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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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falls vertriebenen Fürsten Michael, einrichten laßt. Das öffentliche
Erscheinen des Erfürsten von Serbien im Theater und an anderen
Orten erregt immer Aussehen, indem er sich noch nicht von den ost¬
europaischen Sitten seines Landes entfernt hat und von seiner Umge¬
bung stets die tiefste Unterwürfigkeit auch bei solchen Gelegenheiten
verlangt, wo sonst jedes auffallende Ceremoniell vermieden zu werden
pflegt. --

Die Vermählung des Erbprinzen von Lucca, mit Mademoiselle
von Nosey hat am 10. Nov. auf dem Schlosse Frohsdorf Statt ge¬
funden; wozu sich mit Ausnahme Sr. Majestät des Kaisers, alle hier
anwesenden Mitglieder des Hofes auf der Eisenbahn eingesunken ha¬
ben. Die Erbprinzessin hat dem Präfecten der Stadt Paris für jedes
Arrondissement die Summe von Franken zustellen lassen zur
Vertheilung unter die Armen. Nun die Schwester des Herzogs von
Bordeaux verheirathet ist, wirft sich die müßig gewordene Conzectural-
politik mit ausschließlicher Vorliebe auf die Person des Herzogs selbst,
dessen Chancen aber im Laufe der Zeit keineswegs gewonnen zu ha¬
ben scheinen, indem selbst Rußland anfangt gegen die Opfer der knits
irccoms"!!" kühl zu werden, wie aus dem Benehmen des Kaisers gegen
Don Carlos und Don Miguel hervorgeht.

Für den in der Mitte Decembers erwarteten Besuch des Czaren
werden hier bereits großartige Vorbereitungen getroffen, und da man
die Vorliebe des russischen Monarchen für militairisches Schaugepränge
kennt, so sollen zu mehr glänzender Entfaltung der hier garnisoniren-
den Truppen auch noch fünf in der Nahe stationirende Bataillons
herbeigezogen werden, und es geht die Rede, als werde an den Revue¬
tagen der Wachdienst in der Stadt vom Bürgermilitair versehen wer¬
den. Der Aufenthalt des Selbstherrschers aller Reussen soll indeß nur
kurz ausfallen. Alle Erwartungen sind auf den Ausgang des Hei-
rathsprojectes zwischen dem Erzherzog Stephan und der Großfürstin
Olga gerichtet, auf welches man am russischen Hose ein ganz beson¬
deres Gewicht legen muß, da man, ein unerhörtes Beispiel, sogar
bereit ist, ein Gesetz des Reiches zu umgehen und in einem religiösen
Conflikte nachzugeben.

0r. Böhmer aus Frankfurt der die Geschichtsquellen der Deut¬
schen herausgibt, und hier einige Zeit verweilte, hat sich nach Crain
und Carnthen gewendet, wo er nach dem hier erhaltenen Wirken, ein
reichhaltiges Feld für seine Forschungen zu finden hofft. Die Archive,
Bibliotheken und Klöster in Oesterreich beherbergen in der That einen
solchen Schatz von alten Handschriften, daß der gelehrte Forscher da
noch eine sehr ergiebige Ernte halten kann. -- Aus dem reichen
Schacht dieser Fundgruben beabsichtigt der Staatsarchivar von Chmel,
in einzelnen Heften die interessantesten Fundstücke herauszugeben, und
es wird lediglich von dem Grad der Theilnahme abhängen, welche


falls vertriebenen Fürsten Michael, einrichten laßt. Das öffentliche
Erscheinen des Erfürsten von Serbien im Theater und an anderen
Orten erregt immer Aussehen, indem er sich noch nicht von den ost¬
europaischen Sitten seines Landes entfernt hat und von seiner Umge¬
bung stets die tiefste Unterwürfigkeit auch bei solchen Gelegenheiten
verlangt, wo sonst jedes auffallende Ceremoniell vermieden zu werden
pflegt. —

Die Vermählung des Erbprinzen von Lucca, mit Mademoiselle
von Nosey hat am 10. Nov. auf dem Schlosse Frohsdorf Statt ge¬
funden; wozu sich mit Ausnahme Sr. Majestät des Kaisers, alle hier
anwesenden Mitglieder des Hofes auf der Eisenbahn eingesunken ha¬
ben. Die Erbprinzessin hat dem Präfecten der Stadt Paris für jedes
Arrondissement die Summe von Franken zustellen lassen zur
Vertheilung unter die Armen. Nun die Schwester des Herzogs von
Bordeaux verheirathet ist, wirft sich die müßig gewordene Conzectural-
politik mit ausschließlicher Vorliebe auf die Person des Herzogs selbst,
dessen Chancen aber im Laufe der Zeit keineswegs gewonnen zu ha¬
ben scheinen, indem selbst Rußland anfangt gegen die Opfer der knits
irccoms»!!« kühl zu werden, wie aus dem Benehmen des Kaisers gegen
Don Carlos und Don Miguel hervorgeht.

