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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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zu nennen, denn Molitor gehört eigentlich zu den Rechtskundigen
des linken Rheinufers, nicht zu den Juristen. Die Stimme solcher
Männer hat allerdings großes Gewicht, weil sich trotz der auf un¬
seren Universitäten gegen die Schwurgerichte eingesogenen Voruriheile
die Macht der Wahrheit an ihnen kundgegeben hat. Ich möchte in
dieser Classe Feuerbach voranstellen, weil die englischen und nord-
amerikanischen Rechtsgelehrten mit seinen Ansichten am meisten über¬
einstimmen und also seine Auffassung die richtigste sein möchte. Bei
den übrigen bemerkt man, daß sie noch mehr oder minder in den
Norurlheilen des gegenüberstehenden feindlichen Rechtssystems befan¬
gen sind und daraus Begriffe auf die öffentlich-mündliche Rechts¬
pflege übertragen, die ihr fremd sind.

Diejenigen, welche am meisten befähigt sind, sowohl über Rechts-
gesetzgebung überhaupt als namentlich über strafrechtliche Fragen ein
gewichtiges Wort zu sprechen, sind jedenfalls unsere Staatsmänner,
wenn sie mit einer gründlichen wissenschaftlichen Bildung einen feinen
praktischen Beistand verbinden. Während der Jurist die Justiz nur
als Justiz an und für sich auffaßt, ist der Staatsmann genöthigt,
sie als integrirenden Theil der Politik, der Staatowissenschaft ins
Auge zu fassen, dem Staatsmanne fallen die allgemeinen Principien,
die Grundlagen zu, -- dem Juristen die Einzelheiten, das Detail
der Ausführung, -- der Staatsmann ist der Btiumeistcr, der das
Gebäude aufführt, der Jurist der Tischler, Schlosser, Maler, der eS
wohnlich macht. Der Jurist weiß wohl, wie die einzelnen Theile der
Justiz unter einander zusammenhängen, aber nur der Staatsmann
übersieht und begreift den Zusammenhang mit den übrigen Zweigen
des Staatslebens. Daher ist auch das Beste, was über unseren
Gegenstand in Deutschland gesagt worden ist, von Staatsmännern,
namentlich auch bei landständischen Versammlungen, ausgegangen
und gesprochen worden. Wir erinnern an den Staatsrath Maurer,
v. Stürmer, den jetzigen Minister v. Abel, vor allem an v. Rud-
hard und von der Gegenseite an den Justizminister v. Könneritz.
Mit Recht bemerkt Mittermaier über Rudhard: "Ihm verdankt
man eine Arbeit, wie sie vielleicht in keiner Ständeversammlung noch
in Bezug auf die Strasproceßordnung geliefert wurde." Ueberhaupt
ist Bayern wohl dasjenige deutsche Land, wo die Frage über die
Einführung von Geschwornengerichten am längsten und auch am


zu nennen, denn Molitor gehört eigentlich zu den Rechtskundigen
des linken Rheinufers, nicht zu den Juristen. Die Stimme solcher
Männer hat allerdings großes Gewicht, weil sich trotz der auf un¬
seren Universitäten gegen die Schwurgerichte eingesogenen Voruriheile
die Macht der Wahrheit an ihnen kundgegeben hat. Ich möchte in
dieser Classe Feuerbach voranstellen, weil die englischen und nord-
amerikanischen Rechtsgelehrten mit seinen Ansichten am meisten über¬
einstimmen und also seine Auffassung die richtigste sein möchte. Bei
den übrigen bemerkt man, daß sie noch mehr oder minder in den
Norurlheilen des gegenüberstehenden feindlichen Rechtssystems befan¬
gen sind und daraus Begriffe auf die öffentlich-mündliche Rechts¬
pflege übertragen, die ihr fremd sind.

Diejenigen, welche am meisten befähigt sind, sowohl über Rechts-
gesetzgebung überhaupt als namentlich über strafrechtliche Fragen ein
gewichtiges Wort zu sprechen, sind jedenfalls unsere Staatsmänner,
wenn sie mit einer gründlichen wissenschaftlichen Bildung einen feinen
praktischen Beistand verbinden. Während der Jurist die Justiz nur
als Justiz an und für sich auffaßt, ist der Staatsmann genöthigt,
sie als integrirenden Theil der Politik, der Staatowissenschaft ins
Auge zu fassen, dem Staatsmanne fallen die allgemeinen Principien,
die Grundlagen zu, — dem Juristen die Einzelheiten, das Detail
der Ausführung, — der Staatsmann ist der Btiumeistcr, der das
Gebäude aufführt, der Jurist der Tischler, Schlosser, Maler, der eS
wohnlich macht. Der Jurist weiß wohl, wie die einzelnen Theile der
Justiz unter einander zusammenhängen, aber nur der Staatsmann
übersieht und begreift den Zusammenhang mit den übrigen Zweigen
des Staatslebens. Daher ist auch das Beste, was über unseren
Gegenstand in Deutschland gesagt worden ist, von Staatsmännern,
namentlich auch bei landständischen Versammlungen, ausgegangen
und gesprochen worden. Wir erinnern an den Staatsrath Maurer,
v. Stürmer, den jetzigen Minister v. Abel, vor allem an v. Rud-
hard und von der Gegenseite an den Justizminister v. Könneritz.
Mit Recht bemerkt Mittermaier über Rudhard: „Ihm verdankt
man eine Arbeit, wie sie vielleicht in keiner Ständeversammlung noch
in Bezug auf die Strasproceßordnung geliefert wurde." Ueberhaupt
ist Bayern wohl dasjenige deutsche Land, wo die Frage über die
Einführung von Geschwornengerichten am längsten und auch am


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/490>, abgerufen am 06.02.2025.