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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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ne" vom Eramen kam. Auf meine Frage antwortete er: Ich
mußte eben die Debatten des jetzigen Landtages zu Preßburg bü¬
ßen! ES ist ein wahrer Gottlieb Coole, dieser Presset, von Par-
teicnwuth und Aussehen. Welch ein schönes Band der Liebe um¬
schlingt die Welt! Die Slaven hassen die Deutschen, die Deut¬
schen verachten die Slaven; die Franzosen verachten die Deut¬
schen und werden von den Engländern über die Achsel angesehen;
dafür verspottet der Yankee John Bull, während er selbst von Mil¬
lionen geraubten Sclaven und aussterbenden, edlen, freien UrVöl¬
kern verflucht wird. -- ES wird Einem unheimlich unter dieser
Sündfluth christlicher Liebe bei gebildeten Nationen, und man
möchte lieber ein Eskimo sein, der nicht lesen kann und von den
civilisirten kunst- lind wissenschaftöreichen Nationen nicht einmal
den Namen erfährt. Herr Professor Erner, die Herbartischen
Ideen, die Sie so schön dociren, zumal die Idee des Wohlwollens,
reichen hier nicht aus. Herbart genügt, um sich mit Noth und
Mühe durch die Misere der Welt zu winden, ja er macht es Ei¬
nem bequem, sich im Philistreum heimisch und wohnlich niederzu¬
lassen, er entzündet und nährt das Fetter am bürgerlichen Heerde,
er macht die Hausmannskost schmackhaft und genießbar; -- aber
er ist eilt deutscher Stubengelehrter, und tritt man nur mit einem
Schritte hinaus ins Freie unter das Gewimmel der geängstigten
und hassenden Menschen, da läßt er Einen allein und ohne Trost
und ohne Leitfaden, währender sich selbst hinter seinen pacificiren-
den Ideen die kein Aergerniß geben wollen, gemächlich verschanzt.--
Er erhebt nicht, er waffnet nicht. Seine Philosophie lst ein Kahn
für den ruhigen Landsee oder Teich im Parke, aber sie ist kein Schiff
auf dem man sich hinauswagen könnte in die Stürme der offenen
See, um das verschwundene goldene Land der Atlantis wieder auf¬
zusuchen, bis man es findet. Uebrigens war und ist Herr Erner
zur Zeit vielleicht der einzige Professor an der philosophischen Fa-
cultät., vor dem man Respect hatte und hat. --

Die Prager Universität ist in ganz Oesterreich die einzige, wo
man eine gewisse Philosophie zu hören bekommt, während die
Philosophie der andern Universitäten eine namenlose ist, als schäm¬
te sie sich ihrer Herkunft. Sie hat vielleicht nicht Ursache, die
gute österreichische Philosophie. -- Ihre Mutter ist die alte Lo-
*


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ne» vom Eramen kam. Auf meine Frage antwortete er: Ich
mußte eben die Debatten des jetzigen Landtages zu Preßburg bü¬
ßen! ES ist ein wahrer Gottlieb Coole, dieser Presset, von Par-
teicnwuth und Aussehen. Welch ein schönes Band der Liebe um¬
schlingt die Welt! Die Slaven hassen die Deutschen, die Deut¬
schen verachten die Slaven; die Franzosen verachten die Deut¬
schen und werden von den Engländern über die Achsel angesehen;
dafür verspottet der Yankee John Bull, während er selbst von Mil¬
lionen geraubten Sclaven und aussterbenden, edlen, freien UrVöl¬
kern verflucht wird. — ES wird Einem unheimlich unter dieser
Sündfluth christlicher Liebe bei gebildeten Nationen, und man
möchte lieber ein Eskimo sein, der nicht lesen kann und von den
civilisirten kunst- lind wissenschaftöreichen Nationen nicht einmal
den Namen erfährt. Herr Professor Erner, die Herbartischen
Ideen, die Sie so schön dociren, zumal die Idee des Wohlwollens,
reichen hier nicht aus. Herbart genügt, um sich mit Noth und
Mühe durch die Misere der Welt zu winden, ja er macht es Ei¬
nem bequem, sich im Philistreum heimisch und wohnlich niederzu¬
lassen, er entzündet und nährt das Fetter am bürgerlichen Heerde,
er macht die Hausmannskost schmackhaft und genießbar; — aber
er ist eilt deutscher Stubengelehrter, und tritt man nur mit einem
Schritte hinaus ins Freie unter das Gewimmel der geängstigten
und hassenden Menschen, da läßt er Einen allein und ohne Trost
und ohne Leitfaden, währender sich selbst hinter seinen pacificiren-
den Ideen die kein Aergerniß geben wollen, gemächlich verschanzt.—
Er erhebt nicht, er waffnet nicht. Seine Philosophie lst ein Kahn
für den ruhigen Landsee oder Teich im Parke, aber sie ist kein Schiff
auf dem man sich hinauswagen könnte in die Stürme der offenen
See, um das verschwundene goldene Land der Atlantis wieder auf¬
zusuchen, bis man es findet. Uebrigens war und ist Herr Erner
zur Zeit vielleicht der einzige Professor an der philosophischen Fa-
cultät., vor dem man Respect hatte und hat. —

Die Prager Universität ist in ganz Oesterreich die einzige, wo
man eine gewisse Philosophie zu hören bekommt, während die
Philosophie der andern Universitäten eine namenlose ist, als schäm¬
te sie sich ihrer Herkunft. Sie hat vielleicht nicht Ursache, die
gute österreichische Philosophie. — Ihre Mutter ist die alte Lo-
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[0123] ne» vom Eramen kam. Auf meine Frage antwortete er: Ich mußte eben die Debatten des jetzigen Landtages zu Preßburg bü¬ ßen! ES ist ein wahrer Gottlieb Coole, dieser Presset, von Par- teicnwuth und Aussehen. Welch ein schönes Band der Liebe um¬ schlingt die Welt! Die Slaven hassen die Deutschen, die Deut¬ schen verachten die Slaven; die Franzosen verachten die Deut¬ schen und werden von den Engländern über die Achsel angesehen; dafür verspottet der Yankee John Bull, während er selbst von Mil¬ lionen geraubten Sclaven und aussterbenden, edlen, freien UrVöl¬ kern verflucht wird. — ES wird Einem unheimlich unter dieser Sündfluth christlicher Liebe bei gebildeten Nationen, und man möchte lieber ein Eskimo sein, der nicht lesen kann und von den civilisirten kunst- lind wissenschaftöreichen Nationen nicht einmal den Namen erfährt. Herr Professor Erner, die Herbartischen Ideen, die Sie so schön dociren, zumal die Idee des Wohlwollens, reichen hier nicht aus. Herbart genügt, um sich mit Noth und Mühe durch die Misere der Welt zu winden, ja er macht es Ei¬ nem bequem, sich im Philistreum heimisch und wohnlich niederzu¬ lassen, er entzündet und nährt das Fetter am bürgerlichen Heerde, er macht die Hausmannskost schmackhaft und genießbar; — aber er ist eilt deutscher Stubengelehrter, und tritt man nur mit einem Schritte hinaus ins Freie unter das Gewimmel der geängstigten und hassenden Menschen, da läßt er Einen allein und ohne Trost und ohne Leitfaden, währender sich selbst hinter seinen pacificiren- den Ideen die kein Aergerniß geben wollen, gemächlich verschanzt.— Er erhebt nicht, er waffnet nicht. Seine Philosophie lst ein Kahn für den ruhigen Landsee oder Teich im Parke, aber sie ist kein Schiff auf dem man sich hinauswagen könnte in die Stürme der offenen See, um das verschwundene goldene Land der Atlantis wieder auf¬ zusuchen, bis man es findet. Uebrigens war und ist Herr Erner zur Zeit vielleicht der einzige Professor an der philosophischen Fa- cultät., vor dem man Respect hatte und hat. — Die Prager Universität ist in ganz Oesterreich die einzige, wo man eine gewisse Philosophie zu hören bekommt, während die Philosophie der andern Universitäten eine namenlose ist, als schäm¬ te sie sich ihrer Herkunft. Sie hat vielleicht nicht Ursache, die gute österreichische Philosophie. — Ihre Mutter ist die alte Lo- * 15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/123>, abgerufen am 23.12.2024.