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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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dan nicht unbekannt war, daß zwischen der Bundesversammlung und
der Churfürst!. Staatsregierung bereits im Jahre 1812 auf ihn be¬
zügliche Verhandlungen gepflogen worden waren, so hatte er gute
Gründe, zu besorgen, daß die genannten beiden Bevollmächtigten der
Staatsregierung das Ergebniß jener Verhandlungen dem damaligen
Prorector Löbell und Vicekanzler Robert confidenciell mittheilen und
dadurch den academischen Senat bestimmen möchten, bei der bevor¬
stehenden Dcputirtenwahl von Jordan ganz zu abstrahiren. Dadurch
wäre ihm aber die Möglichkeit, den versprochenen Verzicht zu leisten,
für immer entzogen worden, und mit diesem sein Anspruch auf die
Erfüllung der für den Fall der Verzichtleistung ihm gemachten Zu-
sicherungen verloren gegangen. Jordans Vorsatz war es daher, in
Marburg noch vor der Wahl eines Universitätsdeputirten zu erschei¬
nen und förmlich darauf anzutragen, daß man ihn nicht wieder wäh¬
len möge, indem er die Wahl, wenn sie auf ihn fiele, jedenfalls ab¬
lehnen würde.

Er machte zuerst eine Reise nach Hörter, die er nicht verschie¬
ben konnte, traf aber noch zur Zeit in Marburg ein und leistete den
Verzicht. Er fühlte sich glücklich, daß er wieder seinem academischen
Berufe, den wissenschaftlichen Studien und dem ruhigen Familienle¬
ben sich hingeben, und zugleich auf die Verbesserung seiner finan¬
ziellen Verhältnisse sicher hoffen konnte, da er nicht im Geringsten
zweifelte, daß die Staatsregierung nun auch ihrerseits das ihn" ge¬
thane Versprechen erfüllen werde. Noch einmal wurde von Seiten
des Volks ein Versuch gemacht, Jordan wieder auf den Landtag
zu bringen. Die Bauern des Marburger Wahldistrictes wählten
ihn zu ihrem Deputirten. "Ich nahm die Wahl an," schreibt er an
Wigand den 15. Oct., "um den Leuten zu zeigen, daß ich stets be¬
reit bin, für das Vaterland zu wirken, insoweit es von mir ab¬
hängt, machte jedoch die Bedingung, daß, wenn ich die Genehmi¬
gung des Ministeriums, die ich in diesem Falle nöthig habe, nicht
erhalten sollte, die Annahme als nicht geschehen anzusehen sei, indem
ich über die Gründe der verweigerten Genehmigung die Entscheidung
der Ständeversammlung nicht abwarten wolle. Dadurch verhindere
ich den Groll der Regierung, welche sieht, daß ich mich schon bei
ihrer Verweigerung der Genehmigung beruhigen werde. Die Ge¬
nehmigung der Wahl für den Marburger Landdistrict wurde natur-


dan nicht unbekannt war, daß zwischen der Bundesversammlung und
der Churfürst!. Staatsregierung bereits im Jahre 1812 auf ihn be¬
zügliche Verhandlungen gepflogen worden waren, so hatte er gute
Gründe, zu besorgen, daß die genannten beiden Bevollmächtigten der
Staatsregierung das Ergebniß jener Verhandlungen dem damaligen
Prorector Löbell und Vicekanzler Robert confidenciell mittheilen und
dadurch den academischen Senat bestimmen möchten, bei der bevor¬
stehenden Dcputirtenwahl von Jordan ganz zu abstrahiren. Dadurch
wäre ihm aber die Möglichkeit, den versprochenen Verzicht zu leisten,
für immer entzogen worden, und mit diesem sein Anspruch auf die
Erfüllung der für den Fall der Verzichtleistung ihm gemachten Zu-
sicherungen verloren gegangen. Jordans Vorsatz war es daher, in
Marburg noch vor der Wahl eines Universitätsdeputirten zu erschei¬
nen und förmlich darauf anzutragen, daß man ihn nicht wieder wäh¬
len möge, indem er die Wahl, wenn sie auf ihn fiele, jedenfalls ab¬
lehnen würde.

Er machte zuerst eine Reise nach Hörter, die er nicht verschie¬
ben konnte, traf aber noch zur Zeit in Marburg ein und leistete den
Verzicht. Er fühlte sich glücklich, daß er wieder seinem academischen
Berufe, den wissenschaftlichen Studien und dem ruhigen Familienle¬
ben sich hingeben, und zugleich auf die Verbesserung seiner finan¬
ziellen Verhältnisse sicher hoffen konnte, da er nicht im Geringsten
zweifelte, daß die Staatsregierung nun auch ihrerseits das ihn« ge¬
thane Versprechen erfüllen werde. Noch einmal wurde von Seiten
des Volks ein Versuch gemacht, Jordan wieder auf den Landtag
zu bringen. Die Bauern des Marburger Wahldistrictes wählten
ihn zu ihrem Deputirten. „Ich nahm die Wahl an," schreibt er an
Wigand den 15. Oct., „um den Leuten zu zeigen, daß ich stets be¬
reit bin, für das Vaterland zu wirken, insoweit es von mir ab¬
hängt, machte jedoch die Bedingung, daß, wenn ich die Genehmi¬
gung des Ministeriums, die ich in diesem Falle nöthig habe, nicht
erhalten sollte, die Annahme als nicht geschehen anzusehen sei, indem
ich über die Gründe der verweigerten Genehmigung die Entscheidung
der Ständeversammlung nicht abwarten wolle. Dadurch verhindere
ich den Groll der Regierung, welche sieht, daß ich mich schon bei
ihrer Verweigerung der Genehmigung beruhigen werde. Die Ge¬
nehmigung der Wahl für den Marburger Landdistrict wurde natur-


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[0410] dan nicht unbekannt war, daß zwischen der Bundesversammlung und der Churfürst!. Staatsregierung bereits im Jahre 1812 auf ihn be¬ zügliche Verhandlungen gepflogen worden waren, so hatte er gute Gründe, zu besorgen, daß die genannten beiden Bevollmächtigten der Staatsregierung das Ergebniß jener Verhandlungen dem damaligen Prorector Löbell und Vicekanzler Robert confidenciell mittheilen und dadurch den academischen Senat bestimmen möchten, bei der bevor¬ stehenden Dcputirtenwahl von Jordan ganz zu abstrahiren. Dadurch wäre ihm aber die Möglichkeit, den versprochenen Verzicht zu leisten, für immer entzogen worden, und mit diesem sein Anspruch auf die Erfüllung der für den Fall der Verzichtleistung ihm gemachten Zu- sicherungen verloren gegangen. Jordans Vorsatz war es daher, in Marburg noch vor der Wahl eines Universitätsdeputirten zu erschei¬ nen und förmlich darauf anzutragen, daß man ihn nicht wieder wäh¬ len möge, indem er die Wahl, wenn sie auf ihn fiele, jedenfalls ab¬ lehnen würde. Er machte zuerst eine Reise nach Hörter, die er nicht verschie¬ ben konnte, traf aber noch zur Zeit in Marburg ein und leistete den Verzicht. Er fühlte sich glücklich, daß er wieder seinem academischen Berufe, den wissenschaftlichen Studien und dem ruhigen Familienle¬ ben sich hingeben, und zugleich auf die Verbesserung seiner finan¬ ziellen Verhältnisse sicher hoffen konnte, da er nicht im Geringsten zweifelte, daß die Staatsregierung nun auch ihrerseits das ihn« ge¬ thane Versprechen erfüllen werde. Noch einmal wurde von Seiten des Volks ein Versuch gemacht, Jordan wieder auf den Landtag zu bringen. Die Bauern des Marburger Wahldistrictes wählten ihn zu ihrem Deputirten. „Ich nahm die Wahl an," schreibt er an Wigand den 15. Oct., „um den Leuten zu zeigen, daß ich stets be¬ reit bin, für das Vaterland zu wirken, insoweit es von mir ab¬ hängt, machte jedoch die Bedingung, daß, wenn ich die Genehmi¬ gung des Ministeriums, die ich in diesem Falle nöthig habe, nicht erhalten sollte, die Annahme als nicht geschehen anzusehen sei, indem ich über die Gründe der verweigerten Genehmigung die Entscheidung der Ständeversammlung nicht abwarten wolle. Dadurch verhindere ich den Groll der Regierung, welche sieht, daß ich mich schon bei ihrer Verweigerung der Genehmigung beruhigen werde. Die Ge¬ nehmigung der Wahl für den Marburger Landdistrict wurde natur-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/410>, abgerufen am 05.02.2025.