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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Nehmen Sie sich, meine Herren, diese inhaltschweren Worte zu
Herzen: Wer will der kann! -- O geliebte Jünglinge! -- (Ende.)

Mit triumphirenden Blicken und ausgebreiteten Armen sah
er nach dieser Rede, mit welcher er uns beweisen wollte, daß wer
Will der kann, auf uns hernieder. Die Professoren, die ihn um¬
standen, bissen sich in die Lippen, nur Prof. Müller lächelte schmerz¬
lich, und Jandera suchte mit ernstem Gesichte die Quadratur dieses
Zirkels. Ein unbändiges Lachen und ironisches Vivatrufen brach
los; der Prälat nahm es für begeisterten Beifall und schritt mit
historischen Schritten von dannen. Seit jener Zeit ist er Doctor
der Philosophie geworden und soll sich gegenwärtig mit einem
Mnsterbuche deutscher Beredsamkeit beschäftigen; "darin ist er feste!"

Noch von vielen Lichtern der Prager Universität, von Sonnen,
Monden, Sternen und Talklichtern könnt' ich singen und sagen,
z. B. von dem genialen, witzigen Prof. Hyrtl, der so eben aus
Paris den Orden der Ehrenlegion für seine unvergleichlichen anato¬
mischen Präparate erhalten hat, von Wolf, dem Chemiker, der mit
seiner Wissenschaft eben so große Resultate erzielte als die Chymisten
der alten Zeit, von Krombholz, dem nun todten Universalgenie, vom
alten Chirurg Fritze, der, wo es zum Schneiden kam, eben so viel
Courage hatte wie der preußische alte Fritze unter den Schlachten¬
gewinnern, von Oppolzer, der durch seine Gegenwart allein kranke
Frauen heilt, und noch von vielen andern könnte ich singen und
sagen, wenn ich mich nicht jetzt in Gedanken, wie einst in der
Wirklichkeit, aus den dumpfen Hörsälen in die Gassen und unter
die Menschen sehnte, denn noch Manchem hoffe ich zu begegne",
der da interessant ist.

Nur noch der Bibliothek will ich im Vorübergehen einen klei¬
nen Besuch machen, nicht um in alten Scharteken zu studiren, son¬
dern um Einem und dem Andern freundschaftlich die Hand zu
drücken. -- Zuerst drücke ich sie dem Range nach dem guten, mil¬
den, gelehrten Bibliothekar Prof. Spirk; ich habe fo manches Buch
aus seinen Händen bekommen, wozu ich auf der Wiener Bibliothek
erst großartiger Protectionm bedurft hätte, um es erst am Ende
nicht zu bekommen. Denn auf der Prager Bibliothek ist man
liberaler, liebenswürdiger, dienstwilliger, als auf der Wiener, und
nur die verpöntesten Bücher werden Einem mit Bedauern verwei-


Nehmen Sie sich, meine Herren, diese inhaltschweren Worte zu
Herzen: Wer will der kann! — O geliebte Jünglinge! — (Ende.)

Mit triumphirenden Blicken und ausgebreiteten Armen sah
er nach dieser Rede, mit welcher er uns beweisen wollte, daß wer
Will der kann, auf uns hernieder. Die Professoren, die ihn um¬
standen, bissen sich in die Lippen, nur Prof. Müller lächelte schmerz¬
lich, und Jandera suchte mit ernstem Gesichte die Quadratur dieses
Zirkels. Ein unbändiges Lachen und ironisches Vivatrufen brach
los; der Prälat nahm es für begeisterten Beifall und schritt mit
historischen Schritten von dannen. Seit jener Zeit ist er Doctor
der Philosophie geworden und soll sich gegenwärtig mit einem
Mnsterbuche deutscher Beredsamkeit beschäftigen; „darin ist er feste!"

