Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.ernsthaftesten in Berathung gezogen worden ist. Die Verhandlungen Dies dürfte hinreichen, um den Satz zu beweisen, daß in Deutsch¬ 62
ernsthaftesten in Berathung gezogen worden ist. Die Verhandlungen Dies dürfte hinreichen, um den Satz zu beweisen, daß in Deutsch¬ 62
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0491" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271752"/> <p xml:id="ID_1338" prev="#ID_1337"> ernsthaftesten in Berathung gezogen worden ist. Die Verhandlungen<lb/> der bayrischen Stände sind in dieser Beziehung eine wahre Fund¬<lb/> grube und es wäre nur zu wünschen, daß das Bayern, wie eS seit<lb/> Anfang dieses Jahrhunderts unter Mar Joseph und unter dem jetzi¬<lb/> gen Könige bis 1832 war, um einen bezeichnenden Ausdruck zu<lb/> brauchen, sich wiederfinden möchte. Der Neubau deö Rechtswesens,<lb/> wozu Bayern die am weitesten gediehenen Vorarbeiten hat, würde<lb/> ein Denkmal König Ludwigs sein so glorreich und so unver¬<lb/> gänglich als alle Werke der bildenden Künste, die seinen Namen der<lb/> Rachwelt überliefern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1339" next="#ID_1340"> Dies dürfte hinreichen, um den Satz zu beweisen, daß in Deutsch¬<lb/> land zwar schon viel über unseren Gegenstand gesagt worden ist,<lb/> aber noch lange, lange nicht genug. Und dieser Ansicht ist<lb/> auch Mittermaier selbst, denn er sagt in der Vorrede, seine Schrift<lb/> habe ihren Zweck erreicht, wenn sie dazu diene, neue Forschungen<lb/> über die einzelnen Fragen anzuregen. Ich glaube aber, daß, wenn die<lb/> Wissenschaft dies mit Erfolg thun soll, vorher mehrere noch obwal¬<lb/> tende Hindernisse aus dem Wege geräumt werden müssen, und ich<lb/> rechne dazu hauptsächlich den Wahn unserer Juristen, daß man nur<lb/> Jura studirt zu habe» und ein praktischer Jurist zu sein brauche, um<lb/> ein competentes Urtheil über Schwurgerichte zu fällen; denn, so lange<lb/> dieser Wahn besteht, kann die Wissenschaft die gediegensten Werke zu<lb/> Tage fördern, sie werden mit stolzer Selbstzufriedenheit als überflüssig<lb/> ungelesen liegen gelassen werden. Ich rechne ferner dazu den Man¬<lb/> gel staatswissenschaftlicher Bildung unserer Juristen und endlich den<lb/> Mangel an gründlicher klassischer Bildung; denn ein junger Mann,<lb/> der seinen Demosthenes, Plutarch, Livius, Cicero, Plinius, Quinti-<lb/> lian und andere gelesen und verstanden hat, der wird auch von ih¬<lb/> rem Geiste durchdrungen sein, der wird wissen und fühlen, daß Öf¬<lb/> fentlichkeit und Mündlichkeit die Träger des ganzen klassischen Alter¬<lb/> thums, daß aus diesen Keimen die edelsten Früchte deö Geistes ent¬<lb/> sprossen sind; er wird sich nicht weißmachen lassen, daß diese jetzige<lb/> deutsche Justiz, die man unter der Firma der römischen hereinge¬<lb/> schmuggelt hat, das Recht der alten Römer sei; — er wird mit Ekel<lb/> vor jenem auf Tintenklekserei und Federfuchserci gebauten, den Geist<lb/> abmarternden und abtödtenden formellen Rechte des canonischcn Ci¬<lb/> vilprocesses und Jnquisitionsprocesses zurückweichen; — er wird in</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 62</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0491]
ernsthaftesten in Berathung gezogen worden ist. Die Verhandlungen
der bayrischen Stände sind in dieser Beziehung eine wahre Fund¬
grube und es wäre nur zu wünschen, daß das Bayern, wie eS seit
Anfang dieses Jahrhunderts unter Mar Joseph und unter dem jetzi¬
gen Könige bis 1832 war, um einen bezeichnenden Ausdruck zu
brauchen, sich wiederfinden möchte. Der Neubau deö Rechtswesens,
wozu Bayern die am weitesten gediehenen Vorarbeiten hat, würde
ein Denkmal König Ludwigs sein so glorreich und so unver¬
gänglich als alle Werke der bildenden Künste, die seinen Namen der
Rachwelt überliefern.
Dies dürfte hinreichen, um den Satz zu beweisen, daß in Deutsch¬
land zwar schon viel über unseren Gegenstand gesagt worden ist,
aber noch lange, lange nicht genug. Und dieser Ansicht ist
auch Mittermaier selbst, denn er sagt in der Vorrede, seine Schrift
habe ihren Zweck erreicht, wenn sie dazu diene, neue Forschungen
über die einzelnen Fragen anzuregen. Ich glaube aber, daß, wenn die
Wissenschaft dies mit Erfolg thun soll, vorher mehrere noch obwal¬
tende Hindernisse aus dem Wege geräumt werden müssen, und ich
rechne dazu hauptsächlich den Wahn unserer Juristen, daß man nur
Jura studirt zu habe» und ein praktischer Jurist zu sein brauche, um
ein competentes Urtheil über Schwurgerichte zu fällen; denn, so lange
dieser Wahn besteht, kann die Wissenschaft die gediegensten Werke zu
Tage fördern, sie werden mit stolzer Selbstzufriedenheit als überflüssig
ungelesen liegen gelassen werden. Ich rechne ferner dazu den Man¬
gel staatswissenschaftlicher Bildung unserer Juristen und endlich den
Mangel an gründlicher klassischer Bildung; denn ein junger Mann,
der seinen Demosthenes, Plutarch, Livius, Cicero, Plinius, Quinti-
lian und andere gelesen und verstanden hat, der wird auch von ih¬
rem Geiste durchdrungen sein, der wird wissen und fühlen, daß Öf¬
fentlichkeit und Mündlichkeit die Träger des ganzen klassischen Alter¬
thums, daß aus diesen Keimen die edelsten Früchte deö Geistes ent¬
sprossen sind; er wird sich nicht weißmachen lassen, daß diese jetzige
deutsche Justiz, die man unter der Firma der römischen hereinge¬
schmuggelt hat, das Recht der alten Römer sei; — er wird mit Ekel
vor jenem auf Tintenklekserei und Federfuchserci gebauten, den Geist
abmarternden und abtödtenden formellen Rechte des canonischcn Ci¬
vilprocesses und Jnquisitionsprocesses zurückweichen; — er wird in
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