Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Da fehlt kein Möbelstück, kein Bild, kein Fach.
'
Dieselbe Prachttapete schmückt den Raum,
Dieselben Bilder zieren rings die Wände,
Im Rahmen dort das Bildwerk ihrer Hände,
Halb fertig erst, gestört vom Hochzcitstraum;
Hier kunstgeschnitzt die Mahagonistelle,
Modernstem Götzendienst ein Hausaltar,
Noch stehn die Götzlein in altgothischer Zelle,
Die Nococofigürchen, blank und niedlich,
In Eintracht noch von Porzellan das Paar,
Chines' und Gattin, nickend unermüdlich;
Der Heimath Blumen dort in bunter Frische
Entgegenduftend ihr vom Blumentische,
Des Lieblingsdichters Liederbuch daneben,
Ja Alles rings, wie in der Heimath eben,
DaS Silberglöcklein auf dem Tisch sogar.
"Ob hell sein Klang wie sonst auch?" frug der Zaar;
Und prüfend schellt jetzt der Prinzessin Hand.
Ausspringt die Thür, es stürzt herein die Schaar
Der alten Diener aus dem Hessenland,
Vom Marschall, der ihr dient' an Vaters Hofe,
Bis zu dem Musterbild der deutschen Zofe,
Auch Freund bellt wedelnd, durch die Menge dringend,
Vor Lust empor an seiner Herrin springend.
Da hat ein süßes Weh ihr Herz bezwungen,
Und Thränen sprechen, wo gelähmt die Zungen." --
Der Leser schwieg. Da sprach ein Gramgefährte:
"Wie fand solch zart Gefühl und solche Härte,
Die uns verdarb, in Einem Herzen Stätte?
Mit Milde hat Zaar Nicolas, ich wette,
Auch in die Schellen unsers Arms gelegt
Die Wunderkraft, die jenes Glöcklein trägt;
Laßt einmal proben uns den Klang der Kette!" --
Sie rasseln mit den Fesseln -- seltsam Läuten!
Doch traun, eS wirkt. Aus dunkler Dämmrung schreiten
Hervor der Heimath Bilder, wahr und licht,

Da fehlt kein Möbelstück, kein Bild, kein Fach.
'
Dieselbe Prachttapete schmückt den Raum,
Dieselben Bilder zieren rings die Wände,
Im Rahmen dort das Bildwerk ihrer Hände,
Halb fertig erst, gestört vom Hochzcitstraum;
Hier kunstgeschnitzt die Mahagonistelle,
Modernstem Götzendienst ein Hausaltar,
Noch stehn die Götzlein in altgothischer Zelle,
Die Nococofigürchen, blank und niedlich,
In Eintracht noch von Porzellan das Paar,
Chines' und Gattin, nickend unermüdlich;
Der Heimath Blumen dort in bunter Frische
Entgegenduftend ihr vom Blumentische,
Des Lieblingsdichters Liederbuch daneben,
Ja Alles rings, wie in der Heimath eben,
DaS Silberglöcklein auf dem Tisch sogar.
„Ob hell sein Klang wie sonst auch?" frug der Zaar;
Und prüfend schellt jetzt der Prinzessin Hand.
Ausspringt die Thür, es stürzt herein die Schaar
Der alten Diener aus dem Hessenland,
Vom Marschall, der ihr dient' an Vaters Hofe,
Bis zu dem Musterbild der deutschen Zofe,
Auch Freund bellt wedelnd, durch die Menge dringend,
Vor Lust empor an seiner Herrin springend.
Da hat ein süßes Weh ihr Herz bezwungen,
Und Thränen sprechen, wo gelähmt die Zungen." —
Der Leser schwieg. Da sprach ein Gramgefährte:
„Wie fand solch zart Gefühl und solche Härte,
Die uns verdarb, in Einem Herzen Stätte?
Mit Milde hat Zaar Nicolas, ich wette,
Auch in die Schellen unsers Arms gelegt
Die Wunderkraft, die jenes Glöcklein trägt;
Laßt einmal proben uns den Klang der Kette!" —
Sie rasseln mit den Fesseln — seltsam Läuten!
