Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

heute blos, daß die hiesige politische Zeitung mit ihrer belletristischen
Beilage, welche unter dem Titel "Jllvrifche Blätter" erscheint, im Jahre
1846 fünfmal in der Woche ans Licht treten wird und ihr aschgraues
Papier mit weißem Milchpapier zu vertauschen gesonnen ist. Das;
die Veränderung keine blos äußerliche sein, sondern auch in das innere
Leben des Journals eindringen wird, dafür bürgt der Nedactionswech-
sel, welcher die Leitung des Provinzorgans in die Hände des frühe¬
ren Redacteurs der "Carniolia" legt, des Herren Kordesch, eines
jungen Mannes von Geschmack und Talent, der sich aus einem Jn-
fanteriecorporale zu einem Literaten metamorphostrte. --


V.
Notiz.
Wohlthätigkeitsliteratur.

Die Theorie der Kritik fordert, sie soll gerecht, wahr, ohne
alle Privatrückstchten urtheilen, und dennoch wird ihr in der Praxis
fortwährend das Gegentheil von dem Allen zugemuthet. Da macht
bald die Lebensstellung, bald die Jugend, bald das Geschlecht des zu
kritisirenden Schriftstellers den Anspruch auf Rücksichtsnahme, bald
der Zweck und die Bestimmung des Buches. Es ist beinah zum all¬
gemeinen Uebereinkommen geworden, gegen Damen mild zu sein und
die Bücher, welche zu Wohlthätigkeitszwecken herausgegeben werden,
durchweg zu loben. Das ist ein großes Unrecht, welches der Kritiker
gegen das Publicum begeht, weil dieses derartige Bücher kaufen soll,
um die Wohlthätigkeit in's Werk zu setzen. Es ist aber auch ein
Unrecht gegen die Hülfsbedürftigen selbst; denn thaten sich nun wirk¬
lich Schriftsteller zu einem derartigen Unterstützungsunternehmcn zu¬
sammen, so mußten sie auch Gutes liefern und nicht nur die Ab¬
schnitzel ihres Papierkorbes. Dies aber ist in solchen Fällen beinah
eben so gäng und gäbe, als die Lobpreisung von Seiten der Kritik.
Die neuesten Beispiele für ein solches Verfahren, lieferte das "Album
zum Besten der durch die Überschwemmungen im Frühjahr 1845 in
Böhmen Verunglückten." Wir finden in dem 426 Seiten starken
Buche nur äußerst wenig Bemerkenswerthes. Außerdem finden wir
unendliche Mengen von Bruchstücken, ja eigentlich nur von wenigen
Autoren ganze und wirklich nennenswerthe Arbeiten, wie z. B. von
Fränkl, Grillparzer, Grün, Moshammer, Betty Paoly, Landesmann.
Stark's und Bauernseld's Beitrage sind dagegen schon anderwärts gedruckt.


-- A --


Verlag von Fr. Lndw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda
Druck von Friedrich ?lndra. >

heute blos, daß die hiesige politische Zeitung mit ihrer belletristischen
Beilage, welche unter dem Titel „Jllvrifche Blätter" erscheint, im Jahre
1846 fünfmal in der Woche ans Licht treten wird und ihr aschgraues
Papier mit weißem Milchpapier zu vertauschen gesonnen ist. Das;
die Veränderung keine blos äußerliche sein, sondern auch in das innere
Leben des Journals eindringen wird, dafür bürgt der Nedactionswech-
sel, welcher die Leitung des Provinzorgans in die Hände des frühe¬
ren Redacteurs der „Carniolia" legt, des Herren Kordesch, eines
jungen Mannes von Geschmack und Talent, der sich aus einem Jn-
fanteriecorporale zu einem Literaten metamorphostrte. —


