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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Carrel hatte schon unter der Restauration zwei Duelle, das
eine mit einem Redacteur des ärupvim dliuiv, wo es sich traf, daß
beide Gegner mit den zwei Zeitungsartikeln, welche das Duell
veranlaßten, eigentlich gar nichts zu schaffen hatten; das andere
mit einem Legitimsten, in Folge eines Disputs über die Gefangen¬
schaft der Herzogin von Berry. Carrel verwundete seinen Gegner,
bekam aber selbst einen Degenstoß in den Unterleib. Die schmei¬
chelhaftesten Zeichen einer allgemeinen Sympathie wurden ihm zu
Theil und die wärmsten und wohlwollendsten Vorwürfe seiner
Freunde. Carrel hörte sie lächelnd an, und versprach sich zu bes¬
sern. Allein er besserte sich nicht.

Ein neues Journal, die "Presse", war von Emile de Girardin
gegründet worden, und im Prospectus erhob Girardin sein Blatt
als das billigste und beste aller Blätter. Ein Redacteur deö Bon
sens griff diesen Prospectus in einer Reihe von injuriösen Feuille¬
tons an, und Girardin hing dem Geranien des Bon Sens dar-
über einen Proceß an. Anfangs wollte sich Carrel in einen Streit
dieser Art nicht mischen, aber endlich gab er den Bitten deö Bon-
scnsredactcurö, der seitdem ein Freund Girardins geworden ist,
nach, und drückte im National seine Verachtung aus gegen die
"Presse" und deren Gründer, namentlich, weil dieser vor dem
Gerichtshof, statt auf der Mensur, Genugthuung sich zu ver¬
schaffen suche. Girardin antwortete den folgenden Tag in, einer
Note, worin er unter anderm sagte, der National zeige hier nicht
die Loyalität, die man dem Charakter Carrel's nachzurühmen pflege;
dann bedrohte Girardin noch andere liberale Blätter mit Processen
und spielte zuletzt auf einen Freund Carrel's und Mitarbeiter
an dessen Journal an, der sich gerade, als Chef eines industriellen
Unternehmens, bankerott erklärt hatte.

Darüber kam es zu persönlichen Unterhandlungen auf Carrel's
Stube und sollte der Streit durch eine "Erklärung" in beiden
Journalen gütlich beigelegt werden, als Carrel darauf bestand, daß
diese Erklärung nicht gleichzeitig, sondern erst in der "Presse" und
dann im National erscheinen solle. Diesem Verlangen wollte sich
Girardin nicht fügen und Carrel stand auf, mit den Worten: "Ich
bin der Beleidigte, ich wähle die Pistole."

Das Duell fand am folgenden Tage, den 22. Juli 1836,


2t *

Carrel hatte schon unter der Restauration zwei Duelle, das
eine mit einem Redacteur des ärupvim dliuiv, wo es sich traf, daß
beide Gegner mit den zwei Zeitungsartikeln, welche das Duell
veranlaßten, eigentlich gar nichts zu schaffen hatten; das andere
mit einem Legitimsten, in Folge eines Disputs über die Gefangen¬
schaft der Herzogin von Berry. Carrel verwundete seinen Gegner,
bekam aber selbst einen Degenstoß in den Unterleib. Die schmei¬
chelhaftesten Zeichen einer allgemeinen Sympathie wurden ihm zu
Theil und die wärmsten und wohlwollendsten Vorwürfe seiner
Freunde. Carrel hörte sie lächelnd an, und versprach sich zu bes¬
sern. Allein er besserte sich nicht.

Ein neues Journal, die „Presse", war von Emile de Girardin
gegründet worden, und im Prospectus erhob Girardin sein Blatt
als das billigste und beste aller Blätter. Ein Redacteur deö Bon
sens griff diesen Prospectus in einer Reihe von injuriösen Feuille¬
tons an, und Girardin hing dem Geranien des Bon Sens dar-
über einen Proceß an. Anfangs wollte sich Carrel in einen Streit
dieser Art nicht mischen, aber endlich gab er den Bitten deö Bon-
scnsredactcurö, der seitdem ein Freund Girardins geworden ist,
nach, und drückte im National seine Verachtung aus gegen die
„Presse" und deren Gründer, namentlich, weil dieser vor dem
Gerichtshof, statt auf der Mensur, Genugthuung sich zu ver¬
schaffen suche. Girardin antwortete den folgenden Tag in, einer
Note, worin er unter anderm sagte, der National zeige hier nicht
die Loyalität, die man dem Charakter Carrel's nachzurühmen pflege;
dann bedrohte Girardin noch andere liberale Blätter mit Processen
und spielte zuletzt auf einen Freund Carrel's und Mitarbeiter
an dessen Journal an, der sich gerade, als Chef eines industriellen
Unternehmens, bankerott erklärt hatte.

Darüber kam es zu persönlichen Unterhandlungen auf Carrel's
Stube und sollte der Streit durch eine „Erklärung" in beiden
Journalen gütlich beigelegt werden, als Carrel darauf bestand, daß
diese Erklärung nicht gleichzeitig, sondern erst in der „Presse" und
dann im National erscheinen solle. Diesem Verlangen wollte sich
Girardin nicht fügen und Carrel stand auf, mit den Worten: „Ich
bin der Beleidigte, ich wähle die Pistole."

Das Duell fand am folgenden Tage, den 22. Juli 1836,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/171>, abgerufen am 01.09.2024.