Doch traun, eS wirkt. Aus dunkler Dämmrung schreiten
Hervor der Heimath Bilder, wahr und licht,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0462" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271723"/>
          <lg xml:id="POEMID_16" prev="#POEMID_15" type="poem" next="#POEMID_17">
            <l> Da fehlt kein Möbelstück, kein Bild, kein Fach.<lb/>
'<lb/>
Dieselbe Prachttapete schmückt den Raum,<lb/>
Dieselben Bilder zieren rings die Wände,<lb/>
Im Rahmen dort das Bildwerk ihrer Hände,<lb/>
Halb fertig erst, gestört vom Hochzcitstraum;<lb/>
Hier kunstgeschnitzt die Mahagonistelle,<lb/>
Modernstem Götzendienst ein Hausaltar,<lb/>
Noch stehn die Götzlein in altgothischer Zelle,<lb/>
Die Nococofigürchen, blank und niedlich,<lb/>
In Eintracht noch von Porzellan das Paar,<lb/>
Chines' und Gattin, nickend unermüdlich;<lb/>
Der Heimath Blumen dort in bunter Frische<lb/>
Entgegenduftend ihr vom Blumentische,<lb/>
Des Lieblingsdichters Liederbuch daneben,<lb/>
Ja Alles rings, wie in der Heimath eben,<lb/>
DaS Silberglöcklein auf dem Tisch sogar.<lb/>
&#x201E;Ob hell sein Klang wie sonst auch?" frug der Zaar;<lb/>
Und prüfend schellt jetzt der Prinzessin Hand.<lb/>
Ausspringt die Thür, es stürzt herein die Schaar<lb/>
Der alten Diener aus dem Hessenland,<lb/>
Vom Marschall, der ihr dient' an Vaters Hofe,<lb/>
Bis zu dem Musterbild der deutschen Zofe,<lb/>
Auch Freund bellt wedelnd, durch die Menge dringend,<lb/>
Vor Lust empor an seiner Herrin springend.<lb/>
Da hat ein süßes Weh ihr Herz bezwungen,<lb/>
Und Thränen sprechen, wo gelähmt die Zungen." &#x2014;<lb/></l>
          </lg><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_17" prev="#POEMID_16" type="poem" next="#POEMID_18">
            <l> Der Leser schwieg. Da sprach ein Gramgefährte:<lb/>
&#x201E;Wie fand solch zart Gefühl und solche Härte,<lb/>
Die uns verdarb, in Einem Herzen Stätte?<lb/>
Mit Milde hat Zaar Nicolas, ich wette,<lb/>
Auch in die Schellen unsers Arms gelegt<lb/>
Die Wunderkraft, die jenes Glöcklein trägt;<lb/>
Laßt einmal proben uns den Klang der Kette!" &#x2014;<lb/>
Sie rasseln mit den Fesseln &#x2014; seltsam Läuten!<lb/>
Doch traun, eS wirkt. Aus dunkler Dämmrung schreiten<lb/>
Hervor der Heimath Bilder, wahr und licht,</l>
          </lg><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0462] Da fehlt kein Möbelstück, kein Bild, kein Fach. ' Dieselbe Prachttapete schmückt den Raum, Dieselben Bilder zieren rings die Wände, Im Rahmen dort das Bildwerk ihrer Hände, Halb fertig erst, gestört vom Hochzcitstraum; Hier kunstgeschnitzt die Mahagonistelle, Modernstem Götzendienst ein Hausaltar, Noch stehn die Götzlein in altgothischer Zelle, Die Nococofigürchen, blank und niedlich, In Eintracht noch von Porzellan das Paar, Chines' und Gattin, nickend unermüdlich; Der Heimath Blumen dort in bunter Frische Entgegenduftend ihr vom Blumentische, Des Lieblingsdichters Liederbuch daneben, Ja Alles rings, wie in der Heimath eben, DaS Silberglöcklein auf dem Tisch sogar. „Ob hell sein Klang wie sonst auch?" frug der Zaar; Und prüfend schellt jetzt der Prinzessin Hand. Ausspringt die Thür, es stürzt herein die Schaar Der alten Diener aus dem Hessenland, Vom Marschall, der ihr dient' an Vaters Hofe, Bis zu dem Musterbild der deutschen Zofe, Auch Freund bellt wedelnd, durch die Menge dringend, Vor Lust empor an seiner Herrin springend. Da hat ein süßes Weh ihr Herz bezwungen, Und Thränen sprechen, wo gelähmt die Zungen." — Der Leser schwieg. Da sprach ein Gramgefährte: „Wie fand solch zart Gefühl und solche Härte, Die uns verdarb, in Einem Herzen Stätte? Mit Milde hat Zaar Nicolas, ich wette, Auch in die Schellen unsers Arms gelegt Die Wunderkraft, die jenes Glöcklein trägt; Laßt einmal proben uns den Klang der Kette!" — Sie rasseln mit den Fesseln — seltsam Läuten! Doch traun, eS wirkt. Aus dunkler Dämmrung schreiten Hervor der Heimath Bilder, wahr und licht,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/462
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/462>, abgerufen am 05.02.2025.