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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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schen Anstrich tragen und der Erzherzog Albrecht hat bereits viele
Borkehrungen getroffen, um die in der Umgebung der Hauptstadt
stationirten Truppen bei der Ankunft des Kaisers Nicolaus schnell
hier zu versammeln, um vor dem fremden Gaste zu paradiren. Das
hier garnisonirende Husarenregiment, das den Namen des Kaisers
von Rußland führt, wird zur Feier seines Inhabers vor demselben
in einer neuen Uniformirung erscheinen.

Die Wahl eines neuen Rector magnificus an der hiesigen Uni¬
versität hat durch die Beseitigung des verdienstvollen Hofraths Baum¬
gartner und die Erkiesung eines gänzlich obscurer Regierungssecre-
rärs, Namens Heintl, der kein weiteres Anrecht auf diese Stelle be¬
saß , als sein Doctordiplom und seine Bruderschaft mit dem Decan
der philosophischen Facultät, in der gelehrten Welt einen argen Scan-
dal veranlaßt, wobei sich aber Niemand mehr in der öffentlichen Mei¬
nung geschadet hat, als die Wahlherren selbst, welche die Prokura¬
toren der vier Landsmannschaften sind. Hafralh Baumgartner be^
kleidete lange Zeit hindurch die Professur der Naturwissenschaften und
erwarb sich sowohl als Lehrer, als auch als Schriftsteller einen höchst
geachteten Namen, bis er später die academische Laufbahn verließ
und zum Director der Porzellansabrik mit dem Titel eines Regie¬
rungsrathes befördert wurde. Jetzt leitet Hofrath Baumgartner die
Regie des im österreichischen Staatshaushalte so höchst wichtigen Ta¬
bakmonopols, und auf seinen Vorschlag ist in der jüngsten Zeit die
Einfuhr und der öffentliche Verkauf ausländischer Cigarren gestattet
worden, wobei die Staatsverwaltung nichts weniger als schlimme
Geschäfte macht und die Konsumenten überdies den Vortheil haben,
bessere Blätter zu rauchen, als sie der inländische Tabaksbau zu bie¬
ten vermag.

Berlioz hat drei zahlreich besuchte Concerte im großen Schau¬
spielhause an der Wien gegeben und jene Art von Erfolg errungen,
den man siicevs "j'estimo nennt. Der bizarre Tonmeister stößt durch
das scharfe individuelle Gepräge und die alles Hergebrachte im Reiche
der Tonkunst verletzende Originalität seiner Schöpfungen häufig an,
doch fehlt es ihm dabei nicht an enthusiastischen AnHangern. Berlioz
ist jedenfalls ein bedeutendes Talent, bei welchem indeß der Verstand
vorwaltet, und aus diesem Grunde mangelt es ihm an Me¬
lodie und an Popularität. Berlioz versteht mehr zu combiniren,
als zu componiren und wird daher auch vorzüglich von den Musik-
gelehrten begriffen und geschätzt. Auch Rossini hat bei seinem Auf¬
treten einen mächtigen Sturm erweckt, allein mit dem sehr wesentli¬
chen Unterschiede, daß bei Rossini die Gelehrten auf Seite der Oppo¬
sition standen und nur langsam bekehrt werden konnten, das Pu-
blicum hingegen gleich Anfangs für den Melodiencrösus Partei nahm;
bei Berlioz ist es umgekehrt, und wahrend manche Kenner ihn hoch-


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schen Anstrich tragen und der Erzherzog Albrecht hat bereits viele
Borkehrungen getroffen, um die in der Umgebung der Hauptstadt
stationirten Truppen bei der Ankunft des Kaisers Nicolaus schnell
hier zu versammeln, um vor dem fremden Gaste zu paradiren. Das
hier garnisonirende Husarenregiment, das den Namen des Kaisers
von Rußland führt, wird zur Feier seines Inhabers vor demselben
in einer neuen Uniformirung erscheinen.

Die Wahl eines neuen Rector magnificus an der hiesigen Uni¬
versität hat durch die Beseitigung des verdienstvollen Hofraths Baum¬
gartner und die Erkiesung eines gänzlich obscurer Regierungssecre-
rärs, Namens Heintl, der kein weiteres Anrecht auf diese Stelle be¬
saß , als sein Doctordiplom und seine Bruderschaft mit dem Decan
der philosophischen Facultät, in der gelehrten Welt einen argen Scan-
dal veranlaßt, wobei sich aber Niemand mehr in der öffentlichen Mei¬
nung geschadet hat, als die Wahlherren selbst, welche die Prokura¬
toren der vier Landsmannschaften sind. Hafralh Baumgartner be^
kleidete lange Zeit hindurch die Professur der Naturwissenschaften und
erwarb sich sowohl als Lehrer, als auch als Schriftsteller einen höchst
geachteten Namen, bis er später die academische Laufbahn verließ
und zum Director der Porzellansabrik mit dem Titel eines Regie¬
rungsrathes befördert wurde. Jetzt leitet Hofrath Baumgartner die
Regie des im österreichischen Staatshaushalte so höchst wichtigen Ta¬
bakmonopols, und auf seinen Vorschlag ist in der jüngsten Zeit die
Einfuhr und der öffentliche Verkauf ausländischer Cigarren gestattet
worden, wobei die Staatsverwaltung nichts weniger als schlimme
Geschäfte macht und die Konsumenten überdies den Vortheil haben,
bessere Blätter zu rauchen, als sie der inländische Tabaksbau zu bie¬
ten vermag.

