Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.das Bier und Brod des Lebens um einige Centimen billiger gereicht Zur Zeit ist Brüssel noch sehr dürftig mit deutscher Journalistik Seltsam, daß die hiesigen Zeitungen so dürftige Notizen über das Bier und Brod des Lebens um einige Centimen billiger gereicht Zur Zeit ist Brüssel noch sehr dürftig mit deutscher Journalistik Seltsam, daß die hiesigen Zeitungen so dürftige Notizen über <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271535"/> <p xml:id="ID_783" prev="#ID_782"> das Bier und Brod des Lebens um einige Centimen billiger gereicht<lb/> wurde, wofür sie fanatische Predigten im geschlossenen Seitenzimmer an¬<lb/> hören und feierliche Gelübde leisten mußten. Die Sache rentirt sich nicht mehr.</p><lb/> <p xml:id="ID_784"> Zur Zeit ist Brüssel noch sehr dürftig mit deutscher Journalistik<lb/> versorgt. Die kölnische Zeitung scheint hier ein Monopol zu besitzen,<lb/> sie allein vertritt in Kasse's und Hotels die Ehre Deutschlands, aber<lb/> so pragmatisch das Blatt über deutsche Zustande berichtet, so sehnt<lb/> sich der mehr als gewöhnliche Leser doch auch nach anderer Speise.<lb/> Im Cafe Suisse, wo viele deutsch-katholische Fabrikanten und rei¬<lb/> sende Commis einzukehren pflegen, paradirt auch die knochendürre<lb/> Elberfelder (Kirchen-) Zeitung. Das unentbehrliche Organ des Cabi-<lb/> nets von Augsburg dagegen findet man nur in der soni>!t>5 de Com-<lb/> merce. Dieser Lese-, Spiel-, Trink- und Rauchclub gehört zu den<lb/> schönsten Anstalten dieser Art. Großartig, wie die Hall of Commerce<lb/> in London, fast eben so reich an Broschüren und Journalen wie das<lb/> Leipziger Museum, ist er zugleich mit dem luxuriösesten Comfort aus¬<lb/> gestattet. Die Vorhalle, wo geraucht, getrunken, gespeist und ge¬<lb/> spielt wird, hat einen Plafond., wie eine Kirche, zahllose gepolsterte<lb/> Lehnstühle, schwelgerische Sophas und zwei Balkone, welche auf die<lb/> belebtesten Plätze der Stadt gehen. Es thut einem deutschen Literaten<lb/> weh zu denken, welche riesenhafte Iweckessen hier gegeben werden<lb/> könnten! Aber auch in der soni'!t« de Commerce findet Deutschland<lb/> nur eine bescheidene Vertretung. Außer der Allgemeinen Augsburger<lb/> Zeitung, den Monatsblattcrn, dem Ausland und der Cölnischen Zeitung<lb/> liegt nur noch die Oberpostamtszeitung auf. Halt! eine Zeitschrift<lb/> halte ich bald vergessen: die — Europa. Ich muß aber zu ihrer<lb/> Ehre bemerken, daß sie hier jungfräulicher ist als die politische Eu¬<lb/> ropa, die, seit dem tollen Streiche Jupiters, sich so oft von ungött¬<lb/> lichen Ochsen hat ent- und verführen lassen. Lewald's Europa zeigt<lb/> ihr schönes Velinpapier am Ende des Monats eben so rein und un¬<lb/> befleckt, wie am Anfang desselben. Die Grenzboten werden mehr in<lb/> Antwerpen als Brüssel gelesen, wo sie nur in zwei bis drei Privat-<lb/> L-sezirkeln zu finden sind. Morgenblatt, Cottasche Vierteljahrs¬<lb/> schrift !c. sind gar nicht zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_785" next="#ID_786"> Seltsam, daß die hiesigen Zeitungen so dürftige Notizen über<lb/> Deutschland bringen. Wahrend die Pariser Blatter und Romane, der<lb/> Siöcle, die Debats, der Constitutionel, die Revue des deux Monats,<lb/> regelmäßig und in selbstständigen Abhandlungen die langsame Umwäl¬<lb/> zung deutscher Zustände beleuchten, begnügt sich die belgische Presse<lb/> mit einigen Brosamen, die vom Tische der censirten deutschen Zeitun¬<lb/> gen ihr gerade unter die Nase fallen und die sie zuweilen falsch über¬<lb/> setzt. Zum Theil mag es Oeconomie sein, zum Theil der rein mu¬<lb/> nicipale Charakter, der den politischen Horizont der hiesigen Wort-</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0274]
das Bier und Brod des Lebens um einige Centimen billiger gereicht
wurde, wofür sie fanatische Predigten im geschlossenen Seitenzimmer an¬
hören und feierliche Gelübde leisten mußten. Die Sache rentirt sich nicht mehr.
