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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Theilen eine gemeinschaftliche Bundesgewalt zusammenzusetzen, welche
im Stande wäre, im Innern die Rechtsgleichheit der Bundesmit-
glieder unter einander zu schütze", und nach allsten nicht eine Ue-
berlegenheit, aber eine völlig gleiche Berechtigung der deutschen Na¬
tion den andern Nationen gegenüber geltend zu machen. Eine solche
Bundesgewalt kann aber nur entstehen, wenn ihrem Wirkungskreise
scharfe Grenzen gezogen werden, so daß sie zwar innerhalb dieser
Grenzen mit nachdrücklicher Kraft und aller Entschiedenheit, ja sogar
von der ganzen Nation unterstützt handeln kann; aber daß sie auch
außerhalb dieser Grenzen eben so entschieden ohnmächtig sein muß,
in die den einzelnen Staaten verbliebene Selbstständigkeit überzugrei¬
fen und sich in Angelegenheiten einzumischen, die lediglich im Wir¬
kungskreise der einzelnen Staaten als einzelner liegen. So lange
eine solche Competenzlinie nicht besteht, wird eine sogenannte Bun¬
desgewalt, wo sie nicht soll, Alles, und, wo sie soll, Nichts thun
können.

Es handelt sich also bei uns nicht, wie Schuselka meint, um
eine Nationalität im französischen Sinne, sondern um eine Natio¬
nalität, wie sie von den nord'amerikanischen Freistaaten aufgefaßt
worden ist, -- nicht um eine deutsche Machteinheit, sondern um
eine deutsche Machteinigkeit, -- nicht um eine französische Crn<
tralisation, sondern um eine starke Conföderation.

Man wende uns nicht die Frage ein: was denn bei einer
solchen Konföderation mit den deutschen Fürsten werden solle? --
Gewiß, sicherer würden die Rechte der deutschen Fürsten unter dem
Schutze einer so geordneten Bundesgewalt ruhen, als sie es sind
bei einem feindlichen, srelindnachbarlichen Kriege Aller gegen Alle.

Ein größeres Hinderniß setzt die Stellung Oesterreichs und
Preußens als europäische Mächte und als Mitglieder des deutschen
Bundes der Verwirklichung einer nationalen deutschen Bundesverfas¬
sung entgegen. Auch hierüber herrscht in Schuselkas Schrift keine
Klarheit. Der Dualismus, von dem man mit Hinblick auf Preu¬
ßen und Oesterreich spricht, ist in der That ein Duumvirat. Ein
politisches Duumvirat aber, Ponipejus und Cäsar, das ist ein übel
Ding. Dieser alte Pompejus, den seine ruhmvolle Vergangenheit
stützt und trägt, und dieser feurige, in Waffen strahlende Cäsar, dem
die Zukunft gehört! Es ist sehr gut, zwei Beine zu haben, aber


Theilen eine gemeinschaftliche Bundesgewalt zusammenzusetzen, welche
im Stande wäre, im Innern die Rechtsgleichheit der Bundesmit-
glieder unter einander zu schütze», und nach allsten nicht eine Ue-
berlegenheit, aber eine völlig gleiche Berechtigung der deutschen Na¬
tion den andern Nationen gegenüber geltend zu machen. Eine solche
Bundesgewalt kann aber nur entstehen, wenn ihrem Wirkungskreise
scharfe Grenzen gezogen werden, so daß sie zwar innerhalb dieser
Grenzen mit nachdrücklicher Kraft und aller Entschiedenheit, ja sogar
von der ganzen Nation unterstützt handeln kann; aber daß sie auch
außerhalb dieser Grenzen eben so entschieden ohnmächtig sein muß,
in die den einzelnen Staaten verbliebene Selbstständigkeit überzugrei¬
fen und sich in Angelegenheiten einzumischen, die lediglich im Wir¬
kungskreise der einzelnen Staaten als einzelner liegen. So lange
eine solche Competenzlinie nicht besteht, wird eine sogenannte Bun¬
desgewalt, wo sie nicht soll, Alles, und, wo sie soll, Nichts thun
können.

Es handelt sich also bei uns nicht, wie Schuselka meint, um
eine Nationalität im französischen Sinne, sondern um eine Natio¬
nalität, wie sie von den nord'amerikanischen Freistaaten aufgefaßt
worden ist, — nicht um eine deutsche Machteinheit, sondern um
eine deutsche Machteinigkeit, — nicht um eine französische Crn<
tralisation, sondern um eine starke Conföderation.

Man wende uns nicht die Frage ein: was denn bei einer
solchen Konföderation mit den deutschen Fürsten werden solle? —
Gewiß, sicherer würden die Rechte der deutschen Fürsten unter dem
Schutze einer so geordneten Bundesgewalt ruhen, als sie es sind
bei einem feindlichen, srelindnachbarlichen Kriege Aller gegen Alle.

Ein größeres Hinderniß setzt die Stellung Oesterreichs und
Preußens als europäische Mächte und als Mitglieder des deutschen
Bundes der Verwirklichung einer nationalen deutschen Bundesverfas¬
sung entgegen. Auch hierüber herrscht in Schuselkas Schrift keine
Klarheit. Der Dualismus, von dem man mit Hinblick auf Preu¬
ßen und Oesterreich spricht, ist in der That ein Duumvirat. Ein
politisches Duumvirat aber, Ponipejus und Cäsar, das ist ein übel
Ding. Dieser alte Pompejus, den seine ruhmvolle Vergangenheit
stützt und trägt, und dieser feurige, in Waffen strahlende Cäsar, dem
die Zukunft gehört! Es ist sehr gut, zwei Beine zu haben, aber


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[0298] Theilen eine gemeinschaftliche Bundesgewalt zusammenzusetzen, welche im Stande wäre, im Innern die Rechtsgleichheit der Bundesmit- glieder unter einander zu schütze», und nach allsten nicht eine Ue- berlegenheit, aber eine völlig gleiche Berechtigung der deutschen Na¬ tion den andern Nationen gegenüber geltend zu machen. Eine solche Bundesgewalt kann aber nur entstehen, wenn ihrem Wirkungskreise scharfe Grenzen gezogen werden, so daß sie zwar innerhalb dieser Grenzen mit nachdrücklicher Kraft und aller Entschiedenheit, ja sogar von der ganzen Nation unterstützt handeln kann; aber daß sie auch außerhalb dieser Grenzen eben so entschieden ohnmächtig sein muß, in die den einzelnen Staaten verbliebene Selbstständigkeit überzugrei¬ fen und sich in Angelegenheiten einzumischen, die lediglich im Wir¬ kungskreise der einzelnen Staaten als einzelner liegen. So lange eine solche Competenzlinie nicht besteht, wird eine sogenannte Bun¬ desgewalt, wo sie nicht soll, Alles, und, wo sie soll, Nichts thun können. Es handelt sich also bei uns nicht, wie Schuselka meint, um eine Nationalität im französischen Sinne, sondern um eine Natio¬ nalität, wie sie von den nord'amerikanischen Freistaaten aufgefaßt worden ist, — nicht um eine deutsche Machteinheit, sondern um eine deutsche Machteinigkeit, — nicht um eine französische Crn< tralisation, sondern um eine starke Conföderation. Man wende uns nicht die Frage ein: was denn bei einer solchen Konföderation mit den deutschen Fürsten werden solle? — Gewiß, sicherer würden die Rechte der deutschen Fürsten unter dem Schutze einer so geordneten Bundesgewalt ruhen, als sie es sind bei einem feindlichen, srelindnachbarlichen Kriege Aller gegen Alle. Ein größeres Hinderniß setzt die Stellung Oesterreichs und Preußens als europäische Mächte und als Mitglieder des deutschen Bundes der Verwirklichung einer nationalen deutschen Bundesverfas¬ sung entgegen. Auch hierüber herrscht in Schuselkas Schrift keine Klarheit. Der Dualismus, von dem man mit Hinblick auf Preu¬ ßen und Oesterreich spricht, ist in der That ein Duumvirat. Ein politisches Duumvirat aber, Ponipejus und Cäsar, das ist ein übel Ding. Dieser alte Pompejus, den seine ruhmvolle Vergangenheit stützt und trägt, und dieser feurige, in Waffen strahlende Cäsar, dem die Zukunft gehört! Es ist sehr gut, zwei Beine zu haben, aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/298>, abgerufen am 05.02.2025.