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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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bereits dazu habe, sind zwar an und für sich schön und gelungen,
aber sie regen mich nicht musikalisch an; Du kennst genau meine
geistigen Interessen; mach' mir die Worte zu einer Composition aus
diesem heraus, in diese hinein; es gilt dem Kultus des Genius."

Ich sagte zu und mit dem Versprechen schieden wir; ich ging
in das stille Jena, wo man viel Muße hat, über den Kultus des
Genius nachzudenken, zurück, er auf Umwegen nach Paris. Dorthin
sandte ich ihm im April des vorigen Jahres, was an einem Abende,
wo ich mich besonders dazu gestimmt fühlte, entstanden war; zwei¬
felnd, daß es seinen Anforderungen entsprechen werde. -- Er ant¬
wortete nicht darauf, sondern ließ nur später nur durch einen gemein¬
schaftlichen Freund mit herzlichem Gruß sagen, daß er es empfangen.
Bald darauf ging er nach Spanien, seinen alten Siegeszug in neue
Länder tragend und ich dachte nicht weiter daran. Nicht wenig über¬
rascht war ich daher, im Juni dieses Jahres durch die Zeitung zu
erfahren, daß er meine Cantate componirt habe und sie in Bonn
zum Feste vorbereitet werde. Gleich nachher kam ein Brief von ihm,
der mich warm aufforderte zu kommen; dann eine officielle Einladung
deS Comitö, der ich etwas vor den bestimmten drei Festtagen, Folge
leistete. --


^

Bonn am 6. August. "Falsch Gebild und Wort Aenten
Sinn und Ort, Seid hier und dort" heißt es im Faust, und fast
möchte ich glauben, daß irgend ein Mephisto solche Zauberformel,
jedoch in gutem Sinne über mich ausgesprochen; denn ein freund¬
liches Geschick führte mir schon in Weimar drei eben so angenehme,
als behagliche Reisegefährten zu und die Zeit verging uns so schnell,
daß wir wie aus einem Traume zu erwachen glaubten, als wir in
Frankfurt anlangten. Heftige Gewitter, die sich überhaupt diesen
Sommer emancipirt zu haben scheinen, indem sie wie junge vornehme
Engländer, gleich bei ihrem ersten Ausflüge die große Tour durch
ganz Europa machen, hatten die Luft abgekühlt, und diese fing eben
an ihre Elasticität wieder zu gewinnen, so daß man weder von Staub,
noch von Hitze belästigt, sie mit Vergnügen einathmete und nament¬
lich die rasche Fahrt über die laubreichen Anhöhen der Ausläufer des
Thüringer Waldes und der Rhön, sehr anmuthig wurde. Freund¬
liche hessische Bauermädchen brachten uns Himbeeren in sauber ge-


bereits dazu habe, sind zwar an und für sich schön und gelungen,
aber sie regen mich nicht musikalisch an; Du kennst genau meine
geistigen Interessen; mach' mir die Worte zu einer Composition aus
diesem heraus, in diese hinein; es gilt dem Kultus des Genius."

Ich sagte zu und mit dem Versprechen schieden wir; ich ging
in das stille Jena, wo man viel Muße hat, über den Kultus des
Genius nachzudenken, zurück, er auf Umwegen nach Paris. Dorthin
sandte ich ihm im April des vorigen Jahres, was an einem Abende,
wo ich mich besonders dazu gestimmt fühlte, entstanden war; zwei¬
felnd, daß es seinen Anforderungen entsprechen werde. — Er ant¬
wortete nicht darauf, sondern ließ nur später nur durch einen gemein¬
schaftlichen Freund mit herzlichem Gruß sagen, daß er es empfangen.
Bald darauf ging er nach Spanien, seinen alten Siegeszug in neue
Länder tragend und ich dachte nicht weiter daran. Nicht wenig über¬
rascht war ich daher, im Juni dieses Jahres durch die Zeitung zu
erfahren, daß er meine Cantate componirt habe und sie in Bonn
zum Feste vorbereitet werde. Gleich nachher kam ein Brief von ihm,
der mich warm aufforderte zu kommen; dann eine officielle Einladung
deS Comitö, der ich etwas vor den bestimmten drei Festtagen, Folge
leistete. —


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Bonn am 6. August. „Falsch Gebild und Wort Aenten
Sinn und Ort, Seid hier und dort" heißt es im Faust, und fast
möchte ich glauben, daß irgend ein Mephisto solche Zauberformel,
jedoch in gutem Sinne über mich ausgesprochen; denn ein freund¬
liches Geschick führte mir schon in Weimar drei eben so angenehme,
als behagliche Reisegefährten zu und die Zeit verging uns so schnell,
daß wir wie aus einem Traume zu erwachen glaubten, als wir in
Frankfurt anlangten. Heftige Gewitter, die sich überhaupt diesen
Sommer emancipirt zu haben scheinen, indem sie wie junge vornehme
Engländer, gleich bei ihrem ersten Ausflüge die große Tour durch
ganz Europa machen, hatten die Luft abgekühlt, und diese fing eben
an ihre Elasticität wieder zu gewinnen, so daß man weder von Staub,
noch von Hitze belästigt, sie mit Vergnügen einathmete und nament¬
lich die rasche Fahrt über die laubreichen Anhöhen der Ausläufer des
Thüringer Waldes und der Rhön, sehr anmuthig wurde. Freund¬
liche hessische Bauermädchen brachten uns Himbeeren in sauber ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/40>, abgerufen am 05.02.2025.