Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.fand Jordan bei dem Eintritte in die Anstalt noch den früheren Jordan war zwar während seines ersten Schuljahres noch gänz¬ Schon in seinem zweiten Schuljahre empfand er das Ermü- fand Jordan bei dem Eintritte in die Anstalt noch den früheren Jordan war zwar während seines ersten Schuljahres noch gänz¬ Schon in seinem zweiten Schuljahre empfand er das Ermü- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271604"/> <p xml:id="ID_944" prev="#ID_943"> fand Jordan bei dem Eintritte in die Anstalt noch den früheren<lb/> österreichischen Lehrplan vor; aber schon in seinem zweiten Schuljahre<lb/> wurde derselbe mit dem in Baiern seit dem Jahre 1804 eingeführten,<lb/> von Wiömayer verfaßten, vertauscht, welcher seinerseits wieder später<lb/> durch das Niethammerische allgemeine Normativ für die baierischen<lb/> Unterrichtsanstalten von 1810 verdrängt wurde. Die größte Ver¬<lb/> wirrung brach aber über die Anstalt herein im Jahre 1800 durch<lb/> den Aufstand der Tyroler gegen die baierische Herrschaft. Der von<lb/> der Priesterschaft emsig geschürte Haß der Aufständischen ließ diese in<lb/> allen baierischen Einrichtungen, die allerdings zum Theile wenigstens,<lb/> wie in den meisten Staaten des Rheinbundes, denen des verbünde¬<lb/> ten Frankreichs nachgebildet waren, verderbliche Ausflüsse der fran¬<lb/> zösischen Revolution erblicken. Mit blindem Eifer wurde Alles um¬<lb/> gestürzt, was die Spuren der Neuerung an sich trug. Auch das<lb/> Gymnasium zu Innsbruck, welches damals, gleich allen baierischen<lb/> Lehranstalten und der ganzen baierischen Schulordnung, dem Ge¬<lb/> schmacke der Pfaffen nur wenig entsprach, entging der Sucht der<lb/> Fanatiker nach Wiederherstellung alles Alten nicht. Man unterwarf<lb/> die Schulvorstände einer neuen Prüfung in dieser Hinsicht, indem<lb/> diese wiederholt daS katholische Glaubensbekenntniß ablegen, das<lb/> Paternoster und Ave Maria beten und Rosenkränze ausweisen<lb/> mußten; zwei von den Lehrern Jordans wurden sogar, der KeKerei<lb/> verdächtig, deportirt.</p><lb/> <p xml:id="ID_945"> Jordan war zwar während seines ersten Schuljahres noch gänz¬<lb/> lich von seinem aus der ländlichen Hetmath mitgebrachten überspann¬<lb/> ten Glaubenseifer befangen; unablässig setzte er seine Andachtsübun¬<lb/> gen fort und versäumte es «n keinem Tage, außer der vorgeschrie¬<lb/> benen Schulmesse noch eine oder mehrere andere Messen zu hören,<lb/> den Rosenkranz und die lateinischen Tagzeiten der Jungfrau Maria<lb/> abzubeten, an keinem Sonntage, zu Beichte und Communion zu<lb/> gehen. Aber die Beschäftigung mit der Wissenschaft konnte bei einem<lb/> so gesunden, kräftigen Gemüthe, wie Jordan besaß, seine heilsame<lb/> Kraft nicht lange verfehlen, sondern mußte es zur selbstbewußten<lb/> Prüfung der ihm überkommenen Glaubenslehren durch eigenes Nach¬<lb/> denken aufrütteln und in ihm den Zweifel an der Unfehlbarkeit der<lb/> Kirchensatzungen anregen.</p><lb/> <p xml:id="ID_946" next="#ID_947"> Schon in seinem zweiten Schuljahre empfand er das Ermü-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0343]
fand Jordan bei dem Eintritte in die Anstalt noch den früheren
österreichischen Lehrplan vor; aber schon in seinem zweiten Schuljahre
wurde derselbe mit dem in Baiern seit dem Jahre 1804 eingeführten,
von Wiömayer verfaßten, vertauscht, welcher seinerseits wieder später
durch das Niethammerische allgemeine Normativ für die baierischen
Unterrichtsanstalten von 1810 verdrängt wurde. Die größte Ver¬
wirrung brach aber über die Anstalt herein im Jahre 1800 durch
den Aufstand der Tyroler gegen die baierische Herrschaft. Der von
der Priesterschaft emsig geschürte Haß der Aufständischen ließ diese in
allen baierischen Einrichtungen, die allerdings zum Theile wenigstens,
wie in den meisten Staaten des Rheinbundes, denen des verbünde¬
ten Frankreichs nachgebildet waren, verderbliche Ausflüsse der fran¬
zösischen Revolution erblicken. Mit blindem Eifer wurde Alles um¬
gestürzt, was die Spuren der Neuerung an sich trug. Auch das
Gymnasium zu Innsbruck, welches damals, gleich allen baierischen
Lehranstalten und der ganzen baierischen Schulordnung, dem Ge¬
schmacke der Pfaffen nur wenig entsprach, entging der Sucht der
Fanatiker nach Wiederherstellung alles Alten nicht. Man unterwarf
die Schulvorstände einer neuen Prüfung in dieser Hinsicht, indem
diese wiederholt daS katholische Glaubensbekenntniß ablegen, das
Paternoster und Ave Maria beten und Rosenkränze ausweisen
mußten; zwei von den Lehrern Jordans wurden sogar, der KeKerei
verdächtig, deportirt.
Jordan war zwar während seines ersten Schuljahres noch gänz¬
lich von seinem aus der ländlichen Hetmath mitgebrachten überspann¬
ten Glaubenseifer befangen; unablässig setzte er seine Andachtsübun¬
gen fort und versäumte es «n keinem Tage, außer der vorgeschrie¬
benen Schulmesse noch eine oder mehrere andere Messen zu hören,
den Rosenkranz und die lateinischen Tagzeiten der Jungfrau Maria
abzubeten, an keinem Sonntage, zu Beichte und Communion zu
gehen. Aber die Beschäftigung mit der Wissenschaft konnte bei einem
so gesunden, kräftigen Gemüthe, wie Jordan besaß, seine heilsame
Kraft nicht lange verfehlen, sondern mußte es zur selbstbewußten
Prüfung der ihm überkommenen Glaubenslehren durch eigenes Nach¬
denken aufrütteln und in ihm den Zweifel an der Unfehlbarkeit der
Kirchensatzungen anregen.
Schon in seinem zweiten Schuljahre empfand er das Ermü-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |