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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Hirtinnen und Hussiten sprach, der ich jetzt um Mitternacht hier stehe
auf der Höhe Prags, und fühle, wie Poesie aus dem dunklen Häu¬
sermeere mir entgegen strömt" Mein Herz ist eine "uncl'.i, "dscuri"
geworden, wie die eurer" obscur-r die hier neben mir steht, und all die
riesigen Gestalten die jemals da unten die Gasse durchzogen, durch¬
ziehen schattenhaft mein Herz, eine lange unabsehbare Reihe, wie
ein Spiegel Macbeths. Ich sehe -- nicht Libussa, das ist eine
abgebrauchte, abgefärbte Taschenbuchfigur -- ich sehe Ziszka ganz
gegen alle Chronologie dem ganzen Zuge voraus ziehen. -- Er
war der größte Böhme, wie Hannibal der größte Karthager. --
Ich sehe ihn in dem Augenblicke da er pestkrank sich auf seinem
Lager wälzt, der blinde narbenvolle Greis, neben ihm ein sterben¬
der Papist, der im fremden Lande die Pest eingesaugt und sie mit
Wollust, als trüge er das Allerheiligste oder sein Liebchen, in das
Lager Ziszkas trug. -- Mit brechenden Augen hängt er noch an
dem sterbenden Helden, um sich an seinen Qualen zu weiden. --
Draußen heult der Sturm, weint das Bächlein und brechen
Bäume. -- Durch das ganze gelobte Land Böheim rings um
ZiSzkas Todtenbett tanzen Taboriten, Horebiten und nackte Ada-
miter mit verschlungenen Händen einen wilden Reigen. -- Wo
sie auftreten wächst kein Gras, wo sie ihre Psalme ertönen lassen,
verstummt der Gesang der Vögel. -- Fern von diesen blutigen
Scenen sehe ich ein anderes, schöneres, friedlicheres Bild. -- Es
ist Frühling;

Auf den Feldern arbeiten die geknechteten Bauern, und seufzen unter
der Last und murmeln leise Flüche auf ihren Unterdrücker. -- Ein
zweiter Heiland wandelt Huß, aus dem slavischen Jerusalem ver¬
bannt, unter ihnen, und predigt und tröstet. -- Sein Antlitz ist'
blaß und trägt die Weihe des Märtyrers, sein Auge glüht wie
die letzten Gluten des Scheiterhaufens zu Costnitz, sein Mund lä¬
chelt., wie damals, da er das skwctit simMcita" aussprach. ---
Fern von ihm, den thränenden Blick auf den Meister gerichtet,


Hirtinnen und Hussiten sprach, der ich jetzt um Mitternacht hier stehe
auf der Höhe Prags, und fühle, wie Poesie aus dem dunklen Häu¬
sermeere mir entgegen strömt» Mein Herz ist eine «uncl'.i, «dscuri»
geworden, wie die eurer» obscur-r die hier neben mir steht, und all die
riesigen Gestalten die jemals da unten die Gasse durchzogen, durch¬
ziehen schattenhaft mein Herz, eine lange unabsehbare Reihe, wie
ein Spiegel Macbeths. Ich sehe — nicht Libussa, das ist eine
abgebrauchte, abgefärbte Taschenbuchfigur — ich sehe Ziszka ganz
gegen alle Chronologie dem ganzen Zuge voraus ziehen. — Er
war der größte Böhme, wie Hannibal der größte Karthager. —
Ich sehe ihn in dem Augenblicke da er pestkrank sich auf seinem
Lager wälzt, der blinde narbenvolle Greis, neben ihm ein sterben¬
der Papist, der im fremden Lande die Pest eingesaugt und sie mit
Wollust, als trüge er das Allerheiligste oder sein Liebchen, in das
Lager Ziszkas trug. — Mit brechenden Augen hängt er noch an
dem sterbenden Helden, um sich an seinen Qualen zu weiden. —
Draußen heult der Sturm, weint das Bächlein und brechen
Bäume. — Durch das ganze gelobte Land Böheim rings um
ZiSzkas Todtenbett tanzen Taboriten, Horebiten und nackte Ada-
miter mit verschlungenen Händen einen wilden Reigen. — Wo
sie auftreten wächst kein Gras, wo sie ihre Psalme ertönen lassen,
verstummt der Gesang der Vögel. — Fern von diesen blutigen
Scenen sehe ich ein anderes, schöneres, friedlicheres Bild. — Es
ist Frühling;

Auf den Feldern arbeiten die geknechteten Bauern, und seufzen unter
der Last und murmeln leise Flüche auf ihren Unterdrücker. — Ein
zweiter Heiland wandelt Huß, aus dem slavischen Jerusalem ver¬
bannt, unter ihnen, und predigt und tröstet. — Sein Antlitz ist'
blaß und trägt die Weihe des Märtyrers, sein Auge glüht wie
die letzten Gluten des Scheiterhaufens zu Costnitz, sein Mund lä¬
chelt., wie damals, da er das skwctit simMcita« aussprach. —-
Fern von ihm, den thränenden Blick auf den Meister gerichtet,


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[0116] Hirtinnen und Hussiten sprach, der ich jetzt um Mitternacht hier stehe auf der Höhe Prags, und fühle, wie Poesie aus dem dunklen Häu¬ sermeere mir entgegen strömt» Mein Herz ist eine «uncl'.i, «dscuri» geworden, wie die eurer» obscur-r die hier neben mir steht, und all die riesigen Gestalten die jemals da unten die Gasse durchzogen, durch¬ ziehen schattenhaft mein Herz, eine lange unabsehbare Reihe, wie ein Spiegel Macbeths. Ich sehe — nicht Libussa, das ist eine abgebrauchte, abgefärbte Taschenbuchfigur — ich sehe Ziszka ganz gegen alle Chronologie dem ganzen Zuge voraus ziehen. — Er war der größte Böhme, wie Hannibal der größte Karthager. — Ich sehe ihn in dem Augenblicke da er pestkrank sich auf seinem Lager wälzt, der blinde narbenvolle Greis, neben ihm ein sterben¬ der Papist, der im fremden Lande die Pest eingesaugt und sie mit Wollust, als trüge er das Allerheiligste oder sein Liebchen, in das Lager Ziszkas trug. — Mit brechenden Augen hängt er noch an dem sterbenden Helden, um sich an seinen Qualen zu weiden. — Draußen heult der Sturm, weint das Bächlein und brechen Bäume. — Durch das ganze gelobte Land Böheim rings um ZiSzkas Todtenbett tanzen Taboriten, Horebiten und nackte Ada- miter mit verschlungenen Händen einen wilden Reigen. — Wo sie auftreten wächst kein Gras, wo sie ihre Psalme ertönen lassen, verstummt der Gesang der Vögel. — Fern von diesen blutigen Scenen sehe ich ein anderes, schöneres, friedlicheres Bild. — Es ist Frühling; Auf den Feldern arbeiten die geknechteten Bauern, und seufzen unter der Last und murmeln leise Flüche auf ihren Unterdrücker. — Ein zweiter Heiland wandelt Huß, aus dem slavischen Jerusalem ver¬ bannt, unter ihnen, und predigt und tröstet. — Sein Antlitz ist' blaß und trägt die Weihe des Märtyrers, sein Auge glüht wie die letzten Gluten des Scheiterhaufens zu Costnitz, sein Mund lä¬ chelt., wie damals, da er das skwctit simMcita« aussprach. —- Fern von ihm, den thränenden Blick auf den Meister gerichtet,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/116>, abgerufen am 23.12.2024.