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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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kannte Peter der Große, deshalb wurde er selbst Schiffszimmermann,
deshalb baute er Petersburg, und deshalb bilden England, Frank¬
reich und Nußland das weltbeherrschende Triumvirat. Es ist sehr
schmeichelhaft, daß in den Londoner Konferenzen Deutschland zwei
Stimmen gehabt hat, Preußen und Oesterreich, allein dies wird
eine leere Schmeichelei bleiben, so lange weder Oesterreich noch Preu¬
ßen Seemächte sind. DaS kleine Königreich Griechenland würde
als bloße Landmacht ein reines Nichts sein; es nimmt aber in der
jetzigen Politik einen Nang ein, weil es eine Seemacht ist.

England übt an kranken Staaten das konservative System aus,
welches nicht treffender geschildert werden kann, als mit folgenden,
von Schuselka angeführten Worten eines Engländers: "Was ist
nun unsere Stellung in jenen Ländern? Wir fühlen uns in der
Verpflichtung, Alles zu stützen, w^ö fallen will, alles Schwache,
Ueberjährige, Verarmte, Entnervte, Dumme, Absurde gegen alles
Junge, Kräftige, Wachsende, Vernünftige, Lebensfähige. Wir stehen
mit gespreizten Beinen über diesem niedergestreckten, fast entseelten
Körper und decken ihn mit Schild und Schwert, nicht aber, damit
er nicht noch mehr verwundet, sondern damit er nicht geheilt werde."
Kein Zweifel, daß unsere guten Freunde die Engländer, diese auf¬
geklärten Männer, die so zärtlich für Aufrechthaltung der deutschen
Handelsfreiheit, dieses für Deutschland so kostbaren Juwels, besorgt
siud, nicht auch irgend einen Beweis auffinden werden, daß der
Mangel einer Flotte ein wesentlicher Bestandtheil von Oesterreichs
Preußens und überhaupt Deutschlands Glück ist. Wenn wir aber
ernstlich "vollen, so kann uns selbst England kein ernstliches Hinder¬
niß entgegensetzen. Die ganze moderne Schifffahrt ist germanischen
Ursprungs, -- deutsche Handelsflotten gehen bereits auf den Mee¬
ren, obwohl ungeschützt und angefeindet. Auf den deutschen Han¬
delsschiffen werden sich wohl auch Matrosen für Kriegsschiffe finden,
und wenn Deutschland auch als Seemacht dasteht, dann erst werden
die deutschen Schiffe dem deutschen Handel wahrhaft Nutzen brin¬
gen, während sie jetzt großentheils fremde Waaren herbeiführen und
uns auf diese Weise zu Gunsten des Auslandes besteuern helfen.

Schuselka schließt seine Schrift mit folgenden Worten des Rit¬
ters Friedrich von Gentz:

"Ihr des Vaterlandes einsame Zierden, hochherzige, durch kein


kannte Peter der Große, deshalb wurde er selbst Schiffszimmermann,
deshalb baute er Petersburg, und deshalb bilden England, Frank¬
reich und Nußland das weltbeherrschende Triumvirat. Es ist sehr
schmeichelhaft, daß in den Londoner Konferenzen Deutschland zwei
Stimmen gehabt hat, Preußen und Oesterreich, allein dies wird
eine leere Schmeichelei bleiben, so lange weder Oesterreich noch Preu¬
ßen Seemächte sind. DaS kleine Königreich Griechenland würde
als bloße Landmacht ein reines Nichts sein; es nimmt aber in der
jetzigen Politik einen Nang ein, weil es eine Seemacht ist.

