Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Wohlwollen der ausländischen Berichterstatter in den französischen und
englischen Journalen bewundert, und wenn Einer derselben seinen
Artikel mit den Worten anhub: "Wo Ksx-in in errnr ""<! we eiuli-et
in skitmo," so ist selbst er noch weiser Mäßigung wegen anzuerken¬
nen. Denn eS hat wohl Keinen unter den Besuchenden gegeben,
der nicht auf irgend eine Weise während der vier Festtage persönlich
gekränkt und in seinen zartesten Empfindungen verletzt worden wäre.

Fragen Sie, woran das liegt, so weiß ich Ihnen nur einen
Grund anzugeben, aber einen gewichtigen: die Menge war nicht von
der Idee des Festes durchdrungen. Bonn und die naheliegenden Städte
und Ortschaften, die eben diese Menge entsandten, sind da nicht allein
anzuklagen; eine ähnliche Klage, wenn auch die einzelnen Vorkomm¬
nisse nicht so grellen Anlaß gaben, hörte man auch von Frankfurt
aus bei der Einweihung des Göthe'schen Monuments. Theilnahm-
losigkeit und Lust an Störung offenbarte sich auch hier. Wir Deut¬
schen ehren unsere großen Geister nicht, wir haben kein National¬
gefühl, das sich beglückt und erhoben weiß, wenn man sie ehrt; ge¬
rade da, wo es gilt, gemeinsam deutsch zu sein, sind wir gar nicht
deutsch, sind wir wie Leute, die nur zur Miethe wohnen und sich
ärgern, wenn der Nachbar irgend einen Schmuck für sein Haus
bekommt, den wir nicht haben; da kommen wir nicht um Theil zu
nehmen an dem Feste, das er deswegen anstellt, und uns mit ihm
zu freuen, sondern um ihn zu bekritteln, ihm unsere vermeintliche
Superiorität fühlbar zu machen, um ihm wo möglich den Genuß zu
stören; ja wir glauben zu diesen Dingen sogar das Recht zu haben,
wenn wir unsere Gegenwart mit unserem Gelde erkaufen müssen,
und vergessen ganz die schöne Idee, die die Veranlassung gab, sehen
in unserer Kleinlichkeit nur uns und pochen sogar auf unser Recht,
als wenn das Fest nicht einer andern, größern Idee willen, sondern
rein nur unsertwegen gegeben würde.

So ist es bei uns Deutschen, so wird es noch lange bleiben,
denn wir haben, so viel wir auch reden und singen, noch wenig Natio¬
nalgefühl; wir haben nur eben die ersten Anfänge dazu, die sich aber
in den engsten Kreisen beschränkt finden, und die aufzufinden man
die Blicke weit eher nach unten als nach oben wenden muß. So
hat sich z. B. auch hier der eigentliche Bonner Bürgerstand am


Wohlwollen der ausländischen Berichterstatter in den französischen und
englischen Journalen bewundert, und wenn Einer derselben seinen
Artikel mit den Worten anhub: „Wo Ksx-in in errnr »»<! we eiuli-et
in skitmo," so ist selbst er noch weiser Mäßigung wegen anzuerken¬
nen. Denn eS hat wohl Keinen unter den Besuchenden gegeben,
der nicht auf irgend eine Weise während der vier Festtage persönlich
gekränkt und in seinen zartesten Empfindungen verletzt worden wäre.

