlechten, strohbedeckten Lager Liegt eines Jünglings kränkende Gestalt; Blond ist sein Haar, doch seine Stirn ist alt Uno seine Glieder sind gebleicht und hager. Ansicht man's diesen ausgebrannten Augen, Daß sie das Nächste nicht zu schauen taugen, Doch wie so stier hinschaun die blassen Sterne Wohl scheinen sie zu sehn in weite Ferne. Er hebt vom Lager sich und hin zur Pforte Sich neigend spricht er sinnend diese Worte: „Was bebt die Schwelle so von meinem Haus? „Ich grüße dich, mein König Wenzeslaus!" — Der König fragt: „So hast du schon vernommen „Daß ich zu deiner Hütte wollte kommen?" Der blinde Jüngling aber lächelnd spricht: „Dein Pförtner weiß von deinem Ausgang nicht, „Des Waldes Thier allein, der Blatter Rauschen „Hat es gewagt dich wandernd zu belauschen. „Dem Bettler meidest du, o König Wenzeslav, „Auf hartem Lager seinen süßen Schlaf „Und kommst nun selbst in niedrer Bettlertracht „Zu betteln bei der Zukunft Heilger Nacht, „Und durch des Blinden geisterhafte Blicke „An deuten dir die Räthsel der Geschicke. —" „Nun dann so sprich, du Blinder, ohne Zaudern! Der König ruft es, seine Glieder schaudern, Er lehnt sich horchend an der Hütte Wand, Und deckt die Augen zu mit kalter Hand. — Der Blinde neigt das Haupt, die Zunge kalte, Kaum hörbar bebt das Wort aus seinem Munde, Bis immer stärker, immer düstrer schallt Wie Sturmgebrause die Prophetenkunde: „Ich sehe lodern einen Scheiterhaufen — „Sanct-t simpUcitas — sie wollen taufen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0224" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182034"/> <lg xml:id="POEMID_43" prev="#POEMID_42" type="poem" next="#POEMID_44"> <l> Schon steht er vor der Hütte der Propheten,<lb/> Noch halt er weilend an der Schwelle inne,<lb/> Ob er sich selber auf sich selbst besinne,<lb/> Dann schnell entschlossen ist er eingetreten.</l> </lg><lb/> <lg xml:id="POEMID_44" prev="#POEMID_43" type="poem" next="#POEMID_45"> <l> Auf einem schlechten, strohbedeckten Lager<lb/> Liegt eines Jünglings kränkende Gestalt;<lb/> Blond ist sein Haar, doch seine Stirn ist alt<lb/> Uno seine Glieder sind gebleicht und hager.</l> </lg><lb/> <lg xml:id="POEMID_45" prev="#POEMID_44" type="poem" next="#POEMID_46"> <l> Ansicht man's diesen ausgebrannten Augen,<lb/> Daß sie das Nächste nicht zu schauen taugen,<lb/> Doch wie so stier hinschaun die blassen Sterne<lb/> Wohl scheinen sie zu sehn in weite Ferne.</l> </lg><lb/> <lg xml:id="POEMID_46" prev="#POEMID_45" type="poem" next="#POEMID_47"> <l> Er hebt vom Lager sich und hin zur Pforte<lb/> Sich neigend spricht er sinnend diese Worte:<lb/> „Was bebt die Schwelle so von meinem Haus?<lb/> „Ich grüße dich, mein König Wenzeslaus!" —</l> </lg><lb/> <lg xml:id="POEMID_47" prev="#POEMID_46" type="poem" next="#POEMID_48"> <l> Der König fragt: „So hast du schon vernommen<lb/> „Daß ich zu deiner Hütte wollte kommen?"<lb/> Der blinde Jüngling aber lächelnd spricht:<lb/> „Dein Pförtner weiß von deinem Ausgang nicht,<lb/> „Des Waldes Thier allein, der Blatter Rauschen<lb/> „Hat es gewagt dich wandernd zu belauschen.<lb/> „Dem Bettler meidest du, o König Wenzeslav,<lb/> „Auf hartem Lager seinen süßen Schlaf<lb/> „Und kommst nun selbst in niedrer Bettlertracht<lb/> „Zu betteln bei der Zukunft Heilger Nacht,<lb/> „Und durch des Blinden geisterhafte Blicke<lb/> „An deuten dir die Räthsel der Geschicke. —"</l> </lg><lb/> <lg xml:id="POEMID_48" prev="#POEMID_47" type="poem" next="#POEMID_49"> <l> „Nun dann so sprich, du Blinder, ohne Zaudern!<lb/> Der König ruft es, seine Glieder schaudern,<lb/> Er lehnt sich horchend an der Hütte Wand,<lb/> Und deckt die Augen zu mit kalter Hand. —<lb/> Der Blinde neigt das Haupt, die Zunge kalte,<lb/> Kaum hörbar bebt das Wort aus seinem Munde,<lb/> Bis immer stärker, immer düstrer schallt<lb/> Wie Sturmgebrause die Prophetenkunde:</l> </lg><lb/> <lg xml:id="POEMID_49" prev="#POEMID_48" type="poem" next="#POEMID_50"> <l> „Ich sehe lodern einen Scheiterhaufen —<lb/> „Sanct-t simpUcitas — sie wollen taufen</l> </lg><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0224]
Schon steht er vor der Hütte der Propheten,
Noch halt er weilend an der Schwelle inne,
Ob er sich selber auf sich selbst besinne,
Dann schnell entschlossen ist er eingetreten.
Auf einem schlechten, strohbedeckten Lager
Liegt eines Jünglings kränkende Gestalt;
Blond ist sein Haar, doch seine Stirn ist alt
Uno seine Glieder sind gebleicht und hager.
Ansicht man's diesen ausgebrannten Augen,
Daß sie das Nächste nicht zu schauen taugen,
Doch wie so stier hinschaun die blassen Sterne
Wohl scheinen sie zu sehn in weite Ferne.
Er hebt vom Lager sich und hin zur Pforte
Sich neigend spricht er sinnend diese Worte:
„Was bebt die Schwelle so von meinem Haus?
„Ich grüße dich, mein König Wenzeslaus!" —
Der König fragt: „So hast du schon vernommen
„Daß ich zu deiner Hütte wollte kommen?"
Der blinde Jüngling aber lächelnd spricht:
„Dein Pförtner weiß von deinem Ausgang nicht,
„Des Waldes Thier allein, der Blatter Rauschen
„Hat es gewagt dich wandernd zu belauschen.
„Dem Bettler meidest du, o König Wenzeslav,
„Auf hartem Lager seinen süßen Schlaf
„Und kommst nun selbst in niedrer Bettlertracht
„Zu betteln bei der Zukunft Heilger Nacht,
„Und durch des Blinden geisterhafte Blicke
„An deuten dir die Räthsel der Geschicke. —"
„Nun dann so sprich, du Blinder, ohne Zaudern!
Der König ruft es, seine Glieder schaudern,
Er lehnt sich horchend an der Hütte Wand,
Und deckt die Augen zu mit kalter Hand. —
Der Blinde neigt das Haupt, die Zunge kalte,
Kaum hörbar bebt das Wort aus seinem Munde,
Bis immer stärker, immer düstrer schallt
Wie Sturmgebrause die Prophetenkunde:
„Ich sehe lodern einen Scheiterhaufen —
„Sanct-t simpUcitas — sie wollen taufen
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