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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Hotel fand ich die Freunde noch auf, alle Reporter eifrig mit
Schreiben beschäftigt. An Schlaf ist übrigens in diesem überfüllten
Stern nicht zu denken; bis drei Uhr geht es fortwährend Trepp'auf,
Trepp' ab, und um sechs Uhr wecken mich schon wieder Leute, die
man Gott weiß wo im Hause untergebracht hat während der Nacht,
und die nun im Hofe vor meinem Fenster frühstücken, froh hier eine
Bank, einen Tisch und einen guten Morgenimbiß zu finden. -- Für
die Bonner Wirthe, Bäcker, Metzger u. s. w. ist es ein wahrhaftes
Fest, an das mancher fremde Gast noch lange denken wird, denn
hin und wieder kommen enorme Prellereien zu Tage, namentlich für
Zimmer. So hat eine Gesellschaft von zwölf Personen z. B. für
ein Mittagsessen in einem Saal sunfzig Rthlr. Miethe zahlen müs¬
sen für den bloßen Raum: das Diner natürlich noch besonders!

Heute fand nun die feierliche Enthüllung des Monumentes
Statt. Um acht Uhr versammelten sich die Ehrengäste auf dem Rath--
hause und wurden gegen neun Uhr dem großen Zuge einverleibt, der
sich zur Kathedrale bewegte, wo feierliches Hochamt und Aufführung
von Beethovens zweiter Messe unter Prof. Breidensteins Direk¬
tion Statt fand. Von dort ging es nun nicht gleich zur Inaugura¬
tion, sondern man zerstreute sich und sammelte sich erst später wie¬
der, was freilich manches Gemüth aus der feierlichen Stimmung
herausbrachte. Endlich bewegte sich der Zug wieder über den Markt,
man schloß sich rasch an, gelangte auf die Tribune und -- wartete
hier nun lange Zeit auf die Ankunft der Monarchen und Fürsten.
Da ich mich in sehr guter Gesellschaft befand, so wurde mir die
Zeit eben nicht lang, obwohl drohende Regenwolken über den Häup¬
tern dahin zogen, ein starker Wind wehte und die Sonne zwischen¬
durch heiß brannte. Auch gab es allerlei angenehme und unange¬
nehme Intermezzo's; die letzteren wurden meist durch die Fingerfer¬
tigkeit französischer Taschendiebe herbeigeführt, von denen einige zwan¬
zig mit den besten Pässen als Bewunderer Beethoven's versehen, hier
gegenwärtig sein sollen. Einen derselben ertappte man in lluxr-mei;
er gebrauchte nämlich das Manöver, zu thun, als ob er ge¬
drängt würde, warf sich dabei auf den nächststehenden, dessen Brust
mit seinem hochgehaltenen Hute bedeckend, und unter diesem nun des
Anderen Busennadel, Brieftasche, Uhr u. s. w. fechtend. Glücklicher
Weise hatte eine Dame es bemerkt und es einigen Chargirten der


GrcnMcn, I84S. IV. 9

Hotel fand ich die Freunde noch auf, alle Reporter eifrig mit
Schreiben beschäftigt. An Schlaf ist übrigens in diesem überfüllten
Stern nicht zu denken; bis drei Uhr geht es fortwährend Trepp'auf,
Trepp' ab, und um sechs Uhr wecken mich schon wieder Leute, die
man Gott weiß wo im Hause untergebracht hat während der Nacht,
und die nun im Hofe vor meinem Fenster frühstücken, froh hier eine
Bank, einen Tisch und einen guten Morgenimbiß zu finden. — Für
die Bonner Wirthe, Bäcker, Metzger u. s. w. ist es ein wahrhaftes
Fest, an das mancher fremde Gast noch lange denken wird, denn
hin und wieder kommen enorme Prellereien zu Tage, namentlich für
Zimmer. So hat eine Gesellschaft von zwölf Personen z. B. für
ein Mittagsessen in einem Saal sunfzig Rthlr. Miethe zahlen müs¬
sen für den bloßen Raum: das Diner natürlich noch besonders!

