Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.allen Kreisen des geselligen Verkehrs anzupassen, ohne sein eige¬ So erwarb sich Jordan schon längst, ehe er den Schauplatz allen Kreisen des geselligen Verkehrs anzupassen, ohne sein eige¬ So erwarb sich Jordan schon längst, ehe er den Schauplatz <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271612"/> <p xml:id="ID_960" prev="#ID_959"> allen Kreisen des geselligen Verkehrs anzupassen, ohne sein eige¬<lb/> nes Wesen zu verleugnen, in jeglichem sich zu bewegen, ohne der<lb/> eigenen Würde Etwas zu vergeben und Anderen Anlaß zu geben,<lb/> dieselbe außer Augen zu setzen. Er konnte es nicht ertragen, wenn<lb/> seichte Schwätzer sich über wichtige Angelegenheiten, namentlich über<lb/> Staatssachen, in absprechendem Tone vernehmen ließen, und hielt<lb/> Solchen gegenüber mit scharfen Abfertigungen nicht zurück. Seine<lb/> eigene Meinung über öffentliche Angelegenheiten sprach er stets mit<lb/> rückhaltloser Offenheit aus, dagegen war er höchst duldsam für die<lb/> abweichenden Ansichten Anderer, sobald er die Gewißheit erlangt<lb/> hatte, daß sie das Ergebniß einer redlichen Ueberzeugung waren.<lb/> Bei einem solchen Vereine der edelsten gesellschaftlichen Tilgenden<lb/> konnte eS nicht fehlen, daß im Laufe ver Jahre ein dichter Kranz<lb/> persönlicher Freunde sich um Jordan reihete, und in weiteren gesell¬<lb/> schaftlichen Kreisen ihm allgemeine Achtung und Liebe begegnete.<lb/> Man setzte eine Ehre darein, Jordan von Angesicht kennen gelernt<lb/> zu haben, und noch viel mehr, von ihm gekannt zu sein. Nähern<lb/> Freunden legte er, besonders in Augenblicken geistiger Anregung und<lb/> Erhebung, seine ganze Seele offen dar; gern und ungezwungen<lb/> gab er sich dem Drange übereinstimmender Gefühle hin; ohne Rück¬<lb/> halt erschloß er sein Innerstes Dem, welchem er in gleich liebevoller<lb/> Wärme für das Gure und Schöne, in gleich lebendigem Streben für<lb/> Recht und Wahrheit, in gleich begeisterter Stimmung für das Edle<lb/> und Erhabene begegnete. Er schloß sich überhaupt, ohne Arg wie<lb/> er jeder Zeit war und zum Vertrauen geneigt, mit Leichtigkeit an,<lb/> mit mehr Leichtigkeit, als es die große Mehrzahl der Menschen verdient.</p><lb/> <p xml:id="ID_961" next="#ID_962"> So erwarb sich Jordan schon längst, ehe er den Schauplatz<lb/> deS öffentlichen Wirkens betrat, im vollsten Sinne das, was man<lb/> -Popularität nennt. Seine Volkstümlichkeit ging aus seinem eige¬<lb/> nen, angeborenen und im Leben unverfälscht bewahrten volkstümli¬<lb/> chen Wesen, aus seiner reinen Liebe zu seinen Mitmenschen und<lb/> seinem regen Eifer für das Wohl seiner Mitbürger hervor. Jordan<lb/> brauchte sich keinen Zwang anzuthun, um sich in die Kreise des<lb/> Volkes zu versetzen, sich ganz, wie er war, mit allem Eifer und<lb/> Streben seines empfänglichen und regen Geistes mit den Zuständen<lb/> und Bedürfnissen desselben vertraut zu machen und sich einer rück¬<lb/> haltlosen, aufopfernden Thätigkeit im Dienste desselben hinzugeben.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0351]
allen Kreisen des geselligen Verkehrs anzupassen, ohne sein eige¬
nes Wesen zu verleugnen, in jeglichem sich zu bewegen, ohne der
eigenen Würde Etwas zu vergeben und Anderen Anlaß zu geben,
dieselbe außer Augen zu setzen. Er konnte es nicht ertragen, wenn
seichte Schwätzer sich über wichtige Angelegenheiten, namentlich über
Staatssachen, in absprechendem Tone vernehmen ließen, und hielt
Solchen gegenüber mit scharfen Abfertigungen nicht zurück. Seine
eigene Meinung über öffentliche Angelegenheiten sprach er stets mit
rückhaltloser Offenheit aus, dagegen war er höchst duldsam für die
abweichenden Ansichten Anderer, sobald er die Gewißheit erlangt
hatte, daß sie das Ergebniß einer redlichen Ueberzeugung waren.
Bei einem solchen Vereine der edelsten gesellschaftlichen Tilgenden
konnte eS nicht fehlen, daß im Laufe ver Jahre ein dichter Kranz
persönlicher Freunde sich um Jordan reihete, und in weiteren gesell¬
schaftlichen Kreisen ihm allgemeine Achtung und Liebe begegnete.
Man setzte eine Ehre darein, Jordan von Angesicht kennen gelernt
zu haben, und noch viel mehr, von ihm gekannt zu sein. Nähern
Freunden legte er, besonders in Augenblicken geistiger Anregung und
Erhebung, seine ganze Seele offen dar; gern und ungezwungen
gab er sich dem Drange übereinstimmender Gefühle hin; ohne Rück¬
halt erschloß er sein Innerstes Dem, welchem er in gleich liebevoller
Wärme für das Gure und Schöne, in gleich lebendigem Streben für
Recht und Wahrheit, in gleich begeisterter Stimmung für das Edle
und Erhabene begegnete. Er schloß sich überhaupt, ohne Arg wie
er jeder Zeit war und zum Vertrauen geneigt, mit Leichtigkeit an,
mit mehr Leichtigkeit, als es die große Mehrzahl der Menschen verdient.
So erwarb sich Jordan schon längst, ehe er den Schauplatz
deS öffentlichen Wirkens betrat, im vollsten Sinne das, was man
-Popularität nennt. Seine Volkstümlichkeit ging aus seinem eige¬
nen, angeborenen und im Leben unverfälscht bewahrten volkstümli¬
chen Wesen, aus seiner reinen Liebe zu seinen Mitmenschen und
seinem regen Eifer für das Wohl seiner Mitbürger hervor. Jordan
brauchte sich keinen Zwang anzuthun, um sich in die Kreise des
Volkes zu versetzen, sich ganz, wie er war, mit allem Eifer und
Streben seines empfänglichen und regen Geistes mit den Zuständen
und Bedürfnissen desselben vertraut zu machen und sich einer rück¬
haltlosen, aufopfernden Thätigkeit im Dienste desselben hinzugeben.
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