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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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ges Laub sich übermüthig in lang aufgereiheten Vlättchen hervor¬
drängte, im üppigen Grase ein Gewucher von Blumen. Es be¬
gannen jetzt die Ortschaften sämmtlich auf Höhen zu liegen, unsäg¬
lich malerisch. Die Höhen bildeten mehrmals große Thalbecken, in
denen wir hinfuhren, und schienen uns von allen Seiten einzuschlie¬
ßen, aber immer in ziemlicher Ferne. Der Boden zeigte sich zunächst,
ungeachtet seiner Güte, gar kärglich angebaut. Doch sah man bald
wieder, wie in Oberitalien, Weinstöcke in Menge um den Ulmbaum
gerankt. Wir hatten Ferentino schon eine Zeitlang gesehen, ehe wir
es erreichten. Der Anblick des Ortes bei näherer Betrachtung war
armselig genug, aber in seinem Pyramidalischen Aufbau nahm er
sich, von Ferne betrachtet, herrlich aus. Hier zuerst sah man die
Weiber Alle blaue Schürzen tragen, mit breiten Querstreifen von
weißer oder rother Farbe, auch mit eingewirkten Muster am oberen
und unteren Ende. Ihr glaubt nicht, wie diese Kleinigkeit der Tracht
ein eigenthümliches und fremdartiges Ansehen giebt. Ihre Mieder
sind verschiedenfarbig, die Halstücher, wie in der ganzen Umgegend
von Rom Sitte ist, hinten mehr oder minder zurückgefältelt, so
daß der schöne Nacken sichtbar wird; auf dem Kopfe tragen sie
ein weißes Tuch, viereckig aufgesteckt und hinten herabhängend.
Man sieht sie auf ihren Köpfen große kupferne Wassergefäße
balanciren, die auf kleinen zirkelförmigen Unterlagen oder Polster¬
ringen ruhen. Die Gesichter sind meistens schön, wenigstens interes¬
sant, und gefallen immer in einiger Entfernung; der Körperbau ist
meist voll und üppig. -- Gegen Frosinone zu wird der An¬
bau des Bodens besser. Schöne Weizenfelder mit schon weit vor¬
gerückter Saat wechselten mit Pflanzungen von mancher Art erfreu¬
lich ab, die Weinanlagen mehrten sich ebenfalls. Wir erreichten
Frosinone noch vor dem Mittage. Des Festes wegen war Alles
geputzt, recht stattlich, die Männer in Sonntagöjacken, rothen We¬
sten, Leinhosen und weißen oder blauen Strümpfen und Schuhen;
auch die armem, welche ihre umschnürten Zeugstücke an den Beinen
und eine Art Sohlen statt der Schuhe tragen, hatten ihr Bestes
gethan, sich auszuschmücken; man sah sie gruppenweise beisammen
stehen, sich einander zu Vergnügungspartieen auffordern, die Einladung
annehmen oder ablehnen. Ein Einziger war sichtlich betrunken, zwar
nicht so viehisch wie man es bei uns nur zu häufig findet, doch fiel


ges Laub sich übermüthig in lang aufgereiheten Vlättchen hervor¬
drängte, im üppigen Grase ein Gewucher von Blumen. Es be¬
gannen jetzt die Ortschaften sämmtlich auf Höhen zu liegen, unsäg¬
lich malerisch. Die Höhen bildeten mehrmals große Thalbecken, in
denen wir hinfuhren, und schienen uns von allen Seiten einzuschlie¬
ßen, aber immer in ziemlicher Ferne. Der Boden zeigte sich zunächst,
ungeachtet seiner Güte, gar kärglich angebaut. Doch sah man bald
wieder, wie in Oberitalien, Weinstöcke in Menge um den Ulmbaum
gerankt. Wir hatten Ferentino schon eine Zeitlang gesehen, ehe wir
es erreichten. Der Anblick des Ortes bei näherer Betrachtung war
armselig genug, aber in seinem Pyramidalischen Aufbau nahm er
sich, von Ferne betrachtet, herrlich aus. Hier zuerst sah man die
Weiber Alle blaue Schürzen tragen, mit breiten Querstreifen von
weißer oder rother Farbe, auch mit eingewirkten Muster am oberen
und unteren Ende. Ihr glaubt nicht, wie diese Kleinigkeit der Tracht
ein eigenthümliches und fremdartiges Ansehen giebt. Ihre Mieder
sind verschiedenfarbig, die Halstücher, wie in der ganzen Umgegend
von Rom Sitte ist, hinten mehr oder minder zurückgefältelt, so
daß der schöne Nacken sichtbar wird; auf dem Kopfe tragen sie
ein weißes Tuch, viereckig aufgesteckt und hinten herabhängend.
