Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.Collard so schöne Kämpfe focht, sogleich den Artikel 8 der Charte Bei der zweiten Restauration verließ Royer-Collard, ohne Zwei¬ Von diesem Augenblicke an wurde die politische Stellung Royer- Collard so schöne Kämpfe focht, sogleich den Artikel 8 der Charte Bei der zweiten Restauration verließ Royer-Collard, ohne Zwei¬ Von diesem Augenblicke an wurde die politische Stellung Royer- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271293"/> <p xml:id="ID_74" prev="#ID_73"> Collard so schöne Kämpfe focht, sogleich den Artikel 8 der Charte<lb/> verletzte.</p><lb/> <p xml:id="ID_75"> Bei der zweiten Restauration verließ Royer-Collard, ohne Zwei¬<lb/> fel durch die Erfahrung belehrt, die Ultrapartei, und stellte sich un¬<lb/> ter das Banner der gemäßigten Royalisten. Die Leidenschaften ver¬<lb/> stummten, die Parteien wurden nach und nach ruhiger, die Bour-<lb/> bons fingen an, nationaler zu werden, eine liberale Bewegung ließ<lb/> sich immer mehr und mehr in dem Auftreten der Regierung erken¬<lb/> nen. Herr v. Richelieu überließ, nachdem er die Akte über die Ge¬<lb/> bieträumung der aliirten Truppen unterzeichnet hatte, die Geschäfte<lb/> den Händen des Herrn Decazes, unter dem nomineller Vorsitze des<lb/> Generals Dessolles. Royer-Collard und seine Freunde schlugen mit<lb/> dem Ministerium gemeinsam ganz offen den Pfad der Zugeständnisse<lb/> ein. Die Ausnahmgesetze wurden abgeschafft; eines der besten Ge¬<lb/> setze, welches je die Presse beherrschte, das von 1819, ein doktrinä¬<lb/> res Werk,^ welches die Censur vernichtete, und die Gerichtsbarkeit<lb/> der Jury anerkannte, wurde im Schooße des Staatsrathes von den<lb/> Herren Royer-Collard, de Serres und Guizot ausgearbeitet, und<lb/> von dem erstem in den Kammern unterstützt. Unglücklicher Weise<lb/> dauerte dieses System der Unterhandlung, der Vermittlung, der Ver¬<lb/> söhnung nicht lange; vielleicht muß man, um gerecht zusein, zugeben,<lb/> daß die extremen Parteien es mißbrauchten: jedenfalls fachte die Wahl<lb/> des Abbe Gregoire, welcher berufen ward, den Ministern des Bruders<lb/> Ludwig XVI. gegenüber zu sitzen, den royalistischen und religiösen Haß<lb/> wieder an, welcher schon zu ersterben begann. Herr Decazes wollte,<lb/> überrumpelt, lieber nachgeben und seine Schritte zurücknehmen, als<lb/> sein Portefeuille verlieren. Das Wahlgesetz von 1817, welches von<lb/> den Doctrinärs ausging und von dem Ministerium beständig ver¬<lb/> theidigt wurde, ward von ihm als zu liberal aufgegeben. Noyer-<lb/> Collard weigerte sich, dieser rückgängiger Bewegung zu folgen, und<lb/> reichte seine Entlassung als Präsident der Commission für den öffent¬<lb/> lichen Unterricht ein. Die Sachen waren so weit gekommen, als<lb/> die Ermordung des Herzogs von Berry den Herrn Decazes stürzte,<lb/> und die Gewalt endlich den Händen der Männer der Rechten über¬<lb/> lieferte.</p><lb/> <p xml:id="ID_76" next="#ID_77"> Von diesem Augenblicke an wurde die politische Stellung Royer-<lb/> CollardS, der mit seinen Freunden aus dem Staatsrathe verdrängt,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
Collard so schöne Kämpfe focht, sogleich den Artikel 8 der Charte
verletzte.
Bei der zweiten Restauration verließ Royer-Collard, ohne Zwei¬
fel durch die Erfahrung belehrt, die Ultrapartei, und stellte sich un¬
ter das Banner der gemäßigten Royalisten. Die Leidenschaften ver¬
stummten, die Parteien wurden nach und nach ruhiger, die Bour-
bons fingen an, nationaler zu werden, eine liberale Bewegung ließ
sich immer mehr und mehr in dem Auftreten der Regierung erken¬
nen. Herr v. Richelieu überließ, nachdem er die Akte über die Ge¬
bieträumung der aliirten Truppen unterzeichnet hatte, die Geschäfte
den Händen des Herrn Decazes, unter dem nomineller Vorsitze des
Generals Dessolles. Royer-Collard und seine Freunde schlugen mit
dem Ministerium gemeinsam ganz offen den Pfad der Zugeständnisse
ein. Die Ausnahmgesetze wurden abgeschafft; eines der besten Ge¬
setze, welches je die Presse beherrschte, das von 1819, ein doktrinä¬
res Werk,^ welches die Censur vernichtete, und die Gerichtsbarkeit
der Jury anerkannte, wurde im Schooße des Staatsrathes von den
Herren Royer-Collard, de Serres und Guizot ausgearbeitet, und
von dem erstem in den Kammern unterstützt. Unglücklicher Weise
dauerte dieses System der Unterhandlung, der Vermittlung, der Ver¬
söhnung nicht lange; vielleicht muß man, um gerecht zusein, zugeben,
daß die extremen Parteien es mißbrauchten: jedenfalls fachte die Wahl
des Abbe Gregoire, welcher berufen ward, den Ministern des Bruders
Ludwig XVI. gegenüber zu sitzen, den royalistischen und religiösen Haß
wieder an, welcher schon zu ersterben begann. Herr Decazes wollte,
überrumpelt, lieber nachgeben und seine Schritte zurücknehmen, als
sein Portefeuille verlieren. Das Wahlgesetz von 1817, welches von
den Doctrinärs ausging und von dem Ministerium beständig ver¬
theidigt wurde, ward von ihm als zu liberal aufgegeben. Noyer-
Collard weigerte sich, dieser rückgängiger Bewegung zu folgen, und
reichte seine Entlassung als Präsident der Commission für den öffent¬
lichen Unterricht ein. Die Sachen waren so weit gekommen, als
die Ermordung des Herzogs von Berry den Herrn Decazes stürzte,
und die Gewalt endlich den Händen der Männer der Rechten über¬
lieferte.
Von diesem Augenblicke an wurde die politische Stellung Royer-
CollardS, der mit seinen Freunden aus dem Staatsrathe verdrängt,
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