Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Dienst ergrauter Männer? Ich bitte, Herr Rector, betrachten Sie
meine Aeußerung nur als die harmlose, individuelle Erklärung eines
jungen, mit sich selbst uneins gewordenen Mannes, der seine Bahn
verfehlte, und sich wieder zurücksehnt ins Vaterland. Verschonen
Sie mich mit weitläufigen Erörterungen, und lassen Sie mich ruhig
"

zen!
"Jetzt noch sind Sie mein Zögling," fing der Rector an. "Ich
kann Ihnen als Vorgesetzter befehlen, und Sie sind Gehorsam schul¬
dig. Ohne Widerrede werden Sie das Verlangte zu Papier bringen."

"Wird es in keiner Art üble Folgen für mich haben? Es ist
mir Alles daran gelegen, ehrenvoll von hier zu scheiden, wie ich
ehrenvoll, mit guten Zeugnissen, hergekommen bin. Darum habe
ich bis jetzt in Allem pünktlich gehorcht, und werde es so halten bis
umletenAuenblicke meines iereins."

ztzg
Der Rector gab mir seine Hand darauf, daß die schriftliche
Erklärung weder öffentlich noch heimlich zu meinem Nachtheil in
Anwendung kommen sollte. Darauf schloß ich mich in meine Zelle
und dachte nach, was ich jetzt eigentlich niederschreiben wolle.


IV.

Ich möchte Niemanden rathen, mitten in einem römischen Klo
ster stehend, aus eigenem Antrieb seine Umgebung freimüthig zu re-
censiren. Der Spaß könnte böse Früchte tragen. Eine Aufforderung
des Vorgesetzten mag allerdings daS offen ausgesprochene Wort vor
einen mildern Richter stellen, aber der Punkt bleibt doch immer kri
tisch, man wende ihn wie man will. Das fühlte ich auch jetzt seh
wohl und rau mir elbt:

pz
"Warum will Pater Landes mein Urtheil über das deutsch
Colleg schriftlich haben? Meine mündliche Erklärung motivirt do
wohl hinlänglich meinen Austritt. Sollte er sich mit mir in ein
scholastische Disputation einlassen wollen, zu der weder meine theo
logischen noch historischen Kenntnisse ausreichen? Der gewandt
Pater würde mich mit Citaten bald geschlagen haben, wenn au
mein Gefühl mir tausendmal sagte, es kann nicht ganz so sein wi
er behauptet. Und dann seine Versicherung, daß nichts zu meine
Nachtheil ausfallen soll. Ich bin mißtrauisch gegen dies zweideutig
Wort. Man könnte es am Ende gar in meinem Vortheil finden


Dienst ergrauter Männer? Ich bitte, Herr Rector, betrachten Sie
meine Aeußerung nur als die harmlose, individuelle Erklärung eines
jungen, mit sich selbst uneins gewordenen Mannes, der seine Bahn
verfehlte, und sich wieder zurücksehnt ins Vaterland. Verschonen
Sie mich mit weitläufigen Erörterungen, und lassen Sie mich ruhig
"

zen!
„Jetzt noch sind Sie mein Zögling," fing der Rector an. „Ich
kann Ihnen als Vorgesetzter befehlen, und Sie sind Gehorsam schul¬
dig. Ohne Widerrede werden Sie das Verlangte zu Papier bringen."

„Wird es in keiner Art üble Folgen für mich haben? Es ist
mir Alles daran gelegen, ehrenvoll von hier zu scheiden, wie ich
ehrenvoll, mit guten Zeugnissen, hergekommen bin. Darum habe
ich bis jetzt in Allem pünktlich gehorcht, und werde es so halten bis
umletenAuenblicke meines iereins."

ztzg
Der Rector gab mir seine Hand darauf, daß die schriftliche
Erklärung weder öffentlich noch heimlich zu meinem Nachtheil in
Anwendung kommen sollte. Darauf schloß ich mich in meine Zelle
und dachte nach, was ich jetzt eigentlich niederschreiben wolle.


IV.

Ich möchte Niemanden rathen, mitten in einem römischen Klo
ster stehend, aus eigenem Antrieb seine Umgebung freimüthig zu re-
censiren. Der Spaß könnte böse Früchte tragen. Eine Aufforderung
des Vorgesetzten mag allerdings daS offen ausgesprochene Wort vor
einen mildern Richter stellen, aber der Punkt bleibt doch immer kri
tisch, man wende ihn wie man will. Das fühlte ich auch jetzt seh
wohl und rau mir elbt:

pz
„Warum will Pater Landes mein Urtheil über das deutsch
Colleg schriftlich haben? Meine mündliche Erklärung motivirt do
wohl hinlänglich meinen Austritt. Sollte er sich mit mir in ein
scholastische Disputation einlassen wollen, zu der weder meine theo
logischen noch historischen Kenntnisse ausreichen? Der gewandt
Pater würde mich mit Citaten bald geschlagen haben, wenn au
mein Gefühl mir tausendmal sagte, es kann nicht ganz so sein wi
er behauptet. Und dann seine Versicherung, daß nichts zu meine
Nachtheil ausfallen soll. Ich bin mißtrauisch gegen dies zweideutig
Wort. Man könnte es am Ende gar in meinem Vortheil finden