Zur Zeit ist Brüssel noch sehr dürftig mit deutscher Journalistik
versorgt. Die kölnische Zeitung scheint hier ein Monopol zu besitzen,
sie allein vertritt in Kasse's und Hotels die Ehre Deutschlands, aber
so pragmatisch das Blatt über deutsche Zustande berichtet, so sehnt
sich der mehr als gewöhnliche Leser doch auch nach anderer Speise.
Im Cafe Suisse, wo viele deutsch-katholische Fabrikanten und rei¬
sende Commis einzukehren pflegen, paradirt auch die knochendürre
Elberfelder (Kirchen-) Zeitung. Das unentbehrliche Organ des Cabi-
nets von Augsburg dagegen findet man nur in der soni>!t>5 de Com-
merce. Dieser Lese-, Spiel-, Trink- und Rauchclub gehört zu den
schönsten Anstalten dieser Art. Großartig, wie die Hall of Commerce
in London, fast eben so reich an Broschüren und Journalen wie das
Leipziger Museum, ist er zugleich mit dem luxuriösesten Comfort aus¬
gestattet. Die Vorhalle, wo geraucht, getrunken, gespeist und ge¬
spielt wird, hat einen Plafond., wie eine Kirche, zahllose gepolsterte
Lehnstühle, schwelgerische Sophas und zwei Balkone, welche auf die
belebtesten Plätze der Stadt gehen. Es thut einem deutschen Literaten
weh zu denken, welche riesenhafte Iweckessen hier gegeben werden
könnten! Aber auch in der soni'!t« de Commerce findet Deutschland
nur eine bescheidene Vertretung. Außer der Allgemeinen Augsburger
Zeitung, den Monatsblattcrn, dem Ausland und der Cölnischen Zeitung
liegt nur noch die Oberpostamtszeitung auf. Halt! eine Zeitschrift
halte ich bald vergessen: die — Europa. Ich muß aber zu ihrer
Ehre bemerken, daß sie hier jungfräulicher ist als die politische Eu¬
ropa, die, seit dem tollen Streiche Jupiters, sich so oft von ungött¬
lichen Ochsen hat ent- und verführen lassen. Lewald's Europa zeigt
ihr schönes Velinpapier am Ende des Monats eben so rein und un¬
befleckt, wie am Anfang desselben. Die Grenzboten werden mehr in
Antwerpen als Brüssel gelesen, wo sie nur in zwei bis drei Privat-
L-sezirkeln zu finden sind. Morgenblatt, Cottasche Vierteljahrs¬
schrift !c. sind gar nicht zu haben.
Seltsam, daß die hiesigen Zeitungen so dürftige Notizen über
Deutschland bringen. Wahrend die Pariser Blatter und Romane, der
Siöcle, die Debats, der Constitutionel, die Revue des deux Monats,
regelmäßig und in selbstständigen Abhandlungen die langsame Umwäl¬
zung deutscher Zustände beleuchten, begnügt sich die belgische Presse
mit einigen Brosamen, die vom Tische der censirten deutschen Zeitun¬
gen ihr gerade unter die Nase fallen und die sie zuweilen falsch über¬
setzt. Zum Theil mag es Oeconomie sein, zum Theil der rein mu¬
nicipale Charakter, der den politischen Horizont der hiesigen Wort-
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