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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Flüchtige Reifebriefe



". -)

Englische Geselligkeit. -- Das Volk auf der Eisenbahn- -- Ankunft in London.
-- Der Student von Gotting. -- Das erste Nachtlager. -- Ein deutsches
Kaffeehaus. -- Die Deutschen in London.

Unsere Ueberfahrt hatte beinahe acht Stunden gedauert und wir
landeten, statt um Eins, um vier Uhr Nachmittags, so daß wir nun
auf den nächsten Eisenbahnzug nach London bis auf den Abend
warten mußten. Leider erlaubten Wind und Regen nicht, Dover in
der Zwischenzeit zu besichtigen. Nachdem das kleine grüne Felleisen,
welches auf meinem Rücken durch den Thüringerwald, über die Berg¬
straße und den Rhein hinab gewandert war, im Zollhause von den
Dienern Ihrer Großbritannischer Majestät unschuldig befunden wor¬
den, zog ich mich in eine bescheidene Taverne, gegenüber der Station,
zurück. Hier sah ich zum ersten Mal jene Bänke mit hohen Lehnen,
die für den ungeselligen Engländer so bezeichnend sind. DaS Schenk¬
zimmer mit seiner doppelten Reihe langer, schmaler Tische, die auf
zwei Seiten durch jene Bänke abgeschlossen waren, kam mir halb wie
ein Schulzimmer, halb wie ein Gefängniß- oder Betsaal vor; in der
Mitte blieb ein schmaler Gang frei für den Wirth, der den Gästen
Trank und Speise in ihre einsamen Zellen brachte. In London übri¬
gens ist diese Einrichtung nicht mehr fashionable und nur noch in
den kleinern und altväterischen Schenken gebräuchlich. In modernem
Etablissements hat der Geist der Zeit die hölzernen Scheidewände
niedergerissen.



*) Siehe Nummer 48 der Grenzboten,
Flüchtige Reifebriefe



». -)

Englische Geselligkeit. — Das Volk auf der Eisenbahn- — Ankunft in London.
— Der Student von Gotting. — Das erste Nachtlager. — Ein deutsches
Kaffeehaus. — Die Deutschen in London.

Unsere Ueberfahrt hatte beinahe acht Stunden gedauert und wir
landeten, statt um Eins, um vier Uhr Nachmittags, so daß wir nun
auf den nächsten Eisenbahnzug nach London bis auf den Abend
warten mußten. Leider erlaubten Wind und Regen nicht, Dover in
der Zwischenzeit zu besichtigen. Nachdem das kleine grüne Felleisen,
welches auf meinem Rücken durch den Thüringerwald, über die Berg¬
straße und den Rhein hinab gewandert war, im Zollhause von den
Dienern Ihrer Großbritannischer Majestät unschuldig befunden wor¬
den, zog ich mich in eine bescheidene Taverne, gegenüber der Station,
zurück. Hier sah ich zum ersten Mal jene Bänke mit hohen Lehnen,
die für den ungeselligen Engländer so bezeichnend sind. DaS Schenk¬
zimmer mit seiner doppelten Reihe langer, schmaler Tische, die auf
zwei Seiten durch jene Bänke abgeschlossen waren, kam mir halb wie
ein Schulzimmer, halb wie ein Gefängniß- oder Betsaal vor; in der
Mitte blieb ein schmaler Gang frei für den Wirth, der den Gästen
Trank und Speise in ihre einsamen Zellen brachte. In London übri¬
gens ist diese Einrichtung nicht mehr fashionable und nur noch in
den kleinern und altväterischen Schenken gebräuchlich. In modernem
Etablissements hat der Geist der Zeit die hölzernen Scheidewände
niedergerissen.



*) Siehe Nummer 48 der Grenzboten,
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[0538] Flüchtige Reifebriefe ». -) Englische Geselligkeit. — Das Volk auf der Eisenbahn- — Ankunft in London. — Der Student von Gotting. — Das erste Nachtlager. — Ein deutsches Kaffeehaus. — Die Deutschen in London. Unsere Ueberfahrt hatte beinahe acht Stunden gedauert und wir landeten, statt um Eins, um vier Uhr Nachmittags, so daß wir nun auf den nächsten Eisenbahnzug nach London bis auf den Abend warten mußten. Leider erlaubten Wind und Regen nicht, Dover in der Zwischenzeit zu besichtigen. Nachdem das kleine grüne Felleisen, welches auf meinem Rücken durch den Thüringerwald, über die Berg¬ straße und den Rhein hinab gewandert war, im Zollhause von den Dienern Ihrer Großbritannischer Majestät unschuldig befunden wor¬ den, zog ich mich in eine bescheidene Taverne, gegenüber der Station, zurück. Hier sah ich zum ersten Mal jene Bänke mit hohen Lehnen, die für den ungeselligen Engländer so bezeichnend sind. DaS Schenk¬ zimmer mit seiner doppelten Reihe langer, schmaler Tische, die auf zwei Seiten durch jene Bänke abgeschlossen waren, kam mir halb wie ein Schulzimmer, halb wie ein Gefängniß- oder Betsaal vor; in der Mitte blieb ein schmaler Gang frei für den Wirth, der den Gästen Trank und Speise in ihre einsamen Zellen brachte. In London übri¬ gens ist diese Einrichtung nicht mehr fashionable und nur noch in den kleinern und altväterischen Schenken gebräuchlich. In modernem Etablissements hat der Geist der Zeit die hölzernen Scheidewände niedergerissen. *) Siehe Nummer 48 der Grenzboten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/538>, abgerufen am 05.02.2025.