Fragen Sie, woran das liegt, so weiß ich Ihnen nur einen
Grund anzugeben, aber einen gewichtigen: die Menge war nicht von
der Idee des Festes durchdrungen. Bonn und die naheliegenden Städte
und Ortschaften, die eben diese Menge entsandten, sind da nicht allein
anzuklagen; eine ähnliche Klage, wenn auch die einzelnen Vorkomm¬
nisse nicht so grellen Anlaß gaben, hörte man auch von Frankfurt
aus bei der Einweihung des Göthe'schen Monuments. Theilnahm-
losigkeit und Lust an Störung offenbarte sich auch hier. Wir Deut¬
schen ehren unsere großen Geister nicht, wir haben kein National¬
gefühl, das sich beglückt und erhoben weiß, wenn man sie ehrt; ge¬
rade da, wo es gilt, gemeinsam deutsch zu sein, sind wir gar nicht
deutsch, sind wir wie Leute, die nur zur Miethe wohnen und sich
ärgern, wenn der Nachbar irgend einen Schmuck für sein Haus
bekommt, den wir nicht haben; da kommen wir nicht um Theil zu
nehmen an dem Feste, das er deswegen anstellt, und uns mit ihm
zu freuen, sondern um ihn zu bekritteln, ihm unsere vermeintliche
Superiorität fühlbar zu machen, um ihm wo möglich den Genuß zu
stören; ja wir glauben zu diesen Dingen sogar das Recht zu haben,
wenn wir unsere Gegenwart mit unserem Gelde erkaufen müssen,
und vergessen ganz die schöne Idee, die die Veranlassung gab, sehen
in unserer Kleinlichkeit nur uns und pochen sogar auf unser Recht,
als wenn das Fest nicht einer andern, größern Idee willen, sondern
rein nur unsertwegen gegeben würde.

So ist es bei uns Deutschen, so wird es noch lange bleiben,
denn wir haben, so viel wir auch reden und singen, noch wenig Natio¬
nalgefühl; wir haben nur eben die ersten Anfänge dazu, die sich aber
in den engsten Kreisen beschränkt finden, und die aufzufinden man
die Blicke weit eher nach unten als nach oben wenden muß. So
hat sich z. B. auch hier der eigentliche Bonner Bürgerstand am


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0037" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271298"/>
            <p xml:id="ID_89" prev="#ID_88"> Wohlwollen der ausländischen Berichterstatter in den französischen und<lb/>
englischen Journalen bewundert, und wenn Einer derselben seinen<lb/>
Artikel mit den Worten anhub: &#x201E;Wo Ksx-in in errnr »»&lt;! we eiuli-et<lb/>
in skitmo," so ist selbst er noch weiser Mäßigung wegen anzuerken¬<lb/>
nen. Denn eS hat wohl Keinen unter den Besuchenden gegeben,<lb/>
der nicht auf irgend eine Weise während der vier Festtage persönlich<lb/>
gekränkt und in seinen zartesten Empfindungen verletzt worden wäre.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_90"> Fragen Sie, woran das liegt, so weiß ich Ihnen nur einen<lb/>
Grund anzugeben, aber einen gewichtigen: die Menge war nicht von<lb/>
der Idee des Festes durchdrungen. Bonn und die naheliegenden Städte<lb/>
und Ortschaften, die eben diese Menge entsandten, sind da nicht allein<lb/>
anzuklagen; eine ähnliche Klage, wenn auch die einzelnen Vorkomm¬<lb/>
nisse nicht so grellen Anlaß gaben, hörte man auch von Frankfurt<lb/>
aus bei der Einweihung des Göthe'schen Monuments. Theilnahm-<lb/>
losigkeit und Lust an Störung offenbarte sich auch hier. Wir Deut¬<lb/>
schen ehren unsere großen Geister nicht, wir haben kein National¬<lb/>
gefühl, das sich beglückt und erhoben weiß, wenn man sie ehrt; ge¬<lb/>
rade da, wo es gilt, gemeinsam deutsch zu sein, sind wir gar nicht<lb/>
deutsch, sind wir wie Leute, die nur zur Miethe wohnen und sich<lb/>
ärgern, wenn der Nachbar irgend einen Schmuck für sein Haus<lb/>
bekommt, den wir nicht haben; da kommen wir nicht um Theil zu<lb/>
nehmen an dem Feste, das er deswegen anstellt, und uns mit ihm<lb/>
zu freuen, sondern um ihn zu bekritteln, ihm unsere vermeintliche<lb/>
Superiorität fühlbar zu machen, um ihm wo möglich den Genuß zu<lb/>
stören; ja wir glauben zu diesen Dingen sogar das Recht zu haben,<lb/>
wenn wir unsere Gegenwart mit unserem Gelde erkaufen müssen,<lb/>
und vergessen ganz die schöne Idee, die die Veranlassung gab, sehen<lb/>
in unserer Kleinlichkeit nur uns und pochen sogar auf unser Recht,<lb/>
als wenn das Fest nicht einer andern, größern Idee willen, sondern<lb/>
rein nur unsertwegen gegeben würde.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_91" next="#ID_92"> So ist es bei uns Deutschen, so wird es noch lange bleiben,<lb/>
denn wir haben, so viel wir auch reden und singen, noch wenig Natio¬<lb/>
nalgefühl; wir haben nur eben die ersten Anfänge dazu, die sich aber<lb/>
in den engsten Kreisen beschränkt finden, und die aufzufinden man<lb/>
die Blicke weit eher nach unten als nach oben wenden muß. So<lb/>
hat sich z. B. auch hier der eigentliche Bonner Bürgerstand am</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0037] Wohlwollen der ausländischen Berichterstatter in den französischen und englischen Journalen bewundert, und wenn Einer derselben seinen Artikel mit den Worten anhub: „Wo Ksx-in in errnr »»<! we eiuli-et in skitmo," so ist selbst er noch weiser Mäßigung wegen anzuerken¬ nen. Denn eS hat wohl Keinen unter den Besuchenden gegeben, der nicht auf irgend eine Weise während der vier Festtage persönlich gekränkt und in seinen zartesten Empfindungen verletzt worden wäre. Fragen Sie, woran das liegt, so weiß ich Ihnen nur einen Grund anzugeben, aber einen gewichtigen: die Menge war nicht von der Idee des Festes durchdrungen. Bonn und die naheliegenden Städte und Ortschaften, die eben diese Menge entsandten, sind da nicht allein anzuklagen; eine ähnliche Klage, wenn auch die einzelnen Vorkomm¬ nisse nicht so grellen Anlaß gaben, hörte man auch von Frankfurt aus bei der Einweihung des Göthe'schen Monuments. Theilnahm- losigkeit und Lust an Störung offenbarte sich auch hier. Wir Deut¬ schen ehren unsere großen Geister nicht, wir haben kein National¬ gefühl, das sich beglückt und erhoben weiß, wenn man sie ehrt; ge¬ rade da, wo es gilt, gemeinsam deutsch zu sein, sind wir gar nicht deutsch, sind wir wie Leute, die nur zur Miethe wohnen und sich ärgern, wenn der Nachbar irgend einen Schmuck für sein Haus bekommt, den wir nicht haben; da kommen wir nicht um Theil zu nehmen an dem Feste, das er deswegen anstellt, und uns mit ihm zu freuen, sondern um ihn zu bekritteln, ihm unsere vermeintliche Superiorität fühlbar zu machen, um ihm wo möglich den Genuß zu stören; ja wir glauben zu diesen Dingen sogar das Recht zu haben, wenn wir unsere Gegenwart mit unserem Gelde erkaufen müssen, und vergessen ganz die schöne Idee, die die Veranlassung gab, sehen in unserer Kleinlichkeit nur uns und pochen sogar auf unser Recht, als wenn das Fest nicht einer andern, größern Idee willen, sondern rein nur unsertwegen gegeben würde. So ist es bei uns Deutschen, so wird es noch lange bleiben, denn wir haben, so viel wir auch reden und singen, noch wenig Natio¬ nalgefühl; wir haben nur eben die ersten Anfänge dazu, die sich aber in den engsten Kreisen beschränkt finden, und die aufzufinden man die Blicke weit eher nach unten als nach oben wenden muß. So hat sich z. B. auch hier der eigentliche Bonner Bürgerstand am

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/37
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/37>, abgerufen am 05.02.2025.