Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.und Wissenschaft 1845 lesen wir eine Berichrigung des in der A. A. Schlaget auf die Jahrbücher der griechischen Geschichte und die und Wissenschaft 1845 lesen wir eine Berichrigung des in der A. A. Schlaget auf die Jahrbücher der griechischen Geschichte und die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0610" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271871"/> <p xml:id="ID_1585" prev="#ID_1584"> und Wissenschaft 1845 lesen wir eine Berichrigung des in der A. A.<lb/> Zeitung enthaltenen Artikels: „Carlsbad und seine Gäste." Wenn<lb/> uns dieser Artikel ein mitleidiges Lächeln entlockte, so können wir an-<lb/> andcrseits unsere Verwunderung nicht bergen, wie ein Czeche, und zwar<lb/> ein radikaler Czeche, denn als solcher will sich der Verfasser der Be¬<lb/> richtigung herausstellen, dem Russismus, d. h. dem Czarenthume das<lb/> Wort reden kann, als ob er die Blicke aller Czechen dem nordischen<lb/> Koloß zuwenden wollte, um der Regierung einen Popanz vorzuhal¬<lb/> ten, der sie zur Begünstigung ihres Strebens bestimmen sollte, und<lb/> überhaupt als ob es den Czechen nur unter des großen Czaren Aegide<lb/> möglich wäre, in Europa jenen Platz wieder einzunehmen, auf dem<lb/> sie im I5ren und töten Jahrhunderte gestanden haben. Wohl hat<lb/> sich seit dieser Zeit so manches geändert; denn immer tiefer und tie¬<lb/> fer sank das Königreich bis zur österreichischen Provinz herab, immer<lb/> tiefer und tiefer versank das Bewußtseyn der Nationalität, unter eine<lb/> Politik, die unveränderlich seit Jahren zum Leitfaden der Ver¬<lb/> waltung diente, so daß zwei heterogene Elemente zu einem Körper<lb/> sich vereinten, die jetzt ohne eine schmerzhafte Operation nicht mehr<lb/> zu trennen sind. — Wohl fühlt das deutsche Element die scharfe<lb/> Sonde, die da untersucht, ob Trennung möglich sey, ob das Cze-<lb/> chenthum nicht das Centralorgan sein könne, das alle ihm einge¬<lb/> pfropften Reiser zu ernähren im Stande wäre. — An der Mög¬<lb/> lichkeit absolut zu zweifeln, hieße deutsch denken; unempfindlich für<lb/> den Schmerz die Trennung zu bewirken, hieße czarisch handeln: so<lb/> muß es einen Mittelweg geben, der die Czechen, das vorgesteckte Ziel<lb/> im Auge haltend, weder deutsch denken noch czarisch handeln lehrt.<lb/> Und dieser Mittelweg ist: Gleichstellung beider Elemente, die das<lb/> Czechenthum durchdringt, auf daß sie groß werden durch czechische<lb/> Kräfte. — Das ist der Czcchismus der Gegenwart. — Bedürfen<lb/> wir dazu des Czaren Knute? Brauchen wir da erst russische Schreck¬<lb/> bilder phantasmagorisch in dem Staatsrath aufzustellen, um zu un¬<lb/> srem Ziele zu gelangen? In kurzer Zeit haben die Nebelbilder ihr<lb/> drohendes Aussehen verlohren, und wir haben nicht nur nichts ge¬<lb/> wonnen, sondern der Schrecken kehrt sich gegen die Masse des Vol¬<lb/> kes und wir sinken zurück in das Jahr 1V20 Oder saget es dem<lb/> Volke gerade zu: Der große Czar kann helfen, unter seiner Aegide<lb/> kann es in kürzester Zeit die alte Freiheit, die alte Größe wieder er¬<lb/> ringen. Wer so zu sprechen sich erkühnte, der haßt sein Vaterland<lb/> der kennt sein Volk, der kennt die Geschichte nicht. Denn ein Volk,<lb/> das selbst anerkennt, durch die Gnade eines andern frei und groß,<lb/> geworden zu seyn, bedenket nicht, daß es im Grunde dessen Sklave<lb/> geworden ist. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1586" next="#ID_1587"> Schlaget auf die Jahrbücher der griechischen Geschichte und die<lb/> Zeit des achäischen Bundes! Rom, damals die schwellende Republik,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0610]
und Wissenschaft 1845 lesen wir eine Berichrigung des in der A. A.
Zeitung enthaltenen Artikels: „Carlsbad und seine Gäste." Wenn
uns dieser Artikel ein mitleidiges Lächeln entlockte, so können wir an-
andcrseits unsere Verwunderung nicht bergen, wie ein Czeche, und zwar
ein radikaler Czeche, denn als solcher will sich der Verfasser der Be¬
richtigung herausstellen, dem Russismus, d. h. dem Czarenthume das
Wort reden kann, als ob er die Blicke aller Czechen dem nordischen
Koloß zuwenden wollte, um der Regierung einen Popanz vorzuhal¬
ten, der sie zur Begünstigung ihres Strebens bestimmen sollte, und
überhaupt als ob es den Czechen nur unter des großen Czaren Aegide
möglich wäre, in Europa jenen Platz wieder einzunehmen, auf dem
sie im I5ren und töten Jahrhunderte gestanden haben. Wohl hat
sich seit dieser Zeit so manches geändert; denn immer tiefer und tie¬
fer sank das Königreich bis zur österreichischen Provinz herab, immer
tiefer und tiefer versank das Bewußtseyn der Nationalität, unter eine
Politik, die unveränderlich seit Jahren zum Leitfaden der Ver¬
waltung diente, so daß zwei heterogene Elemente zu einem Körper
sich vereinten, die jetzt ohne eine schmerzhafte Operation nicht mehr
zu trennen sind. — Wohl fühlt das deutsche Element die scharfe
Sonde, die da untersucht, ob Trennung möglich sey, ob das Cze-
chenthum nicht das Centralorgan sein könne, das alle ihm einge¬
pfropften Reiser zu ernähren im Stande wäre. — An der Mög¬
lichkeit absolut zu zweifeln, hieße deutsch denken; unempfindlich für
den Schmerz die Trennung zu bewirken, hieße czarisch handeln: so
muß es einen Mittelweg geben, der die Czechen, das vorgesteckte Ziel
im Auge haltend, weder deutsch denken noch czarisch handeln lehrt.
Und dieser Mittelweg ist: Gleichstellung beider Elemente, die das
Czechenthum durchdringt, auf daß sie groß werden durch czechische
Kräfte. — Das ist der Czcchismus der Gegenwart. — Bedürfen
wir dazu des Czaren Knute? Brauchen wir da erst russische Schreck¬
bilder phantasmagorisch in dem Staatsrath aufzustellen, um zu un¬
srem Ziele zu gelangen? In kurzer Zeit haben die Nebelbilder ihr
drohendes Aussehen verlohren, und wir haben nicht nur nichts ge¬
wonnen, sondern der Schrecken kehrt sich gegen die Masse des Vol¬
kes und wir sinken zurück in das Jahr 1V20 Oder saget es dem
Volke gerade zu: Der große Czar kann helfen, unter seiner Aegide
kann es in kürzester Zeit die alte Freiheit, die alte Größe wieder er¬
ringen. Wer so zu sprechen sich erkühnte, der haßt sein Vaterland
der kennt sein Volk, der kennt die Geschichte nicht. Denn ein Volk,
das selbst anerkennt, durch die Gnade eines andern frei und groß,
geworden zu seyn, bedenket nicht, daß es im Grunde dessen Sklave
geworden ist. —
Schlaget auf die Jahrbücher der griechischen Geschichte und die
Zeit des achäischen Bundes! Rom, damals die schwellende Republik,
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