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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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gnug nicht beschränkt, nicht den Unterthanen genommen, mithin er¬
laubt. Soll dies in Zukunft der Fall sein, soll das Recht der Un¬
terthanen dahin beschränkt werden, daß eine solche Vereinigung zu
gemeinsamer Bitte als unerlaubt zu betrachten, so wird ein deöfall-
siger Gesetz-Entwurf den Ständen vorgelegt, von ihnen berathen,
und dann daS Gesetz allerhöchsten Orts erlassen werden müssen.
Diese Erfordernisse fehlen dem fraglichen Circulair. Dennoch ist ein
Verbot der gemeinsamen Bitte darin ausgesprochen, und zwar ohne
Zeitbeschränkung. Sollte das Circulair als bloße polizeiliche Vor¬
schrift gelten, so scheint es, als ob vor allen Dingen diese Beschrän¬
kung nicht hätte fehlen dürfen. Wir erkennen an, daß polizeiliche
Maßregeln, sind solche durch die Umstände unumgänglich geboten,
provisorisch von der Negierung erlassen werden können. Eben so
gewiß hat die Polizei den Beruf, muß also auch die Macht haben,
Ercesse zu verhüten. Für diesen Zweck können die Umstände noch
viel weiter greifende Maßregeln erheischen. So muß z. B. bei Tu¬
multen auch die harmloseste Besprechung Mehrer auf der Gasse und
öffentlichen Plätzen untersagt werden. In solchen Fällen hat die
Polizeibehörde ohne Frage Recht und Macht, die nöthige Verfügung
zu erlassen, jedoch mit Beschränkung auf Ort und Zeit, nicht als
allgemeine, fortdauernde Gesetzesvorschrift. Letzteres aber ist im vor¬
liegenden Circulair geschehen, mithin wird dieses mit dem Gesetze
von 18^1 nicht zu vereinigen sein. Ueberdies sind wir der Mei¬
nung, daß die im Decbr. 1838 vorhandenen Umstände nicht die Er¬
lassung der erwähnten Verfügung nothwendig gemacht haben dürften,
wie diese Verfügung denn, wie wir mich schon allerunterthänigst
auszuführen uns erlaubt haben, im Widerspruche steht mit den bis¬
herigen Rechten der Unterthanen.

"Der Umstand, daß den Verboten des Circulairs keine Straf¬
bestimmung angehängt ist, dürste dasjenige, was wir allerunterthä-
nigst anzuführen uns erlaubt haben, nicht entkräften. Der Begriff
der Strafbarkeit liegt schon in dem Begriffe des Verbotes; was ver¬
boten ist, ist auch strafbar. Auch würden den, der etwa das Ver¬
bot nicht beachten wollte, unangenehme Folgen, also ein Strafübel,
bald erreichen, denn ohne diese kann kein Verbot als solches beste¬
hen, mag nun die Strafe ausdrücklich ausgesprochen, oder nur eine
Selbstfolge der Nichtbeachtung des Gesetzes sein. Die Strafbestim-


gnug nicht beschränkt, nicht den Unterthanen genommen, mithin er¬
laubt. Soll dies in Zukunft der Fall sein, soll das Recht der Un¬
terthanen dahin beschränkt werden, daß eine solche Vereinigung zu
gemeinsamer Bitte als unerlaubt zu betrachten, so wird ein deöfall-
siger Gesetz-Entwurf den Ständen vorgelegt, von ihnen berathen,
und dann daS Gesetz allerhöchsten Orts erlassen werden müssen.
Diese Erfordernisse fehlen dem fraglichen Circulair. Dennoch ist ein
Verbot der gemeinsamen Bitte darin ausgesprochen, und zwar ohne
Zeitbeschränkung. Sollte das Circulair als bloße polizeiliche Vor¬
schrift gelten, so scheint es, als ob vor allen Dingen diese Beschrän¬
kung nicht hätte fehlen dürfen. Wir erkennen an, daß polizeiliche
Maßregeln, sind solche durch die Umstände unumgänglich geboten,
provisorisch von der Negierung erlassen werden können. Eben so
gewiß hat die Polizei den Beruf, muß also auch die Macht haben,
Ercesse zu verhüten. Für diesen Zweck können die Umstände noch
viel weiter greifende Maßregeln erheischen. So muß z. B. bei Tu¬
multen auch die harmloseste Besprechung Mehrer auf der Gasse und
öffentlichen Plätzen untersagt werden. In solchen Fällen hat die
Polizeibehörde ohne Frage Recht und Macht, die nöthige Verfügung
zu erlassen, jedoch mit Beschränkung auf Ort und Zeit, nicht als
allgemeine, fortdauernde Gesetzesvorschrift. Letzteres aber ist im vor¬
liegenden Circulair geschehen, mithin wird dieses mit dem Gesetze
von 18^1 nicht zu vereinigen sein. Ueberdies sind wir der Mei¬
nung, daß die im Decbr. 1838 vorhandenen Umstände nicht die Er¬
lassung der erwähnten Verfügung nothwendig gemacht haben dürften,
wie diese Verfügung denn, wie wir mich schon allerunterthänigst
auszuführen uns erlaubt haben, im Widerspruche steht mit den bis¬
herigen Rechten der Unterthanen.

„Der Umstand, daß den Verboten des Circulairs keine Straf¬
bestimmung angehängt ist, dürste dasjenige, was wir allerunterthä-
nigst anzuführen uns erlaubt haben, nicht entkräften. Der Begriff
der Strafbarkeit liegt schon in dem Begriffe des Verbotes; was ver¬
boten ist, ist auch strafbar. Auch würden den, der etwa das Ver¬
bot nicht beachten wollte, unangenehme Folgen, also ein Strafübel,
bald erreichen, denn ohne diese kann kein Verbot als solches beste¬
hen, mag nun die Strafe ausdrücklich ausgesprochen, oder nur eine
Selbstfolge der Nichtbeachtung des Gesetzes sein. Die Strafbestim-


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[0576] gnug nicht beschränkt, nicht den Unterthanen genommen, mithin er¬ laubt. Soll dies in Zukunft der Fall sein, soll das Recht der Un¬ terthanen dahin beschränkt werden, daß eine solche Vereinigung zu gemeinsamer Bitte als unerlaubt zu betrachten, so wird ein deöfall- siger Gesetz-Entwurf den Ständen vorgelegt, von ihnen berathen, und dann daS Gesetz allerhöchsten Orts erlassen werden müssen. Diese Erfordernisse fehlen dem fraglichen Circulair. Dennoch ist ein Verbot der gemeinsamen Bitte darin ausgesprochen, und zwar ohne Zeitbeschränkung. Sollte das Circulair als bloße polizeiliche Vor¬ schrift gelten, so scheint es, als ob vor allen Dingen diese Beschrän¬ kung nicht hätte fehlen dürfen. Wir erkennen an, daß polizeiliche Maßregeln, sind solche durch die Umstände unumgänglich geboten, provisorisch von der Negierung erlassen werden können. Eben so gewiß hat die Polizei den Beruf, muß also auch die Macht haben, Ercesse zu verhüten. Für diesen Zweck können die Umstände noch viel weiter greifende Maßregeln erheischen. So muß z. B. bei Tu¬ multen auch die harmloseste Besprechung Mehrer auf der Gasse und öffentlichen Plätzen untersagt werden. In solchen Fällen hat die Polizeibehörde ohne Frage Recht und Macht, die nöthige Verfügung zu erlassen, jedoch mit Beschränkung auf Ort und Zeit, nicht als allgemeine, fortdauernde Gesetzesvorschrift. Letzteres aber ist im vor¬ liegenden Circulair geschehen, mithin wird dieses mit dem Gesetze von 18^1 nicht zu vereinigen sein. Ueberdies sind wir der Mei¬ nung, daß die im Decbr. 1838 vorhandenen Umstände nicht die Er¬ lassung der erwähnten Verfügung nothwendig gemacht haben dürften, wie diese Verfügung denn, wie wir mich schon allerunterthänigst auszuführen uns erlaubt haben, im Widerspruche steht mit den bis¬ herigen Rechten der Unterthanen. „Der Umstand, daß den Verboten des Circulairs keine Straf¬ bestimmung angehängt ist, dürste dasjenige, was wir allerunterthä- nigst anzuführen uns erlaubt haben, nicht entkräften. Der Begriff der Strafbarkeit liegt schon in dem Begriffe des Verbotes; was ver¬ boten ist, ist auch strafbar. Auch würden den, der etwa das Ver¬ bot nicht beachten wollte, unangenehme Folgen, also ein Strafübel, bald erreichen, denn ohne diese kann kein Verbot als solches beste¬ hen, mag nun die Strafe ausdrücklich ausgesprochen, oder nur eine Selbstfolge der Nichtbeachtung des Gesetzes sein. Die Strafbestim-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/576>, abgerufen am 05.02.2025.