Berlioz hat drei zahlreich besuchte Concerte im großen Schau¬
spielhause an der Wien gegeben und jene Art von Erfolg errungen,
den man siicevs «j'estimo nennt. Der bizarre Tonmeister stößt durch
das scharfe individuelle Gepräge und die alles Hergebrachte im Reiche
der Tonkunst verletzende Originalität seiner Schöpfungen häufig an,
doch fehlt es ihm dabei nicht an enthusiastischen AnHangern. Berlioz
ist jedenfalls ein bedeutendes Talent, bei welchem indeß der Verstand
vorwaltet, und aus diesem Grunde mangelt es ihm an Me¬
lodie und an Popularität. Berlioz versteht mehr zu combiniren,
als zu componiren und wird daher auch vorzüglich von den Musik-
gelehrten begriffen und geschätzt. Auch Rossini hat bei seinem Auf¬
treten einen mächtigen Sturm erweckt, allein mit dem sehr wesentli¬
chen Unterschiede, daß bei Rossini die Gelehrten auf Seite der Oppo¬
sition standen und nur langsam bekehrt werden konnten, das Pu-
blicum hingegen gleich Anfangs für den Melodiencrösus Partei nahm;
bei Berlioz ist es umgekehrt, und wahrend manche Kenner ihn hoch-


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[0467] schen Anstrich tragen und der Erzherzog Albrecht hat bereits viele Borkehrungen getroffen, um die in der Umgebung der Hauptstadt stationirten Truppen bei der Ankunft des Kaisers Nicolaus schnell hier zu versammeln, um vor dem fremden Gaste zu paradiren. Das hier garnisonirende Husarenregiment, das den Namen des Kaisers von Rußland führt, wird zur Feier seines Inhabers vor demselben in einer neuen Uniformirung erscheinen. Die Wahl eines neuen Rector magnificus an der hiesigen Uni¬ versität hat durch die Beseitigung des verdienstvollen Hofraths Baum¬ gartner und die Erkiesung eines gänzlich obscurer Regierungssecre- rärs, Namens Heintl, der kein weiteres Anrecht auf diese Stelle be¬ saß , als sein Doctordiplom und seine Bruderschaft mit dem Decan der philosophischen Facultät, in der gelehrten Welt einen argen Scan- dal veranlaßt, wobei sich aber Niemand mehr in der öffentlichen Mei¬ nung geschadet hat, als die Wahlherren selbst, welche die Prokura¬ toren der vier Landsmannschaften sind. Hafralh Baumgartner be^ kleidete lange Zeit hindurch die Professur der Naturwissenschaften und erwarb sich sowohl als Lehrer, als auch als Schriftsteller einen höchst geachteten Namen, bis er später die academische Laufbahn verließ und zum Director der Porzellansabrik mit dem Titel eines Regie¬ rungsrathes befördert wurde. Jetzt leitet Hofrath Baumgartner die Regie des im österreichischen Staatshaushalte so höchst wichtigen Ta¬ bakmonopols, und auf seinen Vorschlag ist in der jüngsten Zeit die Einfuhr und der öffentliche Verkauf ausländischer Cigarren gestattet worden, wobei die Staatsverwaltung nichts weniger als schlimme Geschäfte macht und die Konsumenten überdies den Vortheil haben, bessere Blätter zu rauchen, als sie der inländische Tabaksbau zu bie¬ ten vermag. Berlioz hat drei zahlreich besuchte Concerte im großen Schau¬ spielhause an der Wien gegeben und jene Art von Erfolg errungen, den man siicevs «j'estimo nennt. Der bizarre Tonmeister stößt durch das scharfe individuelle Gepräge und die alles Hergebrachte im Reiche der Tonkunst verletzende Originalität seiner Schöpfungen häufig an, doch fehlt es ihm dabei nicht an enthusiastischen AnHangern. Berlioz ist jedenfalls ein bedeutendes Talent, bei welchem indeß der Verstand vorwaltet, und aus diesem Grunde mangelt es ihm an Me¬ lodie und an Popularität. Berlioz versteht mehr zu combiniren, als zu componiren und wird daher auch vorzüglich von den Musik- gelehrten begriffen und geschätzt. Auch Rossini hat bei seinem Auf¬ treten einen mächtigen Sturm erweckt, allein mit dem sehr wesentli¬ chen Unterschiede, daß bei Rossini die Gelehrten auf Seite der Oppo¬ sition standen und nur langsam bekehrt werden konnten, das Pu- blicum hingegen gleich Anfangs für den Melodiencrösus Partei nahm; bei Berlioz ist es umgekehrt, und wahrend manche Kenner ihn hoch- 5Y -i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/467>, abgerufen am 05.02.2025.