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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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theils stehen ihm die günstigen Bedingnisse der mit Rußland und
England abgeschlossenen Handelsverträge mit der Türkei im Wege.
Es muß daher Aufgabe der österreichischen Staatskunst sein, die Pforte
zu dem Abschluß eines auf gleichen Grundlagen ruhenden Schifffahrts¬
vertrages zu bewegen, und ist auch die Mission des k. k, Regierungs-
rathes Baron Geringer im verflossenen Jahre mißglückt, so besteht
doch einige Hoffnung, daß wiederholte Versuche ein besseres Resultat
erzielen werden. Wir mögen wenigstens nicht zweifeln, daß neben
den anderweitigen Zwecken dieser Reise, Herrn Czörnig auch eine han¬
delspolitische Mission zu Theil geworden sei, da es sich nicht läugnen
laßt, daß den commerziellen Beziehungen zum türkischen Reiche in
der letzten Zeit von Seite der hiesigen Regierung sehr lebhafte Auf¬
merksamkeit geschenkt wird.

Dem Chef des statistischen Bureaus ist es endlich gelungen, die
höhere Bewilligung zu einer regelmäßigen Veröffentlichung der aus
den amtlichen Quellen gezogenen statistischen Tabellen zu erhalten und
diese fruchtbaren und fleißig gearbeiteten Quellenschriften können fortan
von Jedermann durch den Buchhandel bezogen werden, so daß jetzt
die früher gerechte Klage über die Quellcnnoth der Schriftsteller bei
der Behandlung des Kaiserstaates in dieser Hinsicht verstummen muß.

Obschon in der letzten Woche die Hinrichtung zweier des Raub¬
mords geständiger Husaren erfolgte, so haben doch bereits abermals
zwei andere, in der Umgebung Wiens streifende Husaren bei dem
Dorfe Schwechat einen nach Hause fahrenden Müller angefallen, der
sich jedoch ernsthaft zur Wehr setzte und mit einigen Säbel¬
hieben davonkam. Das hier garnisonirende Husarenregiment mag in
militärischer Hinsicht, wie man versichert, eine ganz ausgezeichnete
Truppe sein, doch in Bezug auf sein Verhalten gegen die Bürger
hört man allgemein klagen, und es würden diese Klagen ohne Zweifel
bereits die Ablösung des besagten Husarenrcgiments durch ein anderes
Kavallerieregiment erzweckt haben, wollte man nicht die Ankunft des
Kaisers Nikolaus auf der Rückreise aus Italien abwarten, der der
Inhaber des Husarenregiments ist und welchem man darum dasselbe
gern vorführen möchte. -- Die letzte Herzogin von Lothringen-Guise,
einem Nebenzweig des in Oesterreich regierenden Hauses Lothringen,
eine geborne Gräfin von Crenneville, ist unlängst gestorben. Sie
war vordem mit dem Grafen Colloredo-Wallsee vermählt. Ihr zwei¬
ter Gatte, in der Revolutionsgeschichte als Prinz von Lambesc be¬
kannt, ist ihr ebenfalls schon lange vorausgegangen. Die Frau Her¬
zogin wird als eine sehr geistreiche Dame geschildert, die einst am
Hofe eine wichtige und einflußreiche Rolle spielte, abgesehen von ih¬
rem Range, der sie unmittelbar nach den österreichischen Erzherzogin¬
nen stellte. Sie fühlte eine große Verehrung für Napoleon und ih¬
rer Untcrhandlungskunst soll es vorzugsweise gelungen sein, die Ver-


theils stehen ihm die günstigen Bedingnisse der mit Rußland und
England abgeschlossenen Handelsverträge mit der Türkei im Wege.
Es muß daher Aufgabe der österreichischen Staatskunst sein, die Pforte
zu dem Abschluß eines auf gleichen Grundlagen ruhenden Schifffahrts¬
vertrages zu bewegen, und ist auch die Mission des k. k, Regierungs-
rathes Baron Geringer im verflossenen Jahre mißglückt, so besteht
doch einige Hoffnung, daß wiederholte Versuche ein besseres Resultat
erzielen werden. Wir mögen wenigstens nicht zweifeln, daß neben
den anderweitigen Zwecken dieser Reise, Herrn Czörnig auch eine han¬
delspolitische Mission zu Theil geworden sei, da es sich nicht läugnen
laßt, daß den commerziellen Beziehungen zum türkischen Reiche in
der letzten Zeit von Seite der hiesigen Regierung sehr lebhafte Auf¬
merksamkeit geschenkt wird.

Dem Chef des statistischen Bureaus ist es endlich gelungen, die
höhere Bewilligung zu einer regelmäßigen Veröffentlichung der aus
den amtlichen Quellen gezogenen statistischen Tabellen zu erhalten und
diese fruchtbaren und fleißig gearbeiteten Quellenschriften können fortan
von Jedermann durch den Buchhandel bezogen werden, so daß jetzt
die früher gerechte Klage über die Quellcnnoth der Schriftsteller bei
der Behandlung des Kaiserstaates in dieser Hinsicht verstummen muß.

Obschon in der letzten Woche die Hinrichtung zweier des Raub¬
mords geständiger Husaren erfolgte, so haben doch bereits abermals
zwei andere, in der Umgebung Wiens streifende Husaren bei dem
Dorfe Schwechat einen nach Hause fahrenden Müller angefallen, der
sich jedoch ernsthaft zur Wehr setzte und mit einigen Säbel¬
hieben davonkam. Das hier garnisonirende Husarenregiment mag in
militärischer Hinsicht, wie man versichert, eine ganz ausgezeichnete
Truppe sein, doch in Bezug auf sein Verhalten gegen die Bürger
hört man allgemein klagen, und es würden diese Klagen ohne Zweifel
bereits die Ablösung des besagten Husarenrcgiments durch ein anderes
Kavallerieregiment erzweckt haben, wollte man nicht die Ankunft des
Kaisers Nikolaus auf der Rückreise aus Italien abwarten, der der
Inhaber des Husarenregiments ist und welchem man darum dasselbe
gern vorführen möchte. — Die letzte Herzogin von Lothringen-Guise,
einem Nebenzweig des in Oesterreich regierenden Hauses Lothringen,
eine geborne Gräfin von Crenneville, ist unlängst gestorben. Sie
war vordem mit dem Grafen Colloredo-Wallsee vermählt. Ihr zwei¬
ter Gatte, in der Revolutionsgeschichte als Prinz von Lambesc be¬
kannt, ist ihr ebenfalls schon lange vorausgegangen. Die Frau Her¬
zogin wird als eine sehr geistreiche Dame geschildert, die einst am
Hofe eine wichtige und einflußreiche Rolle spielte, abgesehen von ih¬
rem Range, der sie unmittelbar nach den österreichischen Erzherzogin¬
nen stellte. Sie fühlte eine große Verehrung für Napoleon und ih¬
rer Untcrhandlungskunst soll es vorzugsweise gelungen sein, die Ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/283>, abgerufen am 05.02.2025.