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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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ist eben eine Waffe der Noth. Der Vedegylet war in der That nichts
anderes als ein industrieller Landsturm, der gegen die österreichischen
Fabriken aufgeboten ward, weil die regulairen Truppen unter dem
Oberbefehl der Negierung standen und diese sie zu dem beabsichtigten
Kampfe nicht leihen wollte. Halt man diesen Gesichtspunkt fest und
läßt man sich nicht zu dem Glauben hinreißen, den die unbedingten
Lobredner der Regierung so gern verbreiten möchten, als habe die
Oppositionspartei irgendwie die Absicht gehegt, der Staatsgewalt zum
Trotz ein festes Institut zu begründen, das geeignet wäre, die gesetz¬
liche Mitwirkung der Regierung überflüssig zu machen und, aus eige¬
ner Machtvollkommenheit entsprungen, für alle Zeiten einen mangel¬
haften Zolltarif zu ersetzen, so wird man die Errichtung des industriel¬
len Schutzvereins mit andern Augen betrachten, als dies von Seite
seiner Gegner in den österreichischen Erbländer leider geschehen ist.
Auch bei dieser Gelegenheit bewahrte sich wieder die alte abgenützte
Erfahrung, daß die Diener immer eifriger zu sein pflegen, als der
Herr selber, und wahrend die Schaar dienstwilliger Geister in allen
ihnen zu Gebote stehenden Zeitungen gegen den Vedegylet losdonnerte,
weil sie auf der Stirn des Gebieters eine Wolke des Mißmuthes
wahrgenommen, faßten die Machthaber, nach der ersten Aufwallung
des Unwillens über die ihnen bereitete Verlegenheit, den Gegenstand
schnell von seiner richtigen Seite auf, und indem sie recht gut wu߬
ten, daß es nicht in der Absicht der Opposition liegen könne, etwas
Halbes und Ungenügendes bleibend fest zu halten, weil ein solches
Verfahren die Partei um Ansehen beim Volke bringen würde, war sie
in der Stille bemüht, die Concessionen vorzubereiten, durch welche das
Gespenst des Schutzvereins in seine Nacht zurückgescheucht werden
sollte. -- Es war in der That ein köstliches Schauspiel, wie es Heine
für sein Wintermährchen hatte brauchen können, als an einem schö¬
nen Morgen, da die Kreuzprediger der Regierung eben im Fluß der
heftigsten Rede waren, die, wie sie glaubten, von ihnen repräsentieren
Machthaber plötzlich auf die Intentionen der industriellen Opposition
eingingen und durch verschiedene Modificationen des Zolltarifs, sowie
durch Niedersetzung einer für die materielle Wohlfahrt des Landes be¬
stimmten Commission unter dem Präsidium des um Ungarns Fort¬
schritt so hochverdienten Grafen Szechenv*) den Willen kund thaten,
den wahren Bedürfnissen der Nation bereitwillig zu entsprechen. Man
kann sich die langen Gesichter der bloßgestellten Herren denken, die



*) Das Journal des Dvbats hat unlängst den Herrn Grafen gar zu ei¬
nem Heiligen gestempelt. So weit sind noch seine eifrigsten Anhänger nicht
gegangen. Bei Erwähnung eines dem den Namen des Grafen führenden
Dampfboote widerfahrenen Unfalls hielt das französische Blatt das Se. (Ste¬
phan Szecheny) für Saint und canonisirte den Magnaten auf der Stelle.
Grenzbottii, I8is. IV.

ist eben eine Waffe der Noth. Der Vedegylet war in der That nichts
anderes als ein industrieller Landsturm, der gegen die österreichischen
Fabriken aufgeboten ward, weil die regulairen Truppen unter dem
Oberbefehl der Negierung standen und diese sie zu dem beabsichtigten
Kampfe nicht leihen wollte. Halt man diesen Gesichtspunkt fest und
läßt man sich nicht zu dem Glauben hinreißen, den die unbedingten
Lobredner der Regierung so gern verbreiten möchten, als habe die
Oppositionspartei irgendwie die Absicht gehegt, der Staatsgewalt zum
Trotz ein festes Institut zu begründen, das geeignet wäre, die gesetz¬
liche Mitwirkung der Regierung überflüssig zu machen und, aus eige¬
ner Machtvollkommenheit entsprungen, für alle Zeiten einen mangel¬
haften Zolltarif zu ersetzen, so wird man die Errichtung des industriel¬
len Schutzvereins mit andern Augen betrachten, als dies von Seite
seiner Gegner in den österreichischen Erbländer leider geschehen ist.
Auch bei dieser Gelegenheit bewahrte sich wieder die alte abgenützte
Erfahrung, daß die Diener immer eifriger zu sein pflegen, als der
Herr selber, und wahrend die Schaar dienstwilliger Geister in allen
ihnen zu Gebote stehenden Zeitungen gegen den Vedegylet losdonnerte,
weil sie auf der Stirn des Gebieters eine Wolke des Mißmuthes
wahrgenommen, faßten die Machthaber, nach der ersten Aufwallung
des Unwillens über die ihnen bereitete Verlegenheit, den Gegenstand
schnell von seiner richtigen Seite auf, und indem sie recht gut wu߬
ten, daß es nicht in der Absicht der Opposition liegen könne, etwas
Halbes und Ungenügendes bleibend fest zu halten, weil ein solches
Verfahren die Partei um Ansehen beim Volke bringen würde, war sie
in der Stille bemüht, die Concessionen vorzubereiten, durch welche das
Gespenst des Schutzvereins in seine Nacht zurückgescheucht werden
sollte. — Es war in der That ein köstliches Schauspiel, wie es Heine
für sein Wintermährchen hatte brauchen können, als an einem schö¬
nen Morgen, da die Kreuzprediger der Regierung eben im Fluß der
heftigsten Rede waren, die, wie sie glaubten, von ihnen repräsentieren
Machthaber plötzlich auf die Intentionen der industriellen Opposition
eingingen und durch verschiedene Modificationen des Zolltarifs, sowie
durch Niedersetzung einer für die materielle Wohlfahrt des Landes be¬
stimmten Commission unter dem Präsidium des um Ungarns Fort¬
schritt so hochverdienten Grafen Szechenv*) den Willen kund thaten,
den wahren Bedürfnissen der Nation bereitwillig zu entsprechen. Man
kann sich die langen Gesichter der bloßgestellten Herren denken, die



*) Das Journal des Dvbats hat unlängst den Herrn Grafen gar zu ei¬
nem Heiligen gestempelt. So weit sind noch seine eifrigsten Anhänger nicht
gegangen. Bei Erwähnung eines dem den Namen des Grafen führenden
Dampfboote widerfahrenen Unfalls hielt das französische Blatt das Se. (Ste¬
phan Szecheny) für Saint und canonisirte den Magnaten auf der Stelle.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/553>, abgerufen am 05.02.2025.