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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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von jährlich 75Mi) Gulden unterstützten Hoftheaters sich nicht entblö¬
det, Novitäten, die auf den Bühnen des Privatunternehmers Pokornv
zuerst gegeben wurden und Beifall fanden, zu borgen und durch ihre
von glänzenderen Kunstkräften gehobene Darstellung der Initiative den
gehofften gerechten Gewinn zu entreißen. Eine Direktion, welche so gestellt
ist, wie die des Herrn Ballochino, sollte nur ausnahmsweise bereits irgend¬
wo zur Darstellung gebrachte Opern als Novitäten vorführen, viel¬
mehr ihren Stolz darin finden, selbst welche hervorzurufen, das heißt,
für ihre Anstalt besondere Opern von wahren Componisten schreiben
zu lassen. Das Publikum schien auch die Sache so aufzufassen und
war mit den Aelchen seiner Unzufriedenheit sehr freigebig, obschon die
Oper selbst hier außerordentliches Glück gemacht hat und darum ohne
Nebengründe jedenfalls anders aufgenommen worden wäre.

Nachdem vor einiger Zeit das Theater an der Wien in verjüng¬
ter Gestalt wieder eröffnet worden, hat nun auch das Lcopoldstädter
Theater, das zu gleichem Zwecke geschlossen worden war, seine Pfor¬
ten aufgethan. Diese im Raum beschränkte Bühne ist jedoch in
Folge der erlittenen Verwandlungen und eines Aufwandes von
Gulden nunmehr das zierlichste Schauspielhaus der Hauptstadt und
gewährt de"' freundlichsten Anblick, der eine frühere Gestalt kaum mehr
ahnen läßt. Es ist im Styl der Renaissance decorirt, etwas überladen
zwar, aber ganz den kleinen Verhältnissen der Architektur angemessen,
denen großartige Einfachheit gar übel anstehen würde. Statuetten und
Schildereien aus den beliebtesten Volksstücken zieren die Logcnbrüstun-
gen; die Logen selbst sind jede in eigener Farbe ausgestattet und die
verschwenderische Lichtfülle von mehr als hundert Gasflammen gießt
einen blendenden Schimmer auf den ganzen Saal. Wie Director
Carl in seiner Ansprache an das Publikum versicherte, hat er den
Gedanken an den Bau eines neuen größern Theaters noch keineswegs
aufgegeben, obschon er sich für jetzt mit der Renovirung des alten
begnügte. Die ctnoni'jue scimäirlousv ist besonders reich an Histörchen,
die sich mit der Rivalität der beiden Vorstadttheater beschäftigen, und
sie tragen zuweilen eine Farbe, die dunkel genug wäre, um an ihrer
Wahrheit zu zweifeln, wenn nicht manche Thatsachen dafür sprächen.
Auffallend ist der Abstand, der zwischen den beiden Berühmtheiten
Staudigl und Marra und dem sonstigen Gesangspcrsonal des Thea¬
ters an der Wien besteht; doch wie man hört, soll dieser Mißstand
dadurch entstanden sein, daß der von Pokornv zum Engagement ent¬
sprechender Sänger auf Reisen geschickte Agent Holting von der Gegen¬
partei bestochen gewesen sei und seine Vollmacht nur dazu benutzt habe, um
den Zweck seiner Reise zu vereiteln und den Sängern von einem solchen
Engagement abzurathen. Dieser Streich habe Pokornv gezwungen,
darauf selbst zu reisen und persönliche Rücksprache zu pflegen, doch
war bereits die schönste Zeit verstrichen und sein Plan dadurch zumeist


Grenjbotcn, I"is. IV. '

von jährlich 75Mi) Gulden unterstützten Hoftheaters sich nicht entblö¬
det, Novitäten, die auf den Bühnen des Privatunternehmers Pokornv
zuerst gegeben wurden und Beifall fanden, zu borgen und durch ihre
von glänzenderen Kunstkräften gehobene Darstellung der Initiative den
gehofften gerechten Gewinn zu entreißen. Eine Direktion, welche so gestellt
ist, wie die des Herrn Ballochino, sollte nur ausnahmsweise bereits irgend¬
wo zur Darstellung gebrachte Opern als Novitäten vorführen, viel¬
mehr ihren Stolz darin finden, selbst welche hervorzurufen, das heißt,
für ihre Anstalt besondere Opern von wahren Componisten schreiben
zu lassen. Das Publikum schien auch die Sache so aufzufassen und
war mit den Aelchen seiner Unzufriedenheit sehr freigebig, obschon die
Oper selbst hier außerordentliches Glück gemacht hat und darum ohne
Nebengründe jedenfalls anders aufgenommen worden wäre.

