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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Staaten kennen zu lernen gesucht haben; -- ferner solche, deren
Hauptaufgabe des Lebens die Staatswissenschaften sind und welche
die Rechtswissenschaft als einen Theil der ersteren ebenfalls haben
studiren müssen, aber nicht einseitig und nur zum Behuf des Betrie¬
bes, wie die praktischen Juristen, sondern von einem allgemeineren
Gesichtspunkte aus, welche also auch, wegen seines engen Zusammen¬
hanges mit dem constitutionellen Staatsrecht, das englische und frau"
zösische Recht einer gründlicheren Forschung haben unterwerfen müs¬
sen, mit einem Worte: Staatsmänner und Publiciste n. End¬
lich gehören zu ihnen, wie es ja überall Ausnahmen giebt, auch ei¬
nige Ausnahmen unter unseren Juristen des rechten Rheinufers selbst.

Fassen wir das bisher Gesagte zusammen, so wird es nicht
schwer sein, die Antwort auf die Fragen zu finden:

1) Wie groß ist wohl die Anzahl Derer, die bei uns (in Deutsch¬
land auf dem rechten Rheinufer) für Geschwornengerichte mit
den davon unzertrennlichen Einrichtungen sprechen?
2) Wie groß die Anzahl der Gegner?
3) Was und wie wird darüber, dafür und dagegen ans dem
rechten Rheinufer gesprochen?

Die Anzahl derjenigen, welche nicht blos Nachbeter sind, son¬
dern mit Bewußtsein und Sachkenntniß sich dafür aussprechen, ist
gewiß auf dem rechten Rheinufer noch klein; die Zahl der Geg¬
ner dürfte so groß sein, als ungefähr neun Zehntel aller Juristen
des diesseitigen Deutschlands. Unter diesen juristischen Gegnern sind
aber gewiß nur sehr wenige, die eine auch nur oberflächliche Kennt¬
niß von der Sache haben; fast alle diese Gegner sind reine und
blinde Nachbeter ohne Sachkenntniß. Wollte man also die Stimmen
aller derjenigen zählen, welche mit oder ohne Kenntniß über die Sache
sprechen, so würde man finden, daß die Stimmen dafür weitaus
zahlreicher sind, als die dagegen, daß aber die Zahl derjenigen,
die überhaupt an den Verhandlungen theilnehmen, im Verhältniß zur
Gesammtbevölkerung des diesseitigen Deutschlands noch nicht bedeu¬
tend genug ist.

Damit soll jedoch keineswegs gesagt sein, daß die deutschen
Staatsmänner nicht Ursache hätten, zu einer Reform des Rechtswe-
senS zu schreiten; sondern im Gegentheil, -- da diese Frage nur von
Sachverständigen entschieden werden kann, bei weitem die Mehrzahl


Staaten kennen zu lernen gesucht haben; — ferner solche, deren
Hauptaufgabe des Lebens die Staatswissenschaften sind und welche
die Rechtswissenschaft als einen Theil der ersteren ebenfalls haben
studiren müssen, aber nicht einseitig und nur zum Behuf des Betrie¬
bes, wie die praktischen Juristen, sondern von einem allgemeineren
Gesichtspunkte aus, welche also auch, wegen seines engen Zusammen¬
hanges mit dem constitutionellen Staatsrecht, das englische und frau«
zösische Recht einer gründlicheren Forschung haben unterwerfen müs¬
sen, mit einem Worte: Staatsmänner und Publiciste n. End¬
lich gehören zu ihnen, wie es ja überall Ausnahmen giebt, auch ei¬
nige Ausnahmen unter unseren Juristen des rechten Rheinufers selbst.

Fassen wir das bisher Gesagte zusammen, so wird es nicht
schwer sein, die Antwort auf die Fragen zu finden:

1) Wie groß ist wohl die Anzahl Derer, die bei uns (in Deutsch¬
land auf dem rechten Rheinufer) für Geschwornengerichte mit
den davon unzertrennlichen Einrichtungen sprechen?
2) Wie groß die Anzahl der Gegner?
3) Was und wie wird darüber, dafür und dagegen ans dem
rechten Rheinufer gesprochen?

Die Anzahl derjenigen, welche nicht blos Nachbeter sind, son¬
dern mit Bewußtsein und Sachkenntniß sich dafür aussprechen, ist
gewiß auf dem rechten Rheinufer noch klein; die Zahl der Geg¬
ner dürfte so groß sein, als ungefähr neun Zehntel aller Juristen
des diesseitigen Deutschlands. Unter diesen juristischen Gegnern sind
aber gewiß nur sehr wenige, die eine auch nur oberflächliche Kennt¬
niß von der Sache haben; fast alle diese Gegner sind reine und
blinde Nachbeter ohne Sachkenntniß. Wollte man also die Stimmen
aller derjenigen zählen, welche mit oder ohne Kenntniß über die Sache
sprechen, so würde man finden, daß die Stimmen dafür weitaus
zahlreicher sind, als die dagegen, daß aber die Zahl derjenigen,
die überhaupt an den Verhandlungen theilnehmen, im Verhältniß zur
Gesammtbevölkerung des diesseitigen Deutschlands noch nicht bedeu¬
tend genug ist.

Damit soll jedoch keineswegs gesagt sein, daß die deutschen
Staatsmänner nicht Ursache hätten, zu einer Reform des Rechtswe-
senS zu schreiten; sondern im Gegentheil, — da diese Frage nur von
Sachverständigen entschieden werden kann, bei weitem die Mehrzahl


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/487>, abgerufen am 06.02.2025.