Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.verordneten haben beschlossen -- "dem Vernehmen nach" heißt es of- Also sprachen die guten Väter. Es jammerte sie, daß die me¬ verordneten haben beschlossen — „dem Vernehmen nach" heißt es of- Also sprachen die guten Väter. Es jammerte sie, daß die me¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0052" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271313"/> <p xml:id="ID_123" prev="#ID_122"> verordneten haben beschlossen — „dem Vernehmen nach" heißt es of-<lb/> ficiell — nein, halbofsicicll nennt man, glaube ich, diese Art —<lb/> heißt es also halbofsiciell in den Berliner Zeitungen — die Behörde,<lb/> sage ich, haben beschlossen^, nicht nur öffentlich der Stadt im Ganzen<lb/> uno Großen, sondern auch dem Privatmanne daheim auf Verlangen<lb/> ein Licht oder mehre anzustecken. Kurz, man wird Berlin auf allen<lb/> Gass.'n und in allen Winkeln mit Gas aufklären. Nämlich der eng¬<lb/> lischen. Gas-Association zum Trotz, dieser Gas-Association, mit wel¬<lb/> cher ein so weise berechneter Vertrag geschlossen worden war, daß jetzt,<lb/> da die Stadt sich einmal selber zu beleuchten wünscht, jene Association<lb/> in dem Rechte, den Gas consumirenden Privaten Gas zu liefern, be¬<lb/> lassen werden muß. Also Concurrenz. Ohne die Beisteuer der Pri¬<lb/> vatkonsumenten würde der Stadt die Gaserzeugung für den öffentli¬<lb/> chen Bedarf zu theuer zu stehen kommen. Die Gas-Association, I>r>i<lb/> n-<lb/> »8 pi>88s88<ir der Röhrleitungen u. s. w. kann vor der Hand das<lb/> Gas billiger abgeben, als die Stadt. Darauf hat sie getrotzt, und<lb/> die Anerbietungen der Stadt, die ihr das ganze Geschäft abkaufen<lb/> wollte, nicht angenommen. Nun aber ist die Stadt voll trotzigen<lb/> Muthes in's Feld gerückt: sie ist entschlossen, die Engländer zu Tode<lb/> zu concurriren. Niemand steht sich dabei besser als der Gas-Consu-<lb/> ment. Die Stadt bietet ihm zum Voraus die Gewährung stets der¬<lb/> selben Vortheile an, welche ihm die Association nur immer bieten<lb/> werde, erbietet sich zugleich, die Kosten der Veränderung, welche durch<lb/> das Uebergehen von Gasflammen an die Stadt entstehen müssen, zu<lb/> tragen. Der Konsument wird also bei der Stadt sein Gas eben so<lb/> wohlfeil haben, als bei den Engländern, und wenn er es von der<lb/> Stadt nimmt, ein Patriot sein. Das heißt doch den guten Berli¬<lb/> nern ihren Patriotismus wohlfeil gemacht. Indessen, man muß ge¬<lb/> stehen, daß der Magistrat hierin einen Beweis eigener Aufklärung<lb/> liefert; nämlich der Aufklärung, die allerdings die zeitgemäßste ist,<lb/> der Aufklärung über die '„wohlverstandenen Interessen." Nachdem<lb/> Sie mit mir die jugendliche Kühnheit bewundert haben, mit welcher<lb/> die Väter der Stadt ihrem Kinde nicht nur voranzuleuchten, sondern<lb/> in den innersten Busen hineinzuleuchten, und der ganzen Hölle, sogar<lb/> einer englischen Gas-Association Trotz zu bieten, entschlossen sind, hel¬<lb/> fen Sie mir auch noch die jugendliche Schwärmerei derselben weisen<lb/> Vater bewundern! Die Väter der Stadt schwärmen, schwärmen für<lb/> die Nachtigallen.</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_1" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_124" next="#ID_125"> Also sprachen die guten Väter. Es jammerte sie, daß die me¬<lb/> lancholischen Liebessanger in Käsigten eingesperrt, in staubigen Stra¬<lb/> ßen an den Fenstern hangen sollen. Und sie erließen ein Gesetz, das<lb/> in's Künftige, wer eine Nachtigall in Gefangenschaft halte, mit zehn</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0052]
verordneten haben beschlossen — „dem Vernehmen nach" heißt es of-
ficiell — nein, halbofsicicll nennt man, glaube ich, diese Art —
heißt es also halbofsiciell in den Berliner Zeitungen — die Behörde,
sage ich, haben beschlossen^, nicht nur öffentlich der Stadt im Ganzen
uno Großen, sondern auch dem Privatmanne daheim auf Verlangen
ein Licht oder mehre anzustecken. Kurz, man wird Berlin auf allen
Gass.'n und in allen Winkeln mit Gas aufklären. Nämlich der eng¬
lischen. Gas-Association zum Trotz, dieser Gas-Association, mit wel¬
cher ein so weise berechneter Vertrag geschlossen worden war, daß jetzt,
da die Stadt sich einmal selber zu beleuchten wünscht, jene Association
in dem Rechte, den Gas consumirenden Privaten Gas zu liefern, be¬
lassen werden muß. Also Concurrenz. Ohne die Beisteuer der Pri¬
vatkonsumenten würde der Stadt die Gaserzeugung für den öffentli¬
chen Bedarf zu theuer zu stehen kommen. Die Gas-Association, I>r>i
n-
»8 pi>88s88<ir der Röhrleitungen u. s. w. kann vor der Hand das
Gas billiger abgeben, als die Stadt. Darauf hat sie getrotzt, und
die Anerbietungen der Stadt, die ihr das ganze Geschäft abkaufen
wollte, nicht angenommen. Nun aber ist die Stadt voll trotzigen
Muthes in's Feld gerückt: sie ist entschlossen, die Engländer zu Tode
zu concurriren. Niemand steht sich dabei besser als der Gas-Consu-
ment. Die Stadt bietet ihm zum Voraus die Gewährung stets der¬
selben Vortheile an, welche ihm die Association nur immer bieten
werde, erbietet sich zugleich, die Kosten der Veränderung, welche durch
das Uebergehen von Gasflammen an die Stadt entstehen müssen, zu
tragen. Der Konsument wird also bei der Stadt sein Gas eben so
wohlfeil haben, als bei den Engländern, und wenn er es von der
Stadt nimmt, ein Patriot sein. Das heißt doch den guten Berli¬
nern ihren Patriotismus wohlfeil gemacht. Indessen, man muß ge¬
stehen, daß der Magistrat hierin einen Beweis eigener Aufklärung
liefert; nämlich der Aufklärung, die allerdings die zeitgemäßste ist,
der Aufklärung über die '„wohlverstandenen Interessen." Nachdem
Sie mit mir die jugendliche Kühnheit bewundert haben, mit welcher
die Väter der Stadt ihrem Kinde nicht nur voranzuleuchten, sondern
in den innersten Busen hineinzuleuchten, und der ganzen Hölle, sogar
einer englischen Gas-Association Trotz zu bieten, entschlossen sind, hel¬
fen Sie mir auch noch die jugendliche Schwärmerei derselben weisen
Vater bewundern! Die Väter der Stadt schwärmen, schwärmen für
die Nachtigallen.
Also sprachen die guten Väter. Es jammerte sie, daß die me¬
lancholischen Liebessanger in Käsigten eingesperrt, in staubigen Stra¬
ßen an den Fenstern hangen sollen. Und sie erließen ein Gesetz, das
in's Künftige, wer eine Nachtigall in Gefangenschaft halte, mit zehn
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