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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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der ersten Theaterinstitute zu erblicken, würde "us gewährt, die In¬
tendanzen der Hoftheater, auf die wir unser Hauptaugenmerk zu
richten haben, würden der nichts weniger als geachteten Stellung ^
entrückt, die man ihnen im Geiste der Dichter durch verfehlte Be¬
setzung bereitete, wäre damit allein schon der Zustand erreicht, der
für freie Entwickelung der nationalen Dramatik nothwendig ist?
Nein! Wohl würde dadurch ein Fortschritt gewonnen sein über
die gegenwärtigen jammervollen Zustände hinaus, wo die Theater-
verwaltung meist in den Händen von Männern liegt, die, aller
Selbständigkeit baar, nur den Einflüssen der Camarilla gehorchen,
auf Einflüsterungen, Protectionen und Connerionen merken, das
öffentliche Urtheil entweder ganz verachten, oder, das Wahre vom
Unwahren darin nicht zu sondern wissend, um den Lobqualm einer
erbärmlichen in Persönlichkeit befangenen Journalistik mehr noch
buhlen, als um die Anerkennung einer gesinnungövollen Kritik.
Männer von tüchtiger, mit der Zeit in Einklang stehender Intelli¬
genz würden mit reiferem Urtheil und freierer Einsicht in die Ver¬
hältnisse der nationalen Kunst, zugleich im Bewußtsein und Selbst¬
gefühl ihrer geistigen Bildung, die Interessen der Dichter und die
Kunst überhaupt gegen die hindernden Einflüsse von Oben und
Außen selbständiger und nachdrücklicher zu vertreten vermögen, als
Kammerherrn und sonstige Hofmänner, denen das Bücken und
Schmiegen zur Lebens-Aufgabe geworden, als Leute, deren einziges
Verdienst der Adel oder -- ein ökonomisches Talent. Ein Fortschritt
also wäre durch solche Aenderung gewonnen, aber doch immer nur
ein sehr geringer, so lange dynastische und Regierungs-Svmpathien,
realistische und diplomatische Rücksichten die Wahl der auszufüh¬
renden Stücke beschränken. Wie matt, wie kränklich, wie abhängig
zeigt sich die deutsche Politik, wenn ,sic die vaterländische Kunst
verkürzt und verwirft, um einer auswärtigen Macht keinen Anstoß
zu erregen. Zwei Momente aber greifen in diesem Bezüge beson¬
ders lähmend ein, zunächst das Gesetz, welches die Verwandten herr¬
schender Dynastien von der Bühne ausschließt, und dann die Furcht



*) Keine Regel ohne Ausnahme. Zu den ehrenvollsten Ausnahmen rechne
ich Herrn v. Gall in Oldenburg.

