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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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französischen Regierung unterdrückt werden sollte. Es ist möglich,
daß er diesen Ausgang vorhergesehen und absichtlich herbeigeführt
hat, gewiß aber ist es nicht. Am 20. März 1823 schiffte er sich
heimlich, ohne Wissen seiner Eltern und Freunde, im Hafen von
Marseille auf einem spanischen Schifferboot nach Barcelona ein.
Freudig, ein Soldat auf eigene Faust, verließ er den heimischen Boden.

In Barcelona gab es Flüchtlinge aller Nationen, meist alte
Soldaten aus der Kaiserzeit, welche die Lust nach Kriegsabenteucrn
und die Hoffnung, sich an den verhaßten Lilien der Restauration
zu rächen, nach Spanien gelockt hatten. Während ein Haufe an
der Bidassoa vor den Augen der bourbonischen Armee, mit Stolz
und Hohn die Tricolore flattern ließ, bildeten die Franzosen ein
"Bataillon Napoleons II.," welches die Uniform der alten Garde
trug. Aber diese neue alte Garde schmolz durch die Erfolge der
JnvasionSarmee bald so zusammen, daß sie mit den andern Flücht¬
lingshaufen sich unter dem Namen: "liberale Fremdenlegion", zu einem
Corps vereinigen mußte. Dieses Corps bestand aus einem einzigen
Bataillon Fußvolk und einer schwachen Escadron Lanciers. Mehrere
Compagnien bestanden aus lauter Officieren, zwei Generale trugen
als gemeine Reiter die Lanze; zur Hälfte waren es Franzosen, die
übrigen hatten meist unter dem kleinen Corporal gedient; das
Commando führte der tapfere Oberst Pachierotti. Monate lang
schlugen sich diese Männer aus den verschiedensten Ecken und En¬
den von Europa, die kein anderes Band verknüpfte, als die ge¬
meinsamen Erinnerungen aus dem Lager des modernen Wallen¬
stein, in einem fremden Lande, für eine Sache, die sie nur instinct-
mäßig begriffen, heldenmüthig allen Gefahren und Strapazen tro¬
tzend, ohne Hoffnung auf Ruhm oder Erfolg; in der That ohne
andere Aussicht, als die auf ein klägliches Ende unter den Händen
des bigotten Volkes, welches gegen seine eigenen Befreier, die Rie-
goS und Torrijos, zum Landsturm läutete, oder, wenn sie gefangen
wurden, auf den Tod des Deserteurs im Kasernenhofe durch drei
Mal vier Kugeln.

In dieser rauhen Schule, in diesem blutigen catalonischen
Feldzug, dessen Geschichtschreiber er später werden sollte, verdiente
sich Carrel die ersten Sporen. Aber seine Tapferkeit wäre eines
bessern Erfolges würdig gewesen, denn die liberale Fremdenlegion,


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französischen Regierung unterdrückt werden sollte. Es ist möglich,
daß er diesen Ausgang vorhergesehen und absichtlich herbeigeführt
hat, gewiß aber ist es nicht. Am 20. März 1823 schiffte er sich
heimlich, ohne Wissen seiner Eltern und Freunde, im Hafen von
Marseille auf einem spanischen Schifferboot nach Barcelona ein.
Freudig, ein Soldat auf eigene Faust, verließ er den heimischen Boden.