V.
Notiz.
Wohlthätigkeitsliteratur.

Die Theorie der Kritik fordert, sie soll gerecht, wahr, ohne
alle Privatrückstchten urtheilen, und dennoch wird ihr in der Praxis
fortwährend das Gegentheil von dem Allen zugemuthet. Da macht
bald die Lebensstellung, bald die Jugend, bald das Geschlecht des zu
kritisirenden Schriftstellers den Anspruch auf Rücksichtsnahme, bald
der Zweck und die Bestimmung des Buches. Es ist beinah zum all¬
gemeinen Uebereinkommen geworden, gegen Damen mild zu sein und
die Bücher, welche zu Wohlthätigkeitszwecken herausgegeben werden,
durchweg zu loben. Das ist ein großes Unrecht, welches der Kritiker
gegen das Publicum begeht, weil dieses derartige Bücher kaufen soll,
um die Wohlthätigkeit in's Werk zu setzen. Es ist aber auch ein
Unrecht gegen die Hülfsbedürftigen selbst; denn thaten sich nun wirk¬
lich Schriftsteller zu einem derartigen Unterstützungsunternehmcn zu¬
sammen, so mußten sie auch Gutes liefern und nicht nur die Ab¬
schnitzel ihres Papierkorbes. Dies aber ist in solchen Fällen beinah
eben so gäng und gäbe, als die Lobpreisung von Seiten der Kritik.
Die neuesten Beispiele für ein solches Verfahren, lieferte das „Album
zum Besten der durch die Überschwemmungen im Frühjahr 1845 in
Böhmen Verunglückten." Wir finden in dem 426 Seiten starken
Buche nur äußerst wenig Bemerkenswerthes. Außerdem finden wir
unendliche Mengen von Bruchstücken, ja eigentlich nur von wenigen
Autoren ganze und wirklich nennenswerthe Arbeiten, wie z. B. von
Fränkl, Grillparzer, Grün, Moshammer, Betty Paoly, Landesmann.
Stark's und Bauernseld's Beitrage sind dagegen schon anderwärts gedruckt.


