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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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schwägerung des Kaisers der Franzosen mit dem österreichischen Kai¬
serhause zu bewerkstelligen, gegen welche Kaiser Franz bekanntlich eine
tiefe Abneigung hegte. Die Heirath des französischen Helden mit der
schönen Erzherzogin von Oesterreich kann als ihr Werk betrachtet
werden, da sie es unternahm, die Hindernisse wegzuräumen, welche
dem Wunsche des französischen Monarchen am Wiener Hofe noch
entgegenstanden. Die geistreiche Herzogin war eine Art weiblicher
Kaunitz und wie dieser von der Vortheilhaftigkeit einer Allianz mit
Frankreich auf das Innigste durchdrungen. Doch hatte ihr Werk
nicht mehr Glück, als die Schöpfung ihres Staatsklugen Geistcsbru-
ders, denn wahrend dieser auf dem Schaffet verblutete, zerfiel jenes
in einer politischen Scheidung von Tisch und Bett.


III.
A " s D r e s d e ".

Wagner's Tannhäuser und seine Gegner. -- Exposition der Dichtung.

Stoss zu sehr verschiedenartigen Meinungen und Ansichten hat
kürzlich Richard Wagners neueste Oper: "Der Tannhäuser" gegeben,
und theils dadurch, theils durch die brillante Ausstattung, von wel¬
cher vorher so viel gesprochen wurde, bedeutendes Aufsehen erregt.
Wie es aber gar oft geht, wenn man seine Erwartungen nicht ge¬
rade arif die erwartete Weise befriedigt findet, und sich nun erst selbst
in das, was man sieht und hört, hineinsehen und hören muß, so
ging es auch hier; ein Theil der Zuschauer verließ, sich getauscht
glaubend, das Theater, und einige Langen, die bei späteren Auffüh¬
rungen gestrichen wurden, überredeten sie leicht zu der Behauptung,
das Ganze sei langweilig. Eine zweite Aufführung gab in einzelnen
Stellen, zu Anfang der Oper, Kunde von der keineswegs freundlichen
Stimmung des Publicums, und Viele prophczeihten ihr nur geringes
Gedeihen, was durch eine neuntägige Aussetzung derselben, da Herr
Tichatschek unwohl gewordeii war, nichts weniger als geändert wor¬
den, und Wagners Gegnern Gelegenheit gegeben hatte, Triumph¬
lieder und Posaunenstöße in die Welt hinaus zu senden. Da machte
eine dritte Aufführung die Zuschauer stutzen, die jetzt bei ruhigerem
Blute die Sache von einem anderen Standpunkte aus zu betrachten
anfingen, und die vierte Vorstellung der Oper am 2. November
konnte den Componisten vollkommen über das glückliche und kräftige
Gedeihen seines Werkes beruhigen. Das Haus war gedrängt voll,
jede Nummer wurde fast rauschend applaudirt und bei jedem Akt¬
schluß das Personal wie der Componist hervorgerufen.

Um jedoch einen Ueberblick über das ganze Werk zu bekommen,
so möchte es für die auswärtigen Leser nicht uninteressant sein, eine


schwägerung des Kaisers der Franzosen mit dem österreichischen Kai¬
serhause zu bewerkstelligen, gegen welche Kaiser Franz bekanntlich eine
tiefe Abneigung hegte. Die Heirath des französischen Helden mit der
schönen Erzherzogin von Oesterreich kann als ihr Werk betrachtet
werden, da sie es unternahm, die Hindernisse wegzuräumen, welche
dem Wunsche des französischen Monarchen am Wiener Hofe noch
entgegenstanden. Die geistreiche Herzogin war eine Art weiblicher
Kaunitz und wie dieser von der Vortheilhaftigkeit einer Allianz mit
Frankreich auf das Innigste durchdrungen. Doch hatte ihr Werk
nicht mehr Glück, als die Schöpfung ihres Staatsklugen Geistcsbru-
ders, denn wahrend dieser auf dem Schaffet verblutete, zerfiel jenes
in einer politischen Scheidung von Tisch und Bett.


III.
A » s D r e s d e ».

Wagner's Tannhäuser und seine Gegner. — Exposition der Dichtung.

Stoss zu sehr verschiedenartigen Meinungen und Ansichten hat
kürzlich Richard Wagners neueste Oper: „Der Tannhäuser" gegeben,
und theils dadurch, theils durch die brillante Ausstattung, von wel¬
cher vorher so viel gesprochen wurde, bedeutendes Aufsehen erregt.
Wie es aber gar oft geht, wenn man seine Erwartungen nicht ge¬
rade arif die erwartete Weise befriedigt findet, und sich nun erst selbst
in das, was man sieht und hört, hineinsehen und hören muß, so
ging es auch hier; ein Theil der Zuschauer verließ, sich getauscht
glaubend, das Theater, und einige Langen, die bei späteren Auffüh¬
rungen gestrichen wurden, überredeten sie leicht zu der Behauptung,
das Ganze sei langweilig. Eine zweite Aufführung gab in einzelnen
Stellen, zu Anfang der Oper, Kunde von der keineswegs freundlichen
Stimmung des Publicums, und Viele prophczeihten ihr nur geringes
Gedeihen, was durch eine neuntägige Aussetzung derselben, da Herr
Tichatschek unwohl gewordeii war, nichts weniger als geändert wor¬
den, und Wagners Gegnern Gelegenheit gegeben hatte, Triumph¬
lieder und Posaunenstöße in die Welt hinaus zu senden. Da machte
eine dritte Aufführung die Zuschauer stutzen, die jetzt bei ruhigerem
Blute die Sache von einem anderen Standpunkte aus zu betrachten
anfingen, und die vierte Vorstellung der Oper am 2. November
konnte den Componisten vollkommen über das glückliche und kräftige
Gedeihen seines Werkes beruhigen. Das Haus war gedrängt voll,
jede Nummer wurde fast rauschend applaudirt und bei jedem Akt¬
schluß das Personal wie der Componist hervorgerufen.

Um jedoch einen Ueberblick über das ganze Werk zu bekommen,
so möchte es für die auswärtigen Leser nicht uninteressant sein, eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/284>, abgerufen am 05.02.2025.