der ersten Theaterinstitute zu erblicken, würde »us gewährt, die In¬
tendanzen der Hoftheater, auf die wir unser Hauptaugenmerk zu
richten haben, würden der nichts weniger als geachteten Stellung ^
entrückt, die man ihnen im Geiste der Dichter durch verfehlte Be¬
setzung bereitete, wäre damit allein schon der Zustand erreicht, der
für freie Entwickelung der nationalen Dramatik nothwendig ist?
Nein! Wohl würde dadurch ein Fortschritt gewonnen sein über
die gegenwärtigen jammervollen Zustände hinaus, wo die Theater-
verwaltung meist in den Händen von Männern liegt, die, aller
Selbständigkeit baar, nur den Einflüssen der Camarilla gehorchen,
auf Einflüsterungen, Protectionen und Connerionen merken, das
öffentliche Urtheil entweder ganz verachten, oder, das Wahre vom
Unwahren darin nicht zu sondern wissend, um den Lobqualm einer
erbärmlichen in Persönlichkeit befangenen Journalistik mehr noch
buhlen, als um die Anerkennung einer gesinnungövollen Kritik.
Männer von tüchtiger, mit der Zeit in Einklang stehender Intelli¬
genz würden mit reiferem Urtheil und freierer Einsicht in die Ver¬
hältnisse der nationalen Kunst, zugleich im Bewußtsein und Selbst¬
gefühl ihrer geistigen Bildung, die Interessen der Dichter und die
Kunst überhaupt gegen die hindernden Einflüsse von Oben und
Außen selbständiger und nachdrücklicher zu vertreten vermögen, als
Kammerherrn und sonstige Hofmänner, denen das Bücken und
Schmiegen zur Lebens-Aufgabe geworden, als Leute, deren einziges
Verdienst der Adel oder — ein ökonomisches Talent. Ein Fortschritt
also wäre durch solche Aenderung gewonnen, aber doch immer nur
ein sehr geringer, so lange dynastische und Regierungs-Svmpathien,
realistische und diplomatische Rücksichten die Wahl der auszufüh¬
renden Stücke beschränken. Wie matt, wie kränklich, wie abhängig
zeigt sich die deutsche Politik, wenn ,sic die vaterländische Kunst
verkürzt und verwirft, um einer auswärtigen Macht keinen Anstoß
zu erregen. Zwei Momente aber greifen in diesem Bezüge beson¬
ders lähmend ein, zunächst das Gesetz, welches die Verwandten herr¬
schender Dynastien von der Bühne ausschließt, und dann die Furcht



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[0176] der ersten Theaterinstitute zu erblicken, würde »us gewährt, die In¬ tendanzen der Hoftheater, auf die wir unser Hauptaugenmerk zu richten haben, würden der nichts weniger als geachteten Stellung ^ entrückt, die man ihnen im Geiste der Dichter durch verfehlte Be¬ setzung bereitete, wäre damit allein schon der Zustand erreicht, der für freie Entwickelung der nationalen Dramatik nothwendig ist? Nein! Wohl würde dadurch ein Fortschritt gewonnen sein über die gegenwärtigen jammervollen Zustände hinaus, wo die Theater- verwaltung meist in den Händen von Männern liegt, die, aller Selbständigkeit baar, nur den Einflüssen der Camarilla gehorchen, auf Einflüsterungen, Protectionen und Connerionen merken, das öffentliche Urtheil entweder ganz verachten, oder, das Wahre vom Unwahren darin nicht zu sondern wissend, um den Lobqualm einer erbärmlichen in Persönlichkeit befangenen Journalistik mehr noch buhlen, als um die Anerkennung einer gesinnungövollen Kritik. Männer von tüchtiger, mit der Zeit in Einklang stehender Intelli¬ genz würden mit reiferem Urtheil und freierer Einsicht in die Ver¬ hältnisse der nationalen Kunst, zugleich im Bewußtsein und Selbst¬ gefühl ihrer geistigen Bildung, die Interessen der Dichter und die Kunst überhaupt gegen die hindernden Einflüsse von Oben und Außen selbständiger und nachdrücklicher zu vertreten vermögen, als Kammerherrn und sonstige Hofmänner, denen das Bücken und Schmiegen zur Lebens-Aufgabe geworden, als Leute, deren einziges Verdienst der Adel oder — ein ökonomisches Talent. Ein Fortschritt also wäre durch solche Aenderung gewonnen, aber doch immer nur ein sehr geringer, so lange dynastische und Regierungs-Svmpathien, realistische und diplomatische Rücksichten die Wahl der auszufüh¬ renden Stücke beschränken. Wie matt, wie kränklich, wie abhängig zeigt sich die deutsche Politik, wenn ,sic die vaterländische Kunst verkürzt und verwirft, um einer auswärtigen Macht keinen Anstoß zu erregen. Zwei Momente aber greifen in diesem Bezüge beson¬ ders lähmend ein, zunächst das Gesetz, welches die Verwandten herr¬ schender Dynastien von der Bühne ausschließt, und dann die Furcht *) Keine Regel ohne Ausnahme. Zu den ehrenvollsten Ausnahmen rechne ich Herrn v. Gall in Oldenburg.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/176>, abgerufen am 23.12.2024.