Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.wird mit vornehmem Achselzucken bei Seite geworfen. Und haben wird mit vornehmem Achselzucken bei Seite geworfen. Und haben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0498" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271759"/> <p xml:id="ID_1357" prev="#ID_1356" next="#ID_1358"> wird mit vornehmem Achselzucken bei Seite geworfen. Und haben<lb/> wir wirklich Besseres dafür eingetauscht? Wir haben allerdings<lb/> theoretisch Recht gehabt; aber praktisch Unrecht, und beides nach ver¬<lb/> schiedenen Seiten hin; wir haben gewonnnen und verloren — auch<lb/> beides nach verschiedenen Richtungen. — In der ästhetischen Litera¬<lb/> tur waren es vorzüglich die leichten Taschenbücher, welche der kriti¬<lb/> sche Ernst unserer Journale in jener Zeit angriff, als überhaupt die<lb/> Harmlosigkeit des Scherzes und die Anspruchlosigkeit der kleinen Er¬<lb/> zählung urplötzlich durch das Erstehen einer neuen literarischen Ge¬<lb/> staltung, durch das publicistische Element, das in der modernen bel¬<lb/> letristischen Literatur vorherrschend, sich verdrängt sah. Die Taschen¬<lb/> bücher, bisher noch Lieblinge des außerliterarischen Publicums und<lb/> der eleganten Welt eine Nothwendigkeit, wie irgend ein anderes un¬<lb/> nützes aber zierliches Zimmergeräth, wurden urplötzlich von allen Sei¬<lb/> ten her angegriffen und verschrieen; man warf ihnen mit vollem<lb/> Rechte vor, daß sie dem Fortschritte der Zeit nicht Schritt hielten<lb/> und die geistige Entwickelung des Publicums nicht fortbildeten; man<lb/> forderte in dieser Konsequenz auch von jedem ihrer Erzeugnisse, daß<lb/> eS künstlerisch tüchtig sein solle. Darüber verloren sie ihre frühere<lb/> gesellschaftliche Stellung und suchten durch Bildermenge, durch Ge-<lb/> lecktheit und Zierlichkeit der Stahlstiche, durch prachtvollste Aeußer-<lb/> lichkeit, durch eine falsche Romantik ihres Inhalts die allerdings<lb/> nicht wegzuläugnende literarische Hohlheit zu verstecken. Bald war<lb/> aber fast kein Taschenbuch vorhanden, welches noch auf einige lite¬<lb/> rarische Geltung Anspruch machen konnte, und war bisher ihre kri¬<lb/> tische Beurtheilung hart gewesen, so wurde sie nun selbst durch größte<lb/> Härte nur gerecht. Dazu kam das Elend des Chvlerajahres, wel¬<lb/> ches unter seinen Menschenopfern auch beiläufig eine Menge von<lb/> Taschenbüchern wegraffte, die bis dahin trotz alles ästhetischen Zeter¬<lb/> geschreies ruhig und behaglich in der großen Menge umhergeflattert<lb/> waren. Es entstanden dagegen Massen von Sammlungen kurzer<lb/> Erzählungen, welche das Publicum hinsichtlich der dadurch verlernen<lb/> Lectüre reichlich cnlschävigten, die belletristischen Journale strotzten<lb/> ebenfalls von solchen kleineren Produktionen; die Bilderwerke wur¬<lb/> den immer häufiger, das Bedürfniß nach Almanachen schien wirklich<lb/> ganz zu verschwinden und die etwa noch erscheinenden wurden von<lb/> der Kritik oberflächlich und pflichtschuldig abgethan, von dem Pu-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0498]
wird mit vornehmem Achselzucken bei Seite geworfen. Und haben
wir wirklich Besseres dafür eingetauscht? Wir haben allerdings
theoretisch Recht gehabt; aber praktisch Unrecht, und beides nach ver¬
schiedenen Seiten hin; wir haben gewonnnen und verloren — auch
beides nach verschiedenen Richtungen. — In der ästhetischen Litera¬
tur waren es vorzüglich die leichten Taschenbücher, welche der kriti¬
sche Ernst unserer Journale in jener Zeit angriff, als überhaupt die
Harmlosigkeit des Scherzes und die Anspruchlosigkeit der kleinen Er¬
zählung urplötzlich durch das Erstehen einer neuen literarischen Ge¬
staltung, durch das publicistische Element, das in der modernen bel¬
letristischen Literatur vorherrschend, sich verdrängt sah. Die Taschen¬
bücher, bisher noch Lieblinge des außerliterarischen Publicums und
der eleganten Welt eine Nothwendigkeit, wie irgend ein anderes un¬
nützes aber zierliches Zimmergeräth, wurden urplötzlich von allen Sei¬
ten her angegriffen und verschrieen; man warf ihnen mit vollem
Rechte vor, daß sie dem Fortschritte der Zeit nicht Schritt hielten
und die geistige Entwickelung des Publicums nicht fortbildeten; man
forderte in dieser Konsequenz auch von jedem ihrer Erzeugnisse, daß
eS künstlerisch tüchtig sein solle. Darüber verloren sie ihre frühere
gesellschaftliche Stellung und suchten durch Bildermenge, durch Ge-
lecktheit und Zierlichkeit der Stahlstiche, durch prachtvollste Aeußer-
lichkeit, durch eine falsche Romantik ihres Inhalts die allerdings
nicht wegzuläugnende literarische Hohlheit zu verstecken. Bald war
aber fast kein Taschenbuch vorhanden, welches noch auf einige lite¬
rarische Geltung Anspruch machen konnte, und war bisher ihre kri¬
tische Beurtheilung hart gewesen, so wurde sie nun selbst durch größte
Härte nur gerecht. Dazu kam das Elend des Chvlerajahres, wel¬
ches unter seinen Menschenopfern auch beiläufig eine Menge von
Taschenbüchern wegraffte, die bis dahin trotz alles ästhetischen Zeter¬
geschreies ruhig und behaglich in der großen Menge umhergeflattert
waren. Es entstanden dagegen Massen von Sammlungen kurzer
Erzählungen, welche das Publicum hinsichtlich der dadurch verlernen
Lectüre reichlich cnlschävigten, die belletristischen Journale strotzten
ebenfalls von solchen kleineren Produktionen; die Bilderwerke wur¬
den immer häufiger, das Bedürfniß nach Almanachen schien wirklich
ganz zu verschwinden und die etwa noch erscheinenden wurden von
der Kritik oberflächlich und pflichtschuldig abgethan, von dem Pu-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |