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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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V.
Wie Actien das Schwert besiegen.

Folgende Anecdote erzählen wir nicht bloß als einen Beitrag zur
Charakteristik des Marschalls Soult, sondern auch als einen neuen
Beweis, aus welchen kleinen Ursachen oftmals die wichtigsten Wen¬
dungen der Geschichte sich ergeben. Für die Wahrheit der Thatsache
kann sich der Redacteur dieser Blätter verbürgen, indem sie ihm von
einem würdigen Manne, einem höhern Beamten im belgischen Kriegs¬
ministerium, der in den Ereignissen der Jahre 183l) und 31 eine
wichtige Rolle gespielt hat, dem Obersten des Geniekorps D. A""*,
mit der Erlaubniß zur Veröffentlichung mitgetheilt wurde. Bekannt¬
lich bestand der Marschall Soult nach dem Ausbruche der belgischen
Revolution mit großem Eifer darauf, Belgien durch französische Trup¬
pen besetzen zu lassen und mit Frankreich einzuverleiben. Vergebens
setzte Casimir Perrier dem alten eroberungssüchtigen Marschall seinen
ganzen Einfluß und das Arsenal seiner Friedenspolitik entgegen;
Soults eiserner Wille blieb unerschütterlich. Perrier war in dieser
Frage nicht bloß als Politiker, sondern noch weit mehr als Privat¬
mann betheiligt. Ein großer Theil seines Vermögens steckte in den
Kohlengruben und Eisenhütten des Norddepartements, und bei einer
Einverleibung des kohlenreichen Belgiens mit seiner ungeheuren Ei¬
senindustrie waren die französischen Gruben und Eisenhämmer unge¬
mein bedroht gewesen. In dieser Noth wurde zu einem sonderbaren
Hausmittel gegriffen. An einem schönen Morgen ließ sich ein Co¬
mite von Industriellen bei dem alten Marschall melden. Der Wort¬
führer desselben ergoß sich mit großer Emphase über die ungeheuern
Verdienste, welche der berühmte Feldherr um den Ruhm und da"
Heil Frankreichs sich erworben. In dieser schweren Prüfungszeit --
fuhr er fort -- sei es eine besondere Pflicht der Nation, ihren Hel¬
den die Beweise ihrer Anhänglichkeit, ihrer Dankbarkeit und ihrer
Aufmunterung z" liefern, und der Marschall möge geruhen, aus der
Hand eines Theils von fleißigen Bürgern einen kleinen Tribut ihrer
Verehrung zu empfangen. Und hiermit wurde dem alten Haudegen
ein Paket Actien eingehändigt, die ihn zum Mitbetheiligt-n bei eini¬
gen der großartigsten Hüttenwerke des Norddepartements machten.
Der Marschall fuhr die Deputation in seiner gewöhnlichen barschen
Weise an, daß es nicht erst solcher Dinge bedürfe, um ihn in seiner
Pflicht und in seiner Liebe für Frankreichs Ruhm zu bestärken und
so weiter und so fort. Nichtsdestoweniger legte er die Papiere neben
sich auf den Tisch. Kaum hatte die Deputation sich entfernt, so
ließ der Marschall seinen Intendanten rufen und fragte ihn, was
dieses Teufelszeug von Papieren eigentlich bedeute. Der Intendant,
der bereits verständigt war, legte sein Gesicht in feierliche Falten und


V.
Wie Actien das Schwert besiegen.

Folgende Anecdote erzählen wir nicht bloß als einen Beitrag zur
Charakteristik des Marschalls Soult, sondern auch als einen neuen
Beweis, aus welchen kleinen Ursachen oftmals die wichtigsten Wen¬
dungen der Geschichte sich ergeben. Für die Wahrheit der Thatsache
kann sich der Redacteur dieser Blätter verbürgen, indem sie ihm von
einem würdigen Manne, einem höhern Beamten im belgischen Kriegs¬
ministerium, der in den Ereignissen der Jahre 183l) und 31 eine
wichtige Rolle gespielt hat, dem Obersten des Geniekorps D. A""*,
mit der Erlaubniß zur Veröffentlichung mitgetheilt wurde. Bekannt¬
lich bestand der Marschall Soult nach dem Ausbruche der belgischen
Revolution mit großem Eifer darauf, Belgien durch französische Trup¬
pen besetzen zu lassen und mit Frankreich einzuverleiben. Vergebens
setzte Casimir Perrier dem alten eroberungssüchtigen Marschall seinen
ganzen Einfluß und das Arsenal seiner Friedenspolitik entgegen;
Soults eiserner Wille blieb unerschütterlich. Perrier war in dieser
Frage nicht bloß als Politiker, sondern noch weit mehr als Privat¬
mann betheiligt. Ein großer Theil seines Vermögens steckte in den
Kohlengruben und Eisenhütten des Norddepartements, und bei einer
Einverleibung des kohlenreichen Belgiens mit seiner ungeheuren Ei¬
senindustrie waren die französischen Gruben und Eisenhämmer unge¬
mein bedroht gewesen. In dieser Noth wurde zu einem sonderbaren
Hausmittel gegriffen. An einem schönen Morgen ließ sich ein Co¬
mite von Industriellen bei dem alten Marschall melden. Der Wort¬
führer desselben ergoß sich mit großer Emphase über die ungeheuern
Verdienste, welche der berühmte Feldherr um den Ruhm und da«
Heil Frankreichs sich erworben. In dieser schweren Prüfungszeit —
fuhr er fort — sei es eine besondere Pflicht der Nation, ihren Hel¬
den die Beweise ihrer Anhänglichkeit, ihrer Dankbarkeit und ihrer
Aufmunterung z« liefern, und der Marschall möge geruhen, aus der
Hand eines Theils von fleißigen Bürgern einen kleinen Tribut ihrer
Verehrung zu empfangen. Und hiermit wurde dem alten Haudegen
ein Paket Actien eingehändigt, die ihn zum Mitbetheiligt-n bei eini¬
gen der großartigsten Hüttenwerke des Norddepartements machten.
Der Marschall fuhr die Deputation in seiner gewöhnlichen barschen
Weise an, daß es nicht erst solcher Dinge bedürfe, um ihn in seiner
Pflicht und in seiner Liebe für Frankreichs Ruhm zu bestärken und
so weiter und so fort. Nichtsdestoweniger legte er die Papiere neben
sich auf den Tisch. Kaum hatte die Deputation sich entfernt, so
ließ der Marschall seinen Intendanten rufen und fragte ihn, was
dieses Teufelszeug von Papieren eigentlich bedeute. Der Intendant,
der bereits verständigt war, legte sein Gesicht in feierliche Falten und


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[0331] V. Wie Actien das Schwert besiegen. Folgende Anecdote erzählen wir nicht bloß als einen Beitrag zur Charakteristik des Marschalls Soult, sondern auch als einen neuen Beweis, aus welchen kleinen Ursachen oftmals die wichtigsten Wen¬ dungen der Geschichte sich ergeben. Für die Wahrheit der Thatsache kann sich der Redacteur dieser Blätter verbürgen, indem sie ihm von einem würdigen Manne, einem höhern Beamten im belgischen Kriegs¬ ministerium, der in den Ereignissen der Jahre 183l) und 31 eine wichtige Rolle gespielt hat, dem Obersten des Geniekorps D. A""*, mit der Erlaubniß zur Veröffentlichung mitgetheilt wurde. Bekannt¬ lich bestand der Marschall Soult nach dem Ausbruche der belgischen Revolution mit großem Eifer darauf, Belgien durch französische Trup¬ pen besetzen zu lassen und mit Frankreich einzuverleiben. Vergebens setzte Casimir Perrier dem alten eroberungssüchtigen Marschall seinen ganzen Einfluß und das Arsenal seiner Friedenspolitik entgegen; Soults eiserner Wille blieb unerschütterlich. Perrier war in dieser Frage nicht bloß als Politiker, sondern noch weit mehr als Privat¬ mann betheiligt. Ein großer Theil seines Vermögens steckte in den Kohlengruben und Eisenhütten des Norddepartements, und bei einer Einverleibung des kohlenreichen Belgiens mit seiner ungeheuren Ei¬ senindustrie waren die französischen Gruben und Eisenhämmer unge¬ mein bedroht gewesen. In dieser Noth wurde zu einem sonderbaren Hausmittel gegriffen. An einem schönen Morgen ließ sich ein Co¬ mite von Industriellen bei dem alten Marschall melden. Der Wort¬ führer desselben ergoß sich mit großer Emphase über die ungeheuern Verdienste, welche der berühmte Feldherr um den Ruhm und da« Heil Frankreichs sich erworben. In dieser schweren Prüfungszeit — fuhr er fort — sei es eine besondere Pflicht der Nation, ihren Hel¬ den die Beweise ihrer Anhänglichkeit, ihrer Dankbarkeit und ihrer Aufmunterung z« liefern, und der Marschall möge geruhen, aus der Hand eines Theils von fleißigen Bürgern einen kleinen Tribut ihrer Verehrung zu empfangen. Und hiermit wurde dem alten Haudegen ein Paket Actien eingehändigt, die ihn zum Mitbetheiligt-n bei eini¬ gen der großartigsten Hüttenwerke des Norddepartements machten. Der Marschall fuhr die Deputation in seiner gewöhnlichen barschen Weise an, daß es nicht erst solcher Dinge bedürfe, um ihn in seiner Pflicht und in seiner Liebe für Frankreichs Ruhm zu bestärken und so weiter und so fort. Nichtsdestoweniger legte er die Papiere neben sich auf den Tisch. Kaum hatte die Deputation sich entfernt, so ließ der Marschall seinen Intendanten rufen und fragte ihn, was dieses Teufelszeug von Papieren eigentlich bedeute. Der Intendant, der bereits verständigt war, legte sein Gesicht in feierliche Falten und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/331>, abgerufen am 05.02.2025.