Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.gerstöchter nicht mehr als unebenbürtig zu betrachten, (aber Geld gerstöchter nicht mehr als unebenbürtig zu betrachten, (aber Geld <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0439" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271700"/> <p xml:id="ID_1218" prev="#ID_1217" next="#ID_1219"> gerstöchter nicht mehr als unebenbürtig zu betrachten, (aber Geld<lb/> muß sie haben! — heißt die lachende Bedingung). Darum ist auch<lb/> die Inquisition Spaniens, das heimliche Gericht des Mittelalters<lb/> und die Censur Oesterreichs noch mild zu nennen im Vergleiche zu<lb/> der Censur, zu der Inquisition und dem Gerichte, welche unsere zart-<lb/> gliedrige weibliche Hocharistokratie gegen die Eindringlinge der Bür¬<lb/> gerklassen ausübt. Die Frauen sind es, welche den Löwenbund<lb/> und die Ordensabstufungen der vielbesprochenen Ovmv und Ovmv<lb/> do lit crizme eingeführt haben, die Frauen sind es, welche den „Mes¬<lb/> alliancen" oft zu einem wahrhaft tragischen Ende verhelfen. Das<lb/> zeitungslesende Publicum wird sich noch der Katastrophe erinnern,<lb/> daß vor zwei Jahren ein junger Mann aus den ersten Familien<lb/> des Landes, Graf U....., der mit einer jungen Dame aus einem<lb/> achtbaren bürgerlichen Hause sich verlobte, kurz vor der Trauung<lb/> sich erschoß, weil ihm eine Verwandte die Hölle so heiß gemacht,<lb/> daß er den Schritt weder vor noch rückwärts zu setzen sich entschlie¬<lb/> ßen konnte. Der männliche Theil unseres höhern Adels ist im Grunde<lb/> weit weniger hochmüthig, als mancher ukermärkische Krautjunker und<lb/> westphälische Nohschinkenritter. Der Oesterreicher ist ein bon vin»in<lb/> (wenn mir's der Censor passiren ließe, würde ich sagen: ein guter<lb/> Kerl), auch wenn er eine Grafenkrone im Wappen hat. Nimmt<lb/> man einige Gecken aus> so ist der wiener „Cawlier" leicht zu be¬<lb/> handeln. Er trägt auch lieber einen Capntrock als einen Frack,<lb/> macht alle Volksschwänke gern mit, ist immer im dichtesten Haufen,<lb/> gesprächig, lustig und einfach. Populäre Figuren, wie der Graf Fer¬<lb/> dinand Palfy, wie der Graf S....., wie der Fürst Fr— sah.........,<lb/> sind vielleicht in keiner andern Stadt zu finden. Sei es Klugheit,<lb/> sei es Geselligkeitslust — man findet in unsern Beamten- und Ban-<lb/> quierssalons häufig Personen aus den ersten Adelskreisen. Personen<lb/> d. h. Männer! Die Damen der hohen Aristokratie würden sich lie¬<lb/> ber die kleinen Füßchen — oder auch die großen — abhauen lassen,<lb/> ehe sie sie über die Schwelle eines bürgerlichen Salons setzen wür¬<lb/> den. Wenn Convenienz oder Artigkeit gebieten, einen Banquier, ei¬<lb/> nen Beamten, einen Advocaten, Arzt oder Gelehrten ausnahmsweise<lb/> zu Tische oder zur Abendgesellschaft zu laden, dann ergeht die Ein¬<lb/> ladung stets nur an den Mann; die Frau mitzuladen, ist ein uner¬<lb/> hörter Fall! Welch' ironische Höttenflämmchen kann man oft über</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0439]
gerstöchter nicht mehr als unebenbürtig zu betrachten, (aber Geld
muß sie haben! — heißt die lachende Bedingung). Darum ist auch
die Inquisition Spaniens, das heimliche Gericht des Mittelalters
und die Censur Oesterreichs noch mild zu nennen im Vergleiche zu
der Censur, zu der Inquisition und dem Gerichte, welche unsere zart-
gliedrige weibliche Hocharistokratie gegen die Eindringlinge der Bür¬
gerklassen ausübt. Die Frauen sind es, welche den Löwenbund
und die Ordensabstufungen der vielbesprochenen Ovmv und Ovmv
do lit crizme eingeführt haben, die Frauen sind es, welche den „Mes¬
alliancen" oft zu einem wahrhaft tragischen Ende verhelfen. Das
zeitungslesende Publicum wird sich noch der Katastrophe erinnern,
daß vor zwei Jahren ein junger Mann aus den ersten Familien
des Landes, Graf U....., der mit einer jungen Dame aus einem
achtbaren bürgerlichen Hause sich verlobte, kurz vor der Trauung
sich erschoß, weil ihm eine Verwandte die Hölle so heiß gemacht,
daß er den Schritt weder vor noch rückwärts zu setzen sich entschlie¬
ßen konnte. Der männliche Theil unseres höhern Adels ist im Grunde
weit weniger hochmüthig, als mancher ukermärkische Krautjunker und
westphälische Nohschinkenritter. Der Oesterreicher ist ein bon vin»in
(wenn mir's der Censor passiren ließe, würde ich sagen: ein guter
Kerl), auch wenn er eine Grafenkrone im Wappen hat. Nimmt
man einige Gecken aus> so ist der wiener „Cawlier" leicht zu be¬
handeln. Er trägt auch lieber einen Capntrock als einen Frack,
macht alle Volksschwänke gern mit, ist immer im dichtesten Haufen,
gesprächig, lustig und einfach. Populäre Figuren, wie der Graf Fer¬
dinand Palfy, wie der Graf S....., wie der Fürst Fr— sah.........,
sind vielleicht in keiner andern Stadt zu finden. Sei es Klugheit,
sei es Geselligkeitslust — man findet in unsern Beamten- und Ban-
quierssalons häufig Personen aus den ersten Adelskreisen. Personen
d. h. Männer! Die Damen der hohen Aristokratie würden sich lie¬
ber die kleinen Füßchen — oder auch die großen — abhauen lassen,
ehe sie sie über die Schwelle eines bürgerlichen Salons setzen wür¬
den. Wenn Convenienz oder Artigkeit gebieten, einen Banquier, ei¬
nen Beamten, einen Advocaten, Arzt oder Gelehrten ausnahmsweise
zu Tische oder zur Abendgesellschaft zu laden, dann ergeht die Ein¬
ladung stets nur an den Mann; die Frau mitzuladen, ist ein uner¬
hörter Fall! Welch' ironische Höttenflämmchen kann man oft über
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