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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Warum endlich öffentlich? Um dem Volke die Geheimnisse der
Justiz zu zeigen, die sie doch nicht verstehen? Mußten wir aber nicht,
UM den Zweck der Oeffentlichkeit zu erreichen, eine ganz neue Zu¬
sammensetzung der Gerichte, in bürgerlichen und Strafsachen, ein ganz
neues Verfahren, ein neues Recht gründen, und unsere Juristen ihr
mühsam errungenes geistiges Eigenthum über Bord werfen?

In welchem Kreise sollen wir also in Deutschland daS Ver¬
ständniß eines dem unsrigen polartig gegenüberstehenden Rechtslebens
suchen? Wo seine Anhänger, Freunde und Vorkämpfer?

Vor allen Dingen erkennen wir als solche die ganze deutsche
Bevölkerung des linken Rheinufers und untrr ihnen vor Allen die
Richter, die übrigen gerichtlichen Beamten und die Rechtsanwälte.
Denn während auf unserer Seite die Bevölkerungen im Allgemeinen
weder das eine noch das andere Gebiet kennen und zu kennen ver¬
mögen, wenn sie auch wollen, durchdringt auf der andern Seite die
Kenntniß ihres Rechtes mehr oder minder alle Klassen der Bevöl¬
kerung, -- und die Männer von Fach hängen auf jener Seite an
dem auf Oeffentlichkeit und Mündlichkeit gebauten Rechtszustand und
vertheidigen ihn mit wenigstens derselben Geschicklichkeit aus densel¬
ben Gründen, aus welchen unsere Juristen für ihre Heimlichkeit und
Schriftlichkeit zu Felde ziehen. Daher kommt es denn auch, daß,
während auf der einen Seite nur die Juristen, auf der andern Seite
die Männer des Rechtes mit der ganzen Bevölkerung hinter sich ste¬
hen; die Zahl derjenigen, die mit Sachkenntniß und Bewußtsein für
Oeffentlichkeit und Mündlichkeit und Schwurgerichte kämpfen, immer
noch bei weitem größer ist, als die Zahl derjenigen, welche das
Gleiche für Heimlichkeit, Schriftlichkeit und Inquisition thun, obwohl
das Ländergebiet der Ersteren mit demjenigen der Letzteren in
Deutschland sich nicht messen kann.

Zu diesen Vorkämpfern des linken Rheinufers kommen auch noch
auf dem rechten einige, die aber, wegen der angedeuteten Hindernisse,
so viel sie auch schon gesagt haben, dennoch zum Siege deS guten
öffentlichen Rechtes immer noch lange nicht genug gesagt haben. Sie
lassen sich in drei Klassen bringen; denn es gehören zu ihnen erstlich
solche aus den gebildeten Ständen, die aus Ueberzeugung dem kon¬
stitutionellen Staatsrechte anhängen und in Folge dessen entweder
aus Büchern oder auf Reisen die Einrichtungen konstitutioneller


Warum endlich öffentlich? Um dem Volke die Geheimnisse der
Justiz zu zeigen, die sie doch nicht verstehen? Mußten wir aber nicht,
UM den Zweck der Oeffentlichkeit zu erreichen, eine ganz neue Zu¬
sammensetzung der Gerichte, in bürgerlichen und Strafsachen, ein ganz
neues Verfahren, ein neues Recht gründen, und unsere Juristen ihr
mühsam errungenes geistiges Eigenthum über Bord werfen?

In welchem Kreise sollen wir also in Deutschland daS Ver¬
ständniß eines dem unsrigen polartig gegenüberstehenden Rechtslebens
suchen? Wo seine Anhänger, Freunde und Vorkämpfer?