Noch von vielen Lichtern der Prager Universität, von Sonnen,
Monden, Sternen und Talklichtern könnt' ich singen und sagen,
z. B. von dem genialen, witzigen Prof. Hyrtl, der so eben aus
Paris den Orden der Ehrenlegion für seine unvergleichlichen anato¬
mischen Präparate erhalten hat, von Wolf, dem Chemiker, der mit
seiner Wissenschaft eben so große Resultate erzielte als die Chymisten
der alten Zeit, von Krombholz, dem nun todten Universalgenie, vom
alten Chirurg Fritze, der, wo es zum Schneiden kam, eben so viel
Courage hatte wie der preußische alte Fritze unter den Schlachten¬
gewinnern, von Oppolzer, der durch seine Gegenwart allein kranke
Frauen heilt, und noch von vielen andern könnte ich singen und
sagen, wenn ich mich nicht jetzt in Gedanken, wie einst in der
Wirklichkeit, aus den dumpfen Hörsälen in die Gassen und unter
die Menschen sehnte, denn noch Manchem hoffe ich zu begegne»,
der da interessant ist.

Nur noch der Bibliothek will ich im Vorübergehen einen klei¬
nen Besuch machen, nicht um in alten Scharteken zu studiren, son¬
dern um Einem und dem Andern freundschaftlich die Hand zu
drücken. — Zuerst drücke ich sie dem Range nach dem guten, mil¬
den, gelehrten Bibliothekar Prof. Spirk; ich habe fo manches Buch
aus seinen Händen bekommen, wozu ich auf der Wiener Bibliothek
erst großartiger Protectionm bedurft hätte, um es erst am Ende
nicht zu bekommen. Denn auf der Prager Bibliothek ist man
liberaler, liebenswürdiger, dienstwilliger, als auf der Wiener, und
nur die verpöntesten Bücher werden Einem mit Bedauern verwei-


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[0126] Nehmen Sie sich, meine Herren, diese inhaltschweren Worte zu Herzen: Wer will der kann! — O geliebte Jünglinge! — (Ende.) Mit triumphirenden Blicken und ausgebreiteten Armen sah er nach dieser Rede, mit welcher er uns beweisen wollte, daß wer Will der kann, auf uns hernieder. Die Professoren, die ihn um¬ standen, bissen sich in die Lippen, nur Prof. Müller lächelte schmerz¬ lich, und Jandera suchte mit ernstem Gesichte die Quadratur dieses Zirkels. Ein unbändiges Lachen und ironisches Vivatrufen brach los; der Prälat nahm es für begeisterten Beifall und schritt mit historischen Schritten von dannen. Seit jener Zeit ist er Doctor der Philosophie geworden und soll sich gegenwärtig mit einem Mnsterbuche deutscher Beredsamkeit beschäftigen; „darin ist er feste!" Noch von vielen Lichtern der Prager Universität, von Sonnen, Monden, Sternen und Talklichtern könnt' ich singen und sagen, z. B. von dem genialen, witzigen Prof. Hyrtl, der so eben aus Paris den Orden der Ehrenlegion für seine unvergleichlichen anato¬ mischen Präparate erhalten hat, von Wolf, dem Chemiker, der mit seiner Wissenschaft eben so große Resultate erzielte als die Chymisten der alten Zeit, von Krombholz, dem nun todten Universalgenie, vom alten Chirurg Fritze, der, wo es zum Schneiden kam, eben so viel Courage hatte wie der preußische alte Fritze unter den Schlachten¬ gewinnern, von Oppolzer, der durch seine Gegenwart allein kranke Frauen heilt, und noch von vielen andern könnte ich singen und sagen, wenn ich mich nicht jetzt in Gedanken, wie einst in der Wirklichkeit, aus den dumpfen Hörsälen in die Gassen und unter die Menschen sehnte, denn noch Manchem hoffe ich zu begegne», der da interessant ist. Nur noch der Bibliothek will ich im Vorübergehen einen klei¬ nen Besuch machen, nicht um in alten Scharteken zu studiren, son¬ dern um Einem und dem Andern freundschaftlich die Hand zu drücken. — Zuerst drücke ich sie dem Range nach dem guten, mil¬ den, gelehrten Bibliothekar Prof. Spirk; ich habe fo manches Buch aus seinen Händen bekommen, wozu ich auf der Wiener Bibliothek erst großartiger Protectionm bedurft hätte, um es erst am Ende nicht zu bekommen. Denn auf der Prager Bibliothek ist man liberaler, liebenswürdiger, dienstwilliger, als auf der Wiener, und nur die verpöntesten Bücher werden Einem mit Bedauern verwei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/126>, abgerufen am 01.09.2024.