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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Die Hofzeitung brachte natürlich einen überschwenglich loben¬
den Artikel über Hinzelmann; ja sie schoß sogar einige giftige
Pfeile auf den frühern Minister ab, welchem sie in der vorigen
Nummer noch das Weihrauchfaß um die Nase geschwungen hatte.
Der ehrliche Hinzelmann ward roth bis über die Ohren. Dage¬
gen konnte der Fürst sich nicht die boshafte Freude versagen,
und stattete dem gefallenen Günstling seines Vaters eine allerhöchst
persönliche Beileidsvisite ab; im Hause des Ministers wurden grade
die zerbrochenen Scheiben reparirt, und der Staatsmann empfing
seinen Herrn mit einem kalten ruhigen Lächeln. Der Fürst, der
nun über das Glück seines Volkes im Innersten beruhigt war,
überließ sich ganz seinem hohen Sinn für die schönen Künste, zu
denen sowohl die Oper als die Liebe gehörte.

Aber bald fing der Himmel an, sich zu umwölken. Hinzel¬
mann weckte bei jedem Schritte Klagen über Klagen. Der erste,
der öffentlich gegen ihn auftrat, war der Hofjournalist; denn statt
ihn für seine schamlosen LobhMjxien zu belohnen, entzog Hinzel¬
mann dem ministeriellen Blatte die bisher bezogene, sehr bedeutende
Subvention, unter dem Vorgeben, daß er für die Erfindung Gut-
tenbergs zu viel Achtung habe, um sie wie einen Lohnlakai zu mie¬
then. Er behauptete, die Presse müsse vollständig unabhängig sein,
und er zerbrach daher alle ihre Fesseln, auch die goldenen. Natür¬
lich beeilte sich der Hosjournalist, seine Ueberzeugungen von dem
Werthe der neuen Politik zu widerrufen, und schrieb eine Parallele
zwischen dem alten Ministerium und dem neubackenen, wobei jenes
wieder eben so gründlich gepriesen wurde, als es den Tag vorher
verdammt worden war; während der Erbürgermeister, bei der ge¬
ringsten Maßregel, die er traf, als ein Feind der Presse, ein Un¬
terdrücker des Volkes und ein Verräther an den Interessen der
Krone geschildert wurde; ja selbst nach der Diktatur strebe Hinzel¬
mann, nicht umsonst habe er die Portraits Cromwells und Napo¬
leons in seinem Schlafzimmer hängen, und sein grobes Benehmen
bei Hofe, sein Mangel an Anstand vor dem Fürsten sei bereits eine
Majestätsbeleidigung, die das Volksgefühl empöre und das Aeu-
ßerste befürchten lasse.

Dazu kam noch eine andere Taktlosigkeit Hinzclmanns. Die
Residenz war halb katholisch und halb protestantisch; diese beiden


Die Hofzeitung brachte natürlich einen überschwenglich loben¬
den Artikel über Hinzelmann; ja sie schoß sogar einige giftige
Pfeile auf den frühern Minister ab, welchem sie in der vorigen
Nummer noch das Weihrauchfaß um die Nase geschwungen hatte.
Der ehrliche Hinzelmann ward roth bis über die Ohren. Dage¬
gen konnte der Fürst sich nicht die boshafte Freude versagen,
und stattete dem gefallenen Günstling seines Vaters eine allerhöchst
persönliche Beileidsvisite ab; im Hause des Ministers wurden grade
die zerbrochenen Scheiben reparirt, und der Staatsmann empfing
seinen Herrn mit einem kalten ruhigen Lächeln. Der Fürst, der
nun über das Glück seines Volkes im Innersten beruhigt war,
überließ sich ganz seinem hohen Sinn für die schönen Künste, zu
denen sowohl die Oper als die Liebe gehörte.

Aber bald fing der Himmel an, sich zu umwölken. Hinzel¬
mann weckte bei jedem Schritte Klagen über Klagen. Der erste,
der öffentlich gegen ihn auftrat, war der Hofjournalist; denn statt
ihn für seine schamlosen LobhMjxien zu belohnen, entzog Hinzel¬
mann dem ministeriellen Blatte die bisher bezogene, sehr bedeutende
Subvention, unter dem Vorgeben, daß er für die Erfindung Gut-
tenbergs zu viel Achtung habe, um sie wie einen Lohnlakai zu mie¬
then. Er behauptete, die Presse müsse vollständig unabhängig sein,
und er zerbrach daher alle ihre Fesseln, auch die goldenen. Natür¬
lich beeilte sich der Hosjournalist, seine Ueberzeugungen von dem
Werthe der neuen Politik zu widerrufen, und schrieb eine Parallele
zwischen dem alten Ministerium und dem neubackenen, wobei jenes
wieder eben so gründlich gepriesen wurde, als es den Tag vorher
verdammt worden war; während der Erbürgermeister, bei der ge¬
ringsten Maßregel, die er traf, als ein Feind der Presse, ein Un¬
terdrücker des Volkes und ein Verräther an den Interessen der
Krone geschildert wurde; ja selbst nach der Diktatur strebe Hinzel¬
mann, nicht umsonst habe er die Portraits Cromwells und Napo¬
leons in seinem Schlafzimmer hängen, und sein grobes Benehmen
bei Hofe, sein Mangel an Anstand vor dem Fürsten sei bereits eine
Majestätsbeleidigung, die das Volksgefühl empöre und das Aeu-
ßerste befürchten lasse.

Dazu kam noch eine andere Taktlosigkeit Hinzclmanns. Die
Residenz war halb katholisch und halb protestantisch; diese beiden


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[0109] Die Hofzeitung brachte natürlich einen überschwenglich loben¬ den Artikel über Hinzelmann; ja sie schoß sogar einige giftige Pfeile auf den frühern Minister ab, welchem sie in der vorigen Nummer noch das Weihrauchfaß um die Nase geschwungen hatte. Der ehrliche Hinzelmann ward roth bis über die Ohren. Dage¬ gen konnte der Fürst sich nicht die boshafte Freude versagen, und stattete dem gefallenen Günstling seines Vaters eine allerhöchst persönliche Beileidsvisite ab; im Hause des Ministers wurden grade die zerbrochenen Scheiben reparirt, und der Staatsmann empfing seinen Herrn mit einem kalten ruhigen Lächeln. Der Fürst, der nun über das Glück seines Volkes im Innersten beruhigt war, überließ sich ganz seinem hohen Sinn für die schönen Künste, zu denen sowohl die Oper als die Liebe gehörte. Aber bald fing der Himmel an, sich zu umwölken. Hinzel¬ mann weckte bei jedem Schritte Klagen über Klagen. Der erste, der öffentlich gegen ihn auftrat, war der Hofjournalist; denn statt ihn für seine schamlosen LobhMjxien zu belohnen, entzog Hinzel¬ mann dem ministeriellen Blatte die bisher bezogene, sehr bedeutende Subvention, unter dem Vorgeben, daß er für die Erfindung Gut- tenbergs zu viel Achtung habe, um sie wie einen Lohnlakai zu mie¬ then. Er behauptete, die Presse müsse vollständig unabhängig sein, und er zerbrach daher alle ihre Fesseln, auch die goldenen. Natür¬ lich beeilte sich der Hosjournalist, seine Ueberzeugungen von dem Werthe der neuen Politik zu widerrufen, und schrieb eine Parallele zwischen dem alten Ministerium und dem neubackenen, wobei jenes wieder eben so gründlich gepriesen wurde, als es den Tag vorher verdammt worden war; während der Erbürgermeister, bei der ge¬ ringsten Maßregel, die er traf, als ein Feind der Presse, ein Un¬ terdrücker des Volkes und ein Verräther an den Interessen der Krone geschildert wurde; ja selbst nach der Diktatur strebe Hinzel¬ mann, nicht umsonst habe er die Portraits Cromwells und Napo¬ leons in seinem Schlafzimmer hängen, und sein grobes Benehmen bei Hofe, sein Mangel an Anstand vor dem Fürsten sei bereits eine Majestätsbeleidigung, die das Volksgefühl empöre und das Aeu- ßerste befürchten lasse. Dazu kam noch eine andere Taktlosigkeit Hinzclmanns. Die Residenz war halb katholisch und halb protestantisch; diese beiden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/109>, abgerufen am 23.12.2024.