— A —


Verlag von Fr. Lndw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda
Druck von Friedrich ?lndra. >
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0200" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182010"/>
            <p xml:id="ID_441" prev="#ID_440"> heute blos, daß die hiesige politische Zeitung mit ihrer belletristischen<lb/>
Beilage, welche unter dem Titel &#x201E;Jllvrifche Blätter" erscheint, im Jahre<lb/>
1846 fünfmal in der Woche ans Licht treten wird und ihr aschgraues<lb/>
Papier mit weißem Milchpapier zu vertauschen gesonnen ist. Das;<lb/>
die Veränderung keine blos äußerliche sein, sondern auch in das innere<lb/>
Leben des Journals eindringen wird, dafür bürgt der Nedactionswech-<lb/>
sel, welcher die Leitung des Provinzorgans in die Hände des frühe¬<lb/>
ren Redacteurs der &#x201E;Carniolia" legt, des Herren Kordesch, eines<lb/>
jungen Mannes von Geschmack und Talent, der sich aus einem Jn-<lb/>
fanteriecorporale zu einem Literaten metamorphostrte. &#x2014;</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> V.<lb/>
Notiz.<lb/>
Wohlthätigkeitsliteratur.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_442"> Die Theorie der Kritik fordert, sie soll gerecht, wahr, ohne<lb/>
alle Privatrückstchten urtheilen, und dennoch wird ihr in der Praxis<lb/>
fortwährend das Gegentheil von dem Allen zugemuthet. Da macht<lb/>
bald die Lebensstellung, bald die Jugend, bald das Geschlecht des zu<lb/>
kritisirenden Schriftstellers den Anspruch auf Rücksichtsnahme, bald<lb/>
der Zweck und die Bestimmung des Buches. Es ist beinah zum all¬<lb/>
gemeinen Uebereinkommen geworden, gegen Damen mild zu sein und<lb/>
die Bücher, welche zu Wohlthätigkeitszwecken herausgegeben werden,<lb/>
durchweg zu loben. Das ist ein großes Unrecht, welches der Kritiker<lb/>
gegen das Publicum begeht, weil dieses derartige Bücher kaufen soll,<lb/>
um die Wohlthätigkeit in's Werk zu setzen. Es ist aber auch ein<lb/>
Unrecht gegen die Hülfsbedürftigen selbst; denn thaten sich nun wirk¬<lb/>
lich Schriftsteller zu einem derartigen Unterstützungsunternehmcn zu¬<lb/>
sammen, so mußten sie auch Gutes liefern und nicht nur die Ab¬<lb/>
schnitzel ihres Papierkorbes. Dies aber ist in solchen Fällen beinah<lb/>
eben so gäng und gäbe, als die Lobpreisung von Seiten der Kritik.<lb/>
Die neuesten Beispiele für ein solches Verfahren, lieferte das &#x201E;Album<lb/>
zum Besten der durch die Überschwemmungen im Frühjahr 1845 in<lb/>
Böhmen Verunglückten." Wir finden in dem 426 Seiten starken<lb/>
Buche nur äußerst wenig Bemerkenswerthes. Außerdem finden wir<lb/>
unendliche Mengen von Bruchstücken, ja eigentlich nur von wenigen<lb/>
Autoren ganze und wirklich nennenswerthe Arbeiten, wie z. B. von<lb/>
Fränkl, Grillparzer, Grün, Moshammer, Betty Paoly, Landesmann.<lb/>
Stark's und Bauernseld's Beitrage sind dagegen schon anderwärts gedruckt.</p><lb/>
            <note type="byline"> &#x2014; A &#x2014;</note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Verlag von Fr. Lndw. Herbig. &#x2014; Redacteur I. Kuranda<lb/>
Druck von Friedrich ?lndra. &gt;</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0200] heute blos, daß die hiesige politische Zeitung mit ihrer belletristischen Beilage, welche unter dem Titel „Jllvrifche Blätter" erscheint, im Jahre 1846 fünfmal in der Woche ans Licht treten wird und ihr aschgraues Papier mit weißem Milchpapier zu vertauschen gesonnen ist. Das; die Veränderung keine blos äußerliche sein, sondern auch in das innere Leben des Journals eindringen wird, dafür bürgt der Nedactionswech- sel, welcher die Leitung des Provinzorgans in die Hände des frühe¬ ren Redacteurs der „Carniolia" legt, des Herren Kordesch, eines jungen Mannes von Geschmack und Talent, der sich aus einem Jn- fanteriecorporale zu einem Literaten metamorphostrte. — V. Notiz. Wohlthätigkeitsliteratur. Die Theorie der Kritik fordert, sie soll gerecht, wahr, ohne alle Privatrückstchten urtheilen, und dennoch wird ihr in der Praxis fortwährend das Gegentheil von dem Allen zugemuthet. Da macht bald die Lebensstellung, bald die Jugend, bald das Geschlecht des zu kritisirenden Schriftstellers den Anspruch auf Rücksichtsnahme, bald der Zweck und die Bestimmung des Buches. Es ist beinah zum all¬ gemeinen Uebereinkommen geworden, gegen Damen mild zu sein und die Bücher, welche zu Wohlthätigkeitszwecken herausgegeben werden, durchweg zu loben. Das ist ein großes Unrecht, welches der Kritiker gegen das Publicum begeht, weil dieses derartige Bücher kaufen soll, um die Wohlthätigkeit in's Werk zu setzen. Es ist aber auch ein Unrecht gegen die Hülfsbedürftigen selbst; denn thaten sich nun wirk¬ lich Schriftsteller zu einem derartigen Unterstützungsunternehmcn zu¬ sammen, so mußten sie auch Gutes liefern und nicht nur die Ab¬ schnitzel ihres Papierkorbes. Dies aber ist in solchen Fällen beinah eben so gäng und gäbe, als die Lobpreisung von Seiten der Kritik. Die neuesten Beispiele für ein solches Verfahren, lieferte das „Album zum Besten der durch die Überschwemmungen im Frühjahr 1845 in Böhmen Verunglückten." Wir finden in dem 426 Seiten starken Buche nur äußerst wenig Bemerkenswerthes. Außerdem finden wir unendliche Mengen von Bruchstücken, ja eigentlich nur von wenigen Autoren ganze und wirklich nennenswerthe Arbeiten, wie z. B. von Fränkl, Grillparzer, Grün, Moshammer, Betty Paoly, Landesmann. Stark's und Bauernseld's Beitrage sind dagegen schon anderwärts gedruckt. — A — Verlag von Fr. Lndw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda Druck von Friedrich ?lndra. >

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/200
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/200>, abgerufen am 22.12.2024.