Heute fand nun die feierliche Enthüllung des Monumentes
Statt. Um acht Uhr versammelten sich die Ehrengäste auf dem Rath--
hause und wurden gegen neun Uhr dem großen Zuge einverleibt, der
sich zur Kathedrale bewegte, wo feierliches Hochamt und Aufführung
von Beethovens zweiter Messe unter Prof. Breidensteins Direk¬
tion Statt fand. Von dort ging es nun nicht gleich zur Inaugura¬
tion, sondern man zerstreute sich und sammelte sich erst später wie¬
der, was freilich manches Gemüth aus der feierlichen Stimmung
herausbrachte. Endlich bewegte sich der Zug wieder über den Markt,
man schloß sich rasch an, gelangte auf die Tribune und — wartete
hier nun lange Zeit auf die Ankunft der Monarchen und Fürsten.
Da ich mich in sehr guter Gesellschaft befand, so wurde mir die
Zeit eben nicht lang, obwohl drohende Regenwolken über den Häup¬
tern dahin zogen, ein starker Wind wehte und die Sonne zwischen¬
durch heiß brannte. Auch gab es allerlei angenehme und unange¬
nehme Intermezzo's; die letzteren wurden meist durch die Fingerfer¬
tigkeit französischer Taschendiebe herbeigeführt, von denen einige zwan¬
zig mit den besten Pässen als Bewunderer Beethoven's versehen, hier
gegenwärtig sein sollen. Einen derselben ertappte man in lluxr-mei;
er gebrauchte nämlich das Manöver, zu thun, als ob er ge¬
drängt würde, warf sich dabei auf den nächststehenden, dessen Brust
mit seinem hochgehaltenen Hute bedeckend, und unter diesem nun des
Anderen Busennadel, Brieftasche, Uhr u. s. w. fechtend. Glücklicher
Weise hatte eine Dame es bemerkt und es einigen Chargirten der


GrcnMcn, I84S. IV. 9
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[0073] Hotel fand ich die Freunde noch auf, alle Reporter eifrig mit Schreiben beschäftigt. An Schlaf ist übrigens in diesem überfüllten Stern nicht zu denken; bis drei Uhr geht es fortwährend Trepp'auf, Trepp' ab, und um sechs Uhr wecken mich schon wieder Leute, die man Gott weiß wo im Hause untergebracht hat während der Nacht, und die nun im Hofe vor meinem Fenster frühstücken, froh hier eine Bank, einen Tisch und einen guten Morgenimbiß zu finden. — Für die Bonner Wirthe, Bäcker, Metzger u. s. w. ist es ein wahrhaftes Fest, an das mancher fremde Gast noch lange denken wird, denn hin und wieder kommen enorme Prellereien zu Tage, namentlich für Zimmer. So hat eine Gesellschaft von zwölf Personen z. B. für ein Mittagsessen in einem Saal sunfzig Rthlr. Miethe zahlen müs¬ sen für den bloßen Raum: das Diner natürlich noch besonders! Heute fand nun die feierliche Enthüllung des Monumentes Statt. Um acht Uhr versammelten sich die Ehrengäste auf dem Rath-- hause und wurden gegen neun Uhr dem großen Zuge einverleibt, der sich zur Kathedrale bewegte, wo feierliches Hochamt und Aufführung von Beethovens zweiter Messe unter Prof. Breidensteins Direk¬ tion Statt fand. Von dort ging es nun nicht gleich zur Inaugura¬ tion, sondern man zerstreute sich und sammelte sich erst später wie¬ der, was freilich manches Gemüth aus der feierlichen Stimmung herausbrachte. Endlich bewegte sich der Zug wieder über den Markt, man schloß sich rasch an, gelangte auf die Tribune und — wartete hier nun lange Zeit auf die Ankunft der Monarchen und Fürsten. Da ich mich in sehr guter Gesellschaft befand, so wurde mir die Zeit eben nicht lang, obwohl drohende Regenwolken über den Häup¬ tern dahin zogen, ein starker Wind wehte und die Sonne zwischen¬ durch heiß brannte. Auch gab es allerlei angenehme und unange¬ nehme Intermezzo's; die letzteren wurden meist durch die Fingerfer¬ tigkeit französischer Taschendiebe herbeigeführt, von denen einige zwan¬ zig mit den besten Pässen als Bewunderer Beethoven's versehen, hier gegenwärtig sein sollen. Einen derselben ertappte man in lluxr-mei; er gebrauchte nämlich das Manöver, zu thun, als ob er ge¬ drängt würde, warf sich dabei auf den nächststehenden, dessen Brust mit seinem hochgehaltenen Hute bedeckend, und unter diesem nun des Anderen Busennadel, Brieftasche, Uhr u. s. w. fechtend. Glücklicher Weise hatte eine Dame es bemerkt und es einigen Chargirten der GrcnMcn, I84S. IV. 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/73>, abgerufen am 05.02.2025.