Vor allen Dingen erkennen wir als solche die ganze deutsche
Bevölkerung des linken Rheinufers und untrr ihnen vor Allen die
Richter, die übrigen gerichtlichen Beamten und die Rechtsanwälte.
Denn während auf unserer Seite die Bevölkerungen im Allgemeinen
weder das eine noch das andere Gebiet kennen und zu kennen ver¬
mögen, wenn sie auch wollen, durchdringt auf der andern Seite die
Kenntniß ihres Rechtes mehr oder minder alle Klassen der Bevöl¬
kerung, — und die Männer von Fach hängen auf jener Seite an
dem auf Oeffentlichkeit und Mündlichkeit gebauten Rechtszustand und
vertheidigen ihn mit wenigstens derselben Geschicklichkeit aus densel¬
ben Gründen, aus welchen unsere Juristen für ihre Heimlichkeit und
Schriftlichkeit zu Felde ziehen. Daher kommt es denn auch, daß,
während auf der einen Seite nur die Juristen, auf der andern Seite
die Männer des Rechtes mit der ganzen Bevölkerung hinter sich ste¬
hen; die Zahl derjenigen, die mit Sachkenntniß und Bewußtsein für
Oeffentlichkeit und Mündlichkeit und Schwurgerichte kämpfen, immer
noch bei weitem größer ist, als die Zahl derjenigen, welche das
Gleiche für Heimlichkeit, Schriftlichkeit und Inquisition thun, obwohl
das Ländergebiet der Ersteren mit demjenigen der Letzteren in
Deutschland sich nicht messen kann.

Zu diesen Vorkämpfern des linken Rheinufers kommen auch noch
auf dem rechten einige, die aber, wegen der angedeuteten Hindernisse,
so viel sie auch schon gesagt haben, dennoch zum Siege deS guten
öffentlichen Rechtes immer noch lange nicht genug gesagt haben. Sie
lassen sich in drei Klassen bringen; denn es gehören zu ihnen erstlich
solche aus den gebildeten Ständen, die aus Ueberzeugung dem kon¬
stitutionellen Staatsrechte anhängen und in Folge dessen entweder
aus Büchern oder auf Reisen die Einrichtungen konstitutioneller


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[0486] Warum endlich öffentlich? Um dem Volke die Geheimnisse der Justiz zu zeigen, die sie doch nicht verstehen? Mußten wir aber nicht, UM den Zweck der Oeffentlichkeit zu erreichen, eine ganz neue Zu¬ sammensetzung der Gerichte, in bürgerlichen und Strafsachen, ein ganz neues Verfahren, ein neues Recht gründen, und unsere Juristen ihr mühsam errungenes geistiges Eigenthum über Bord werfen? In welchem Kreise sollen wir also in Deutschland daS Ver¬ ständniß eines dem unsrigen polartig gegenüberstehenden Rechtslebens suchen? Wo seine Anhänger, Freunde und Vorkämpfer? Vor allen Dingen erkennen wir als solche die ganze deutsche Bevölkerung des linken Rheinufers und untrr ihnen vor Allen die Richter, die übrigen gerichtlichen Beamten und die Rechtsanwälte. Denn während auf unserer Seite die Bevölkerungen im Allgemeinen weder das eine noch das andere Gebiet kennen und zu kennen ver¬ mögen, wenn sie auch wollen, durchdringt auf der andern Seite die Kenntniß ihres Rechtes mehr oder minder alle Klassen der Bevöl¬ kerung, — und die Männer von Fach hängen auf jener Seite an dem auf Oeffentlichkeit und Mündlichkeit gebauten Rechtszustand und vertheidigen ihn mit wenigstens derselben Geschicklichkeit aus densel¬ ben Gründen, aus welchen unsere Juristen für ihre Heimlichkeit und Schriftlichkeit zu Felde ziehen. Daher kommt es denn auch, daß, während auf der einen Seite nur die Juristen, auf der andern Seite die Männer des Rechtes mit der ganzen Bevölkerung hinter sich ste¬ hen; die Zahl derjenigen, die mit Sachkenntniß und Bewußtsein für Oeffentlichkeit und Mündlichkeit und Schwurgerichte kämpfen, immer noch bei weitem größer ist, als die Zahl derjenigen, welche das Gleiche für Heimlichkeit, Schriftlichkeit und Inquisition thun, obwohl das Ländergebiet der Ersteren mit demjenigen der Letzteren in Deutschland sich nicht messen kann. Zu diesen Vorkämpfern des linken Rheinufers kommen auch noch auf dem rechten einige, die aber, wegen der angedeuteten Hindernisse, so viel sie auch schon gesagt haben, dennoch zum Siege deS guten öffentlichen Rechtes immer noch lange nicht genug gesagt haben. Sie lassen sich in drei Klassen bringen; denn es gehören zu ihnen erstlich solche aus den gebildeten Ständen, die aus Ueberzeugung dem kon¬ stitutionellen Staatsrechte anhängen und in Folge dessen entweder aus Büchern oder auf Reisen die Einrichtungen konstitutioneller

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/486>, abgerufen am 06.02.2025.