Man sieht sie auf ihren Köpfen große kupferne Wassergefäße
balanciren, die auf kleinen zirkelförmigen Unterlagen oder Polster¬
ringen ruhen. Die Gesichter sind meistens schön, wenigstens interes¬
sant, und gefallen immer in einiger Entfernung; der Körperbau ist
meist voll und üppig. — Gegen Frosinone zu wird der An¬
bau des Bodens besser. Schöne Weizenfelder mit schon weit vor¬
gerückter Saat wechselten mit Pflanzungen von mancher Art erfreu¬
lich ab, die Weinanlagen mehrten sich ebenfalls. Wir erreichten
Frosinone noch vor dem Mittage. Des Festes wegen war Alles
geputzt, recht stattlich, die Männer in Sonntagöjacken, rothen We¬
sten, Leinhosen und weißen oder blauen Strümpfen und Schuhen;
auch die armem, welche ihre umschnürten Zeugstücke an den Beinen
und eine Art Sohlen statt der Schuhe tragen, hatten ihr Bestes
gethan, sich auszuschmücken; man sah sie gruppenweise beisammen
stehen, sich einander zu Vergnügungspartieen auffordern, die Einladung
annehmen oder ablehnen. Ein Einziger war sichtlich betrunken, zwar
nicht so viehisch wie man es bei uns nur zu häufig findet, doch fiel


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[0587] ges Laub sich übermüthig in lang aufgereiheten Vlättchen hervor¬ drängte, im üppigen Grase ein Gewucher von Blumen. Es be¬ gannen jetzt die Ortschaften sämmtlich auf Höhen zu liegen, unsäg¬ lich malerisch. Die Höhen bildeten mehrmals große Thalbecken, in denen wir hinfuhren, und schienen uns von allen Seiten einzuschlie¬ ßen, aber immer in ziemlicher Ferne. Der Boden zeigte sich zunächst, ungeachtet seiner Güte, gar kärglich angebaut. Doch sah man bald wieder, wie in Oberitalien, Weinstöcke in Menge um den Ulmbaum gerankt. Wir hatten Ferentino schon eine Zeitlang gesehen, ehe wir es erreichten. Der Anblick des Ortes bei näherer Betrachtung war armselig genug, aber in seinem Pyramidalischen Aufbau nahm er sich, von Ferne betrachtet, herrlich aus. Hier zuerst sah man die Weiber Alle blaue Schürzen tragen, mit breiten Querstreifen von weißer oder rother Farbe, auch mit eingewirkten Muster am oberen und unteren Ende. Ihr glaubt nicht, wie diese Kleinigkeit der Tracht ein eigenthümliches und fremdartiges Ansehen giebt. Ihre Mieder sind verschiedenfarbig, die Halstücher, wie in der ganzen Umgegend von Rom Sitte ist, hinten mehr oder minder zurückgefältelt, so daß der schöne Nacken sichtbar wird; auf dem Kopfe tragen sie ein weißes Tuch, viereckig aufgesteckt und hinten herabhängend. Man sieht sie auf ihren Köpfen große kupferne Wassergefäße balanciren, die auf kleinen zirkelförmigen Unterlagen oder Polster¬ ringen ruhen. Die Gesichter sind meistens schön, wenigstens interes¬ sant, und gefallen immer in einiger Entfernung; der Körperbau ist meist voll und üppig. — Gegen Frosinone zu wird der An¬ bau des Bodens besser. Schöne Weizenfelder mit schon weit vor¬ gerückter Saat wechselten mit Pflanzungen von mancher Art erfreu¬ lich ab, die Weinanlagen mehrten sich ebenfalls. Wir erreichten Frosinone noch vor dem Mittage. Des Festes wegen war Alles geputzt, recht stattlich, die Männer in Sonntagöjacken, rothen We¬ sten, Leinhosen und weißen oder blauen Strümpfen und Schuhen; auch die armem, welche ihre umschnürten Zeugstücke an den Beinen und eine Art Sohlen statt der Schuhe tragen, hatten ihr Bestes gethan, sich auszuschmücken; man sah sie gruppenweise beisammen stehen, sich einander zu Vergnügungspartieen auffordern, die Einladung annehmen oder ablehnen. Ein Einziger war sichtlich betrunken, zwar nicht so viehisch wie man es bei uns nur zu häufig findet, doch fiel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/587>, abgerufen am 05.02.2025.