Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.kenntnisscs handelt, daß es, seiner Meinung nach, der Kirche nicht Aber an dem Haare jener innern Beziehung zu "dem Herrn und Grcnzliotcn, Isis. IV. 54
kenntnisscs handelt, daß es, seiner Meinung nach, der Kirche nicht Aber an dem Haare jener innern Beziehung zu „dem Herrn und Grcnzliotcn, Isis. IV. 54
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kenntnisscs handelt, daß es, seiner Meinung nach, der Kirche nicht
um einen sagbaren, ausgesprochenen, so und so formulirten Glauben,
sondern nur um eine allgemeine, „über unser Fühlen, Denken und
Wollen weit hinausliegende innere Beziehung der Einzelnen und der
Gesammtheit zu dem in der Menschheit offenbar gewordenen Gott" —
wie man sich auch immer die Details dieser Offenbarung denke und
deute — zu Christo, zu thun sei. Mit einer solchen innern Bezie¬
hung zu dem persönlich gedachten Christus zeigt sich nun Herr Heng¬
stenberg insoweit zufrieden, daß er diejenigen, welche noch wenigstens
an dem Bedürfniß einer solchen Beziehung festhalten, nicht aus der
sichtbaren Kirche zu verstoßen gemeint ist, wiewohl er sie zu den
wirklichen Mitgliedern der unsichtbaren und wahren Kirche nicht rech¬
nen kann. Er ist mit ihnen um den Glaubcnsinhalt zerfallen, weil
er findet, daß Jene mit dem formalen Princip der evangelischen Kirche,
dem unbedingten Glauben an die H. Schrift in hohem Grade zer¬
fallen sind, da sie z. B. „die Lehre vom Satan läugnen," und also
ihnen, „wenn sie in Stunden der Anfechtung sich an die Schrift an¬
klammern wollen, gleich beifallen müßte: aber wie konntest du dich
auf eine Lehrmeisterin verlassen, die in einem so wichtigen Puncte
unläugbar dem Wahnglauben dient?" und weil er ferner findet, daß
Jene ebensowenig im materiellen Prinzip, in der Glaubenssubstanz,
mit der evangelischen Kirche übereinstimmen, da sie z. B. den Un¬
terschied der drei Personen in der Gottheit leugnen, von einem Em¬
pfangen, Geboren von der Jungfrau, Niedergefahren zur Hölle u. f. w.
nichts wissen wollen, und den Glauben an den ewigen Schöpfer durch
den Glauben an die Ewigkeit der Welt alteriren. Er ist mit ihnen
so — streng genommen — um nicht weniger als Alles auseinander.
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Aber an dem Haare jener innern Beziehung zu „dem Herrn und
der Nothwendigkeit des „Glaubens an Ihn" glaubt er sie noch hal¬
ten und, will's Gott, in die wahre Glaubenskirche hineinziehen zu
können. Wenigstens gehören sie doch nicht zu Denen, die mit der
H. Schrift erklärtermaßen gebrochen und an die Stelle des Lichtes der
Offenbarung das Licht der Vernunft, an die Stelle des heiligen Gei¬
stes den „zu immer höherer Veredlung fortschreitenden Menschengeist"
gesetzt haben. Das Mittel, dessen sich Herr Hengstenberg bedient,
um sie zu gewinnen, ist nun nicht, daß er ihnen schmeichelt und ih¬
nen sagt: ihr gehört eigentlich uns an, erkennt es nur. Nein er
macht sie gewaltig schlecht: ihr seid im Grunde Heiden, sagt er ih.
nen, aber nicht von jener Art, die von Zeus und Apollo und allen
Göttern Griechenlands angelächelt, ihr geniales glänzendes Lasterleben
der Welt zu noch immer leider nicht ertödteter Bewunderung führten,
sondern recht erbärmliche Gesellen: keine bedeutende Persönlichkeit
habt ihr unter euch aufzuweisen, und wenn ja einmal Einer un¬
ter euch war, der noch bis Fünfe zählen Konnte, s° ist er alsbald
Grcnzliotcn, Isis. IV. 54
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