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0265" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271526"/>
              <p xml:id="ID_755" prev="#ID_754"> Dienst ergrauter Männer? Ich bitte, Herr Rector, betrachten Sie<lb/>
meine Aeußerung nur als die harmlose, individuelle Erklärung eines<lb/>
jungen, mit sich selbst uneins gewordenen Mannes, der seine Bahn<lb/>
verfehlte, und sich wieder zurücksehnt ins Vaterland. Verschonen<lb/>
Sie mich mit weitläufigen Erörterungen, und lassen Sie mich ruhig<lb/>
"</p><lb/>
              <p xml:id="ID_756"> zen!<lb/>
&#x201E;Jetzt noch sind Sie mein Zögling," fing der Rector an. &#x201E;Ich<lb/>
kann Ihnen als Vorgesetzter befehlen, und Sie sind Gehorsam schul¬<lb/>
dig. Ohne Widerrede werden Sie das Verlangte zu Papier bringen."</p><lb/>
              <p xml:id="ID_757"> &#x201E;Wird es in keiner Art üble Folgen für mich haben? Es ist<lb/>
mir Alles daran gelegen, ehrenvoll von hier zu scheiden, wie ich<lb/>
ehrenvoll, mit guten Zeugnissen, hergekommen bin. Darum habe<lb/>
ich bis jetzt in Allem pünktlich gehorcht, und werde es so halten bis<lb/>
umletenAuenblicke meines iereins."</p><lb/>
              <p xml:id="ID_758"> ztzg<lb/>
Der Rector gab mir seine Hand darauf, daß die schriftliche<lb/>
Erklärung weder öffentlich noch heimlich zu meinem Nachtheil in<lb/>
Anwendung kommen sollte. Darauf schloß ich mich in meine Zelle<lb/>
und dachte nach, was ich jetzt eigentlich niederschreiben wolle.</p><lb/>
            </div>
            <div n="3">
              <head> IV.</head><lb/>
              <p xml:id="ID_759"> Ich möchte Niemanden rathen, mitten in einem römischen Klo<lb/>
ster stehend, aus eigenem Antrieb seine Umgebung freimüthig zu re-<lb/>
censiren. Der Spaß könnte böse Früchte tragen. Eine Aufforderung<lb/>
des Vorgesetzten mag allerdings daS offen ausgesprochene Wort vor<lb/>
einen mildern Richter stellen, aber der Punkt bleibt doch immer kri<lb/>
tisch, man wende ihn wie man will. Das fühlte ich auch jetzt seh<lb/>
wohl und rau mir elbt:</p><lb/>
              <p xml:id="ID_760" next="#ID_761"> pz<lb/>
&#x201E;Warum will Pater Landes mein Urtheil über das deutsch<lb/>
Colleg schriftlich haben? Meine mündliche Erklärung motivirt do<lb/>
wohl hinlänglich meinen Austritt. Sollte er sich mit mir in ein<lb/>
scholastische Disputation einlassen wollen, zu der weder meine theo<lb/>
logischen noch historischen Kenntnisse ausreichen? Der gewandt<lb/>
Pater würde mich mit Citaten bald geschlagen haben, wenn au<lb/>
mein Gefühl mir tausendmal sagte, es kann nicht ganz so sein wi<lb/>
er behauptet. Und dann seine Versicherung, daß nichts zu meine<lb/>
Nachtheil ausfallen soll. Ich bin mißtrauisch gegen dies zweideutig<lb/>
Wort. Man könnte es am Ende gar in meinem Vortheil finden</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0265] Dienst ergrauter Männer? Ich bitte, Herr Rector, betrachten Sie meine Aeußerung nur als die harmlose, individuelle Erklärung eines jungen, mit sich selbst uneins gewordenen Mannes, der seine Bahn verfehlte, und sich wieder zurücksehnt ins Vaterland. Verschonen Sie mich mit weitläufigen Erörterungen, und lassen Sie mich ruhig " zen! „Jetzt noch sind Sie mein Zögling," fing der Rector an. „Ich kann Ihnen als Vorgesetzter befehlen, und Sie sind Gehorsam schul¬ dig. Ohne Widerrede werden Sie das Verlangte zu Papier bringen." „Wird es in keiner Art üble Folgen für mich haben? Es ist mir Alles daran gelegen, ehrenvoll von hier zu scheiden, wie ich ehrenvoll, mit guten Zeugnissen, hergekommen bin. Darum habe ich bis jetzt in Allem pünktlich gehorcht, und werde es so halten bis umletenAuenblicke meines iereins." ztzg Der Rector gab mir seine Hand darauf, daß die schriftliche Erklärung weder öffentlich noch heimlich zu meinem Nachtheil in Anwendung kommen sollte. Darauf schloß ich mich in meine Zelle und dachte nach, was ich jetzt eigentlich niederschreiben wolle. IV. Ich möchte Niemanden rathen, mitten in einem römischen Klo ster stehend, aus eigenem Antrieb seine Umgebung freimüthig zu re- censiren. Der Spaß könnte böse Früchte tragen. Eine Aufforderung des Vorgesetzten mag allerdings daS offen ausgesprochene Wort vor einen mildern Richter stellen, aber der Punkt bleibt doch immer kri tisch, man wende ihn wie man will. Das fühlte ich auch jetzt seh wohl und rau mir elbt: pz „Warum will Pater Landes mein Urtheil über das deutsch Colleg schriftlich haben? Meine mündliche Erklärung motivirt do wohl hinlänglich meinen Austritt. Sollte er sich mit mir in ein scholastische Disputation einlassen wollen, zu der weder meine theo logischen noch historischen Kenntnisse ausreichen? Der gewandt Pater würde mich mit Citaten bald geschlagen haben, wenn au mein Gefühl mir tausendmal sagte, es kann nicht ganz so sein wi er behauptet. Und dann seine Versicherung, daß nichts zu meine Nachtheil ausfallen soll. Ich bin mißtrauisch gegen dies zweideutig Wort. Man könnte es am Ende gar in meinem Vortheil finden

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/265
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/265>, abgerufen am 05.02.2025.