Für den in der Mitte Decembers erwarteten Besuch des Czaren
werden hier bereits großartige Vorbereitungen getroffen, und da man
die Vorliebe des russischen Monarchen für militairisches Schaugepränge
kennt, so sollen zu mehr glänzender Entfaltung der hier garnisoniren-
den Truppen auch noch fünf in der Nahe stationirende Bataillons
herbeigezogen werden, und es geht die Rede, als werde an den Revue¬
tagen der Wachdienst in der Stadt vom Bürgermilitair versehen wer¬
den. Der Aufenthalt des Selbstherrschers aller Reussen soll indeß nur
kurz ausfallen. Alle Erwartungen sind auf den Ausgang des Hei-
rathsprojectes zwischen dem Erzherzog Stephan und der Großfürstin
Olga gerichtet, auf welches man am russischen Hose ein ganz beson¬
deres Gewicht legen muß, da man, ein unerhörtes Beispiel, sogar
bereit ist, ein Gesetz des Reiches zu umgehen und in einem religiösen
Conflikte nachzugeben.

0r. Böhmer aus Frankfurt der die Geschichtsquellen der Deut¬
schen herausgibt, und hier einige Zeit verweilte, hat sich nach Crain
und Carnthen gewendet, wo er nach dem hier erhaltenen Wirken, ein
reichhaltiges Feld für seine Forschungen zu finden hofft. Die Archive,
Bibliotheken und Klöster in Oesterreich beherbergen in der That einen
solchen Schatz von alten Handschriften, daß der gelehrte Forscher da
noch eine sehr ergiebige Ernte halten kann. — Aus dem reichen
Schacht dieser Fundgruben beabsichtigt der Staatsarchivar von Chmel,
in einzelnen Heften die interessantesten Fundstücke herauszugeben, und
es wird lediglich von dem Grad der Theilnahme abhängen, welche


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[0419] falls vertriebenen Fürsten Michael, einrichten laßt. Das öffentliche Erscheinen des Erfürsten von Serbien im Theater und an anderen Orten erregt immer Aussehen, indem er sich noch nicht von den ost¬ europaischen Sitten seines Landes entfernt hat und von seiner Umge¬ bung stets die tiefste Unterwürfigkeit auch bei solchen Gelegenheiten verlangt, wo sonst jedes auffallende Ceremoniell vermieden zu werden pflegt. — Die Vermählung des Erbprinzen von Lucca, mit Mademoiselle von Nosey hat am 10. Nov. auf dem Schlosse Frohsdorf Statt ge¬ funden; wozu sich mit Ausnahme Sr. Majestät des Kaisers, alle hier anwesenden Mitglieder des Hofes auf der Eisenbahn eingesunken ha¬ ben. Die Erbprinzessin hat dem Präfecten der Stadt Paris für jedes Arrondissement die Summe von Franken zustellen lassen zur Vertheilung unter die Armen. Nun die Schwester des Herzogs von Bordeaux verheirathet ist, wirft sich die müßig gewordene Conzectural- politik mit ausschließlicher Vorliebe auf die Person des Herzogs selbst, dessen Chancen aber im Laufe der Zeit keineswegs gewonnen zu ha¬ ben scheinen, indem selbst Rußland anfangt gegen die Opfer der knits irccoms»!!« kühl zu werden, wie aus dem Benehmen des Kaisers gegen Don Carlos und Don Miguel hervorgeht. Für den in der Mitte Decembers erwarteten Besuch des Czaren werden hier bereits großartige Vorbereitungen getroffen, und da man die Vorliebe des russischen Monarchen für militairisches Schaugepränge kennt, so sollen zu mehr glänzender Entfaltung der hier garnisoniren- den Truppen auch noch fünf in der Nahe stationirende Bataillons herbeigezogen werden, und es geht die Rede, als werde an den Revue¬ tagen der Wachdienst in der Stadt vom Bürgermilitair versehen wer¬ den. Der Aufenthalt des Selbstherrschers aller Reussen soll indeß nur kurz ausfallen. Alle Erwartungen sind auf den Ausgang des Hei- rathsprojectes zwischen dem Erzherzog Stephan und der Großfürstin Olga gerichtet, auf welches man am russischen Hose ein ganz beson¬ deres Gewicht legen muß, da man, ein unerhörtes Beispiel, sogar bereit ist, ein Gesetz des Reiches zu umgehen und in einem religiösen Conflikte nachzugeben. 0r. Böhmer aus Frankfurt der die Geschichtsquellen der Deut¬ schen herausgibt, und hier einige Zeit verweilte, hat sich nach Crain und Carnthen gewendet, wo er nach dem hier erhaltenen Wirken, ein reichhaltiges Feld für seine Forschungen zu finden hofft. Die Archive, Bibliotheken und Klöster in Oesterreich beherbergen in der That einen solchen Schatz von alten Handschriften, daß der gelehrte Forscher da noch eine sehr ergiebige Ernte halten kann. — Aus dem reichen Schacht dieser Fundgruben beabsichtigt der Staatsarchivar von Chmel, in einzelnen Heften die interessantesten Fundstücke herauszugeben, und es wird lediglich von dem Grad der Theilnahme abhängen, welche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/419>, abgerufen am 05.02.2025.