England übt an kranken Staaten das konservative System aus,
welches nicht treffender geschildert werden kann, als mit folgenden,
von Schuselka angeführten Worten eines Engländers: „Was ist
nun unsere Stellung in jenen Ländern? Wir fühlen uns in der
Verpflichtung, Alles zu stützen, w^ö fallen will, alles Schwache,
Ueberjährige, Verarmte, Entnervte, Dumme, Absurde gegen alles
Junge, Kräftige, Wachsende, Vernünftige, Lebensfähige. Wir stehen
mit gespreizten Beinen über diesem niedergestreckten, fast entseelten
Körper und decken ihn mit Schild und Schwert, nicht aber, damit
er nicht noch mehr verwundet, sondern damit er nicht geheilt werde."
Kein Zweifel, daß unsere guten Freunde die Engländer, diese auf¬
geklärten Männer, die so zärtlich für Aufrechthaltung der deutschen
Handelsfreiheit, dieses für Deutschland so kostbaren Juwels, besorgt
siud, nicht auch irgend einen Beweis auffinden werden, daß der
Mangel einer Flotte ein wesentlicher Bestandtheil von Oesterreichs
Preußens und überhaupt Deutschlands Glück ist. Wenn wir aber
ernstlich »vollen, so kann uns selbst England kein ernstliches Hinder¬
niß entgegensetzen. Die ganze moderne Schifffahrt ist germanischen
Ursprungs, — deutsche Handelsflotten gehen bereits auf den Mee¬
ren, obwohl ungeschützt und angefeindet. Auf den deutschen Han¬
delsschiffen werden sich wohl auch Matrosen für Kriegsschiffe finden,
und wenn Deutschland auch als Seemacht dasteht, dann erst werden
die deutschen Schiffe dem deutschen Handel wahrhaft Nutzen brin¬
gen, während sie jetzt großentheils fremde Waaren herbeiführen und
uns auf diese Weise zu Gunsten des Auslandes besteuern helfen.

Schuselka schließt seine Schrift mit folgenden Worten des Rit¬
ters Friedrich von Gentz:

„Ihr des Vaterlandes einsame Zierden, hochherzige, durch kein


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[0300] kannte Peter der Große, deshalb wurde er selbst Schiffszimmermann, deshalb baute er Petersburg, und deshalb bilden England, Frank¬ reich und Nußland das weltbeherrschende Triumvirat. Es ist sehr schmeichelhaft, daß in den Londoner Konferenzen Deutschland zwei Stimmen gehabt hat, Preußen und Oesterreich, allein dies wird eine leere Schmeichelei bleiben, so lange weder Oesterreich noch Preu¬ ßen Seemächte sind. DaS kleine Königreich Griechenland würde als bloße Landmacht ein reines Nichts sein; es nimmt aber in der jetzigen Politik einen Nang ein, weil es eine Seemacht ist. England übt an kranken Staaten das konservative System aus, welches nicht treffender geschildert werden kann, als mit folgenden, von Schuselka angeführten Worten eines Engländers: „Was ist nun unsere Stellung in jenen Ländern? Wir fühlen uns in der Verpflichtung, Alles zu stützen, w^ö fallen will, alles Schwache, Ueberjährige, Verarmte, Entnervte, Dumme, Absurde gegen alles Junge, Kräftige, Wachsende, Vernünftige, Lebensfähige. Wir stehen mit gespreizten Beinen über diesem niedergestreckten, fast entseelten Körper und decken ihn mit Schild und Schwert, nicht aber, damit er nicht noch mehr verwundet, sondern damit er nicht geheilt werde." Kein Zweifel, daß unsere guten Freunde die Engländer, diese auf¬ geklärten Männer, die so zärtlich für Aufrechthaltung der deutschen Handelsfreiheit, dieses für Deutschland so kostbaren Juwels, besorgt siud, nicht auch irgend einen Beweis auffinden werden, daß der Mangel einer Flotte ein wesentlicher Bestandtheil von Oesterreichs Preußens und überhaupt Deutschlands Glück ist. Wenn wir aber ernstlich »vollen, so kann uns selbst England kein ernstliches Hinder¬ niß entgegensetzen. Die ganze moderne Schifffahrt ist germanischen Ursprungs, — deutsche Handelsflotten gehen bereits auf den Mee¬ ren, obwohl ungeschützt und angefeindet. Auf den deutschen Han¬ delsschiffen werden sich wohl auch Matrosen für Kriegsschiffe finden, und wenn Deutschland auch als Seemacht dasteht, dann erst werden die deutschen Schiffe dem deutschen Handel wahrhaft Nutzen brin¬ gen, während sie jetzt großentheils fremde Waaren herbeiführen und uns auf diese Weise zu Gunsten des Auslandes besteuern helfen. Schuselka schließt seine Schrift mit folgenden Worten des Rit¬ ters Friedrich von Gentz: „Ihr des Vaterlandes einsame Zierden, hochherzige, durch kein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/300>, abgerufen am 05.02.2025.