Nachdem vor einiger Zeit das Theater an der Wien in verjüng¬
ter Gestalt wieder eröffnet worden, hat nun auch das Lcopoldstädter
Theater, das zu gleichem Zwecke geschlossen worden war, seine Pfor¬
ten aufgethan. Diese im Raum beschränkte Bühne ist jedoch in
Folge der erlittenen Verwandlungen und eines Aufwandes von
Gulden nunmehr das zierlichste Schauspielhaus der Hauptstadt und
gewährt de»' freundlichsten Anblick, der eine frühere Gestalt kaum mehr
ahnen läßt. Es ist im Styl der Renaissance decorirt, etwas überladen
zwar, aber ganz den kleinen Verhältnissen der Architektur angemessen,
denen großartige Einfachheit gar übel anstehen würde. Statuetten und
Schildereien aus den beliebtesten Volksstücken zieren die Logcnbrüstun-
gen; die Logen selbst sind jede in eigener Farbe ausgestattet und die
verschwenderische Lichtfülle von mehr als hundert Gasflammen gießt
einen blendenden Schimmer auf den ganzen Saal. Wie Director
Carl in seiner Ansprache an das Publikum versicherte, hat er den
Gedanken an den Bau eines neuen größern Theaters noch keineswegs
aufgegeben, obschon er sich für jetzt mit der Renovirung des alten
begnügte. Die ctnoni'jue scimäirlousv ist besonders reich an Histörchen,
die sich mit der Rivalität der beiden Vorstadttheater beschäftigen, und
sie tragen zuweilen eine Farbe, die dunkel genug wäre, um an ihrer
Wahrheit zu zweifeln, wenn nicht manche Thatsachen dafür sprächen.
Auffallend ist der Abstand, der zwischen den beiden Berühmtheiten
Staudigl und Marra und dem sonstigen Gesangspcrsonal des Thea¬
ters an der Wien besteht; doch wie man hört, soll dieser Mißstand
dadurch entstanden sein, daß der von Pokornv zum Engagement ent¬
sprechender Sänger auf Reisen geschickte Agent Holting von der Gegen¬
partei bestochen gewesen sei und seine Vollmacht nur dazu benutzt habe, um
den Zweck seiner Reise zu vereiteln und den Sängern von einem solchen
Engagement abzurathen. Dieser Streich habe Pokornv gezwungen,
darauf selbst zu reisen und persönliche Rücksprache zu pflegen, doch
war bereits die schönste Zeit verstrichen und sein Plan dadurch zumeist


Grenjbotcn, I»is. IV. '
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[0089] von jährlich 75Mi) Gulden unterstützten Hoftheaters sich nicht entblö¬ det, Novitäten, die auf den Bühnen des Privatunternehmers Pokornv zuerst gegeben wurden und Beifall fanden, zu borgen und durch ihre von glänzenderen Kunstkräften gehobene Darstellung der Initiative den gehofften gerechten Gewinn zu entreißen. Eine Direktion, welche so gestellt ist, wie die des Herrn Ballochino, sollte nur ausnahmsweise bereits irgend¬ wo zur Darstellung gebrachte Opern als Novitäten vorführen, viel¬ mehr ihren Stolz darin finden, selbst welche hervorzurufen, das heißt, für ihre Anstalt besondere Opern von wahren Componisten schreiben zu lassen. Das Publikum schien auch die Sache so aufzufassen und war mit den Aelchen seiner Unzufriedenheit sehr freigebig, obschon die Oper selbst hier außerordentliches Glück gemacht hat und darum ohne Nebengründe jedenfalls anders aufgenommen worden wäre. Nachdem vor einiger Zeit das Theater an der Wien in verjüng¬ ter Gestalt wieder eröffnet worden, hat nun auch das Lcopoldstädter Theater, das zu gleichem Zwecke geschlossen worden war, seine Pfor¬ ten aufgethan. Diese im Raum beschränkte Bühne ist jedoch in Folge der erlittenen Verwandlungen und eines Aufwandes von Gulden nunmehr das zierlichste Schauspielhaus der Hauptstadt und gewährt de»' freundlichsten Anblick, der eine frühere Gestalt kaum mehr ahnen läßt. Es ist im Styl der Renaissance decorirt, etwas überladen zwar, aber ganz den kleinen Verhältnissen der Architektur angemessen, denen großartige Einfachheit gar übel anstehen würde. Statuetten und Schildereien aus den beliebtesten Volksstücken zieren die Logcnbrüstun- gen; die Logen selbst sind jede in eigener Farbe ausgestattet und die verschwenderische Lichtfülle von mehr als hundert Gasflammen gießt einen blendenden Schimmer auf den ganzen Saal. Wie Director Carl in seiner Ansprache an das Publikum versicherte, hat er den Gedanken an den Bau eines neuen größern Theaters noch keineswegs aufgegeben, obschon er sich für jetzt mit der Renovirung des alten begnügte. Die ctnoni'jue scimäirlousv ist besonders reich an Histörchen, die sich mit der Rivalität der beiden Vorstadttheater beschäftigen, und sie tragen zuweilen eine Farbe, die dunkel genug wäre, um an ihrer Wahrheit zu zweifeln, wenn nicht manche Thatsachen dafür sprächen. Auffallend ist der Abstand, der zwischen den beiden Berühmtheiten Staudigl und Marra und dem sonstigen Gesangspcrsonal des Thea¬ ters an der Wien besteht; doch wie man hört, soll dieser Mißstand dadurch entstanden sein, daß der von Pokornv zum Engagement ent¬ sprechender Sänger auf Reisen geschickte Agent Holting von der Gegen¬ partei bestochen gewesen sei und seine Vollmacht nur dazu benutzt habe, um den Zweck seiner Reise zu vereiteln und den Sängern von einem solchen Engagement abzurathen. Dieser Streich habe Pokornv gezwungen, darauf selbst zu reisen und persönliche Rücksprache zu pflegen, doch war bereits die schönste Zeit verstrichen und sein Plan dadurch zumeist Grenjbotcn, I»is. IV. '

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/89>, abgerufen am 05.02.2025.