In Barcelona gab es Flüchtlinge aller Nationen, meist alte
Soldaten aus der Kaiserzeit, welche die Lust nach Kriegsabenteucrn
und die Hoffnung, sich an den verhaßten Lilien der Restauration
zu rächen, nach Spanien gelockt hatten. Während ein Haufe an
der Bidassoa vor den Augen der bourbonischen Armee, mit Stolz
und Hohn die Tricolore flattern ließ, bildeten die Franzosen ein
„Bataillon Napoleons II.," welches die Uniform der alten Garde
trug. Aber diese neue alte Garde schmolz durch die Erfolge der
JnvasionSarmee bald so zusammen, daß sie mit den andern Flücht¬
lingshaufen sich unter dem Namen: „liberale Fremdenlegion", zu einem
Corps vereinigen mußte. Dieses Corps bestand aus einem einzigen
Bataillon Fußvolk und einer schwachen Escadron Lanciers. Mehrere
Compagnien bestanden aus lauter Officieren, zwei Generale trugen
als gemeine Reiter die Lanze; zur Hälfte waren es Franzosen, die
übrigen hatten meist unter dem kleinen Corporal gedient; das
Commando führte der tapfere Oberst Pachierotti. Monate lang
schlugen sich diese Männer aus den verschiedensten Ecken und En¬
den von Europa, die kein anderes Band verknüpfte, als die ge¬
meinsamen Erinnerungen aus dem Lager des modernen Wallen¬
stein, in einem fremden Lande, für eine Sache, die sie nur instinct-
mäßig begriffen, heldenmüthig allen Gefahren und Strapazen tro¬
tzend, ohne Hoffnung auf Ruhm oder Erfolg; in der That ohne
andere Aussicht, als die auf ein klägliches Ende unter den Händen
des bigotten Volkes, welches gegen seine eigenen Befreier, die Rie-
goS und Torrijos, zum Landsturm läutete, oder, wenn sie gefangen
wurden, auf den Tod des Deserteurs im Kasernenhofe durch drei
Mal vier Kugeln.

In dieser rauhen Schule, in diesem blutigen catalonischen
Feldzug, dessen Geschichtschreiber er später werden sollte, verdiente
sich Carrel die ersten Sporen. Aber seine Tapferkeit wäre eines
bessern Erfolges würdig gewesen, denn die liberale Fremdenlegion,


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[0155] französischen Regierung unterdrückt werden sollte. Es ist möglich, daß er diesen Ausgang vorhergesehen und absichtlich herbeigeführt hat, gewiß aber ist es nicht. Am 20. März 1823 schiffte er sich heimlich, ohne Wissen seiner Eltern und Freunde, im Hafen von Marseille auf einem spanischen Schifferboot nach Barcelona ein. Freudig, ein Soldat auf eigene Faust, verließ er den heimischen Boden. In Barcelona gab es Flüchtlinge aller Nationen, meist alte Soldaten aus der Kaiserzeit, welche die Lust nach Kriegsabenteucrn und die Hoffnung, sich an den verhaßten Lilien der Restauration zu rächen, nach Spanien gelockt hatten. Während ein Haufe an der Bidassoa vor den Augen der bourbonischen Armee, mit Stolz und Hohn die Tricolore flattern ließ, bildeten die Franzosen ein „Bataillon Napoleons II.," welches die Uniform der alten Garde trug. Aber diese neue alte Garde schmolz durch die Erfolge der JnvasionSarmee bald so zusammen, daß sie mit den andern Flücht¬ lingshaufen sich unter dem Namen: „liberale Fremdenlegion", zu einem Corps vereinigen mußte. Dieses Corps bestand aus einem einzigen Bataillon Fußvolk und einer schwachen Escadron Lanciers. Mehrere Compagnien bestanden aus lauter Officieren, zwei Generale trugen als gemeine Reiter die Lanze; zur Hälfte waren es Franzosen, die übrigen hatten meist unter dem kleinen Corporal gedient; das Commando führte der tapfere Oberst Pachierotti. Monate lang schlugen sich diese Männer aus den verschiedensten Ecken und En¬ den von Europa, die kein anderes Band verknüpfte, als die ge¬ meinsamen Erinnerungen aus dem Lager des modernen Wallen¬ stein, in einem fremden Lande, für eine Sache, die sie nur instinct- mäßig begriffen, heldenmüthig allen Gefahren und Strapazen tro¬ tzend, ohne Hoffnung auf Ruhm oder Erfolg; in der That ohne andere Aussicht, als die auf ein klägliches Ende unter den Händen des bigotten Volkes, welches gegen seine eigenen Befreier, die Rie- goS und Torrijos, zum Landsturm läutete, oder, wenn sie gefangen wurden, auf den Tod des Deserteurs im Kasernenhofe durch drei Mal vier Kugeln. In dieser rauhen Schule, in diesem blutigen catalonischen Feldzug, dessen Geschichtschreiber er später werden sollte, verdiente sich Carrel die ersten Sporen. Aber seine Tapferkeit wäre eines bessern Erfolges würdig gewesen, denn die liberale Fremdenlegion, Is»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/155>, abgerufen am 01.09.2024.