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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Bedürfniß zeitgemäßer Reorganisationen gemeinsam in allen Stän¬
den, wenn auch in verschiedenen Nuancen, gefühlt wird, wäre es
thöricht, diese Stände unter einander zu Hetzen und mit einander zu
veruneinigen. Wenn der österreichische Adel -- und darunter ist
natürlich blos der große, Grundbesitzende, und nicht der ganze wappen-
und prätensionreiche Heerhaufe von Stellenjägern zu verstehen --
die Zeit und seine Stellung zu ihr erkennte, so wäre ihm noch eine
weite und wirkungsreiche Zukunft in Oesterreich vorbehalten. Hier,
wo die Demokratie sich noch nicht ausgebildet hat, würde es ihm
leicht werden, ein friedlicher Führer der Nation auf ihren Entwicke¬
lungsgängen zu werden. Die ständischen Rechte, die er unverzeih¬
licher Weise durch so lange Zeit schlummern ließ, enthalten reiche
Elemente eines freieren Staatslebens. Wäre es ihm warm ums
Herz, wüßte er sich aus seinem Sybaritenthum aufzuraffen, hätte er
Nationalgefühl und Großsinnigkeit, um nicht engherzig seine Rechte
für sich allein auszubeuten, dann könnte er eine lebensmarme Puls¬
ader werden, welche Haupt und Glieder, Negierung und Volk bes¬
ser und gesünder vermittelt, als die Galvanistrungsmaschine der Bu¬
reaukratie. Doch Ständeleben, Provinzialfreiheit, Gemeindeselbststän-
digkeit, abgelöster Frohndienst, Aufhebung der Pcitrimoni.ilgerichts-
barkeit, Kanäle, Vicinalstraßen sind theils so langweilige, theils so
unerhörte Dingel Wer wird von solchen Gegenständen in einer
Wiener Gesellschaft sprechen? Diese aber ist's allein, der diese Zei¬
len gewidmet sind. Darum zurück zu dem Hauptthema -- das
nächste Mal!




Bedürfniß zeitgemäßer Reorganisationen gemeinsam in allen Stän¬
den, wenn auch in verschiedenen Nuancen, gefühlt wird, wäre es
thöricht, diese Stände unter einander zu Hetzen und mit einander zu
veruneinigen. Wenn der österreichische Adel — und darunter ist
natürlich blos der große, Grundbesitzende, und nicht der ganze wappen-
und prätensionreiche Heerhaufe von Stellenjägern zu verstehen —
die Zeit und seine Stellung zu ihr erkennte, so wäre ihm noch eine
weite und wirkungsreiche Zukunft in Oesterreich vorbehalten. Hier,
wo die Demokratie sich noch nicht ausgebildet hat, würde es ihm
leicht werden, ein friedlicher Führer der Nation auf ihren Entwicke¬
lungsgängen zu werden. Die ständischen Rechte, die er unverzeih¬
licher Weise durch so lange Zeit schlummern ließ, enthalten reiche
Elemente eines freieren Staatslebens. Wäre es ihm warm ums
Herz, wüßte er sich aus seinem Sybaritenthum aufzuraffen, hätte er
Nationalgefühl und Großsinnigkeit, um nicht engherzig seine Rechte
für sich allein auszubeuten, dann könnte er eine lebensmarme Puls¬
ader werden, welche Haupt und Glieder, Negierung und Volk bes¬
ser und gesünder vermittelt, als die Galvanistrungsmaschine der Bu¬
reaukratie. Doch Ständeleben, Provinzialfreiheit, Gemeindeselbststän-
digkeit, abgelöster Frohndienst, Aufhebung der Pcitrimoni.ilgerichts-
barkeit, Kanäle, Vicinalstraßen sind theils so langweilige, theils so
unerhörte Dingel Wer wird von solchen Gegenständen in einer
Wiener Gesellschaft sprechen? Diese aber ist's allein, der diese Zei¬
len gewidmet sind. Darum zurück zu dem Hauptthema — das
nächste Mal!




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[0442] Bedürfniß zeitgemäßer Reorganisationen gemeinsam in allen Stän¬ den, wenn auch in verschiedenen Nuancen, gefühlt wird, wäre es thöricht, diese Stände unter einander zu Hetzen und mit einander zu veruneinigen. Wenn der österreichische Adel — und darunter ist natürlich blos der große, Grundbesitzende, und nicht der ganze wappen- und prätensionreiche Heerhaufe von Stellenjägern zu verstehen — die Zeit und seine Stellung zu ihr erkennte, so wäre ihm noch eine weite und wirkungsreiche Zukunft in Oesterreich vorbehalten. Hier, wo die Demokratie sich noch nicht ausgebildet hat, würde es ihm leicht werden, ein friedlicher Führer der Nation auf ihren Entwicke¬ lungsgängen zu werden. Die ständischen Rechte, die er unverzeih¬ licher Weise durch so lange Zeit schlummern ließ, enthalten reiche Elemente eines freieren Staatslebens. Wäre es ihm warm ums Herz, wüßte er sich aus seinem Sybaritenthum aufzuraffen, hätte er Nationalgefühl und Großsinnigkeit, um nicht engherzig seine Rechte für sich allein auszubeuten, dann könnte er eine lebensmarme Puls¬ ader werden, welche Haupt und Glieder, Negierung und Volk bes¬ ser und gesünder vermittelt, als die Galvanistrungsmaschine der Bu¬ reaukratie. Doch Ständeleben, Provinzialfreiheit, Gemeindeselbststän- digkeit, abgelöster Frohndienst, Aufhebung der Pcitrimoni.ilgerichts- barkeit, Kanäle, Vicinalstraßen sind theils so langweilige, theils so unerhörte Dingel Wer wird von solchen Gegenständen in einer Wiener Gesellschaft sprechen? Diese aber ist's allein, der diese Zei¬ len gewidmet sind. Darum zurück zu dem Hauptthema — das nächste Mal!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/442>, abgerufen am 05.02.2025.