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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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die Bereitwilligkeit, Priester werden zu wollen") Ich hatte damals
aufrichtig im Sinne, mich diesem Stande zu widmen. Dieser Stand
halte für mich etwas Heiliges, Ehrwürdiges. Er stand makellos da
vor meinen Augen. Seit Sie mich gewöhnt, einen so zweideutigen
Nebenbegriff mit ihm zu verbinden, habe ich leider sehr spät einsehen
lernen, daß ich zu einem solchen Priester nicht tauge. Ich binde
mich zu keinem Schritte weiter, als ich bereits gebunden bin. Ich
verspreche nichts weiter mehr. Das ist meine ernste Erklärung. Nun
verfügen Sie über mich nach Ihrer Pflicht und lassen Sie mich
ruhig aus diesem Kreise scheiden."

"Und warum," entgegnete der Rector, "warum können Sie den
heiligen Eid nicht leisten? Verkünden wir Krieg? Ist eS nicht viel¬
mehr die Liebe, welche uns treibt, alle Kinder der Welt wieder zu¬
rück zur einzig wahren Kirche, zum ewigen Heil zu führen? Predi¬
gen wir mit Feuer und Schwert? Nein! unsre Waffe ist ein er¬
baulicher Wandel und das Wort Gottes. Wir verwunden Nieman¬
den. Warum können Sie den Eid nicht leisten?"

"Er ist gegen mein Gewissen."

"Gegen Ihr Gewissen? Verblendeter, dessen Gewissen gegen
daS allmächtige Wort Gottes ist!"

"Ehrwürdiger Herr Pater Rector, ich bin ein Deutscher, und
ehre die Gesetze meines Landes. Ich kenne die Bedingungen des
westphälischen Friedens. Zwingt mich mein katholischer Glaube, da¬
gegen zu handeln? Ehe ich hierher kam, wurde ich auch an einer
katholischen Anstalt erzogen, aber nie hörte ich ein Wort, das mich
in dieser Hinsicht beunruhigt hätte."

"Wie Sie noch alle Begriffe durch einander werfen!" entgeg¬
nete der Rector. "Sie sind ganz verwirrt, mein Sohn. Sammeln
Sie sich klar und schreiben Sie die Gründe auf einen Bogen Pa¬
pier zusammen, die Sie beunruhigen."

"Wozu das? wird die Ansicht eines unerfahrnen Jünglings
etwas ändern können im Geist und der Einrichtung eines Institu¬
tes, das seit drei Jahrhunderten unwandelbar dasselbe blieb? Kann
meine Sprache in die Wagschaale fallen gegen Hunderte in seinem



*) Der Hieher gehörige Paragraph der Informativ ist in einer Note der
ersten Abtheilung bereits wörtlich mitgetheilt worden.

die Bereitwilligkeit, Priester werden zu wollen") Ich hatte damals
aufrichtig im Sinne, mich diesem Stande zu widmen. Dieser Stand
halte für mich etwas Heiliges, Ehrwürdiges. Er stand makellos da
vor meinen Augen. Seit Sie mich gewöhnt, einen so zweideutigen
Nebenbegriff mit ihm zu verbinden, habe ich leider sehr spät einsehen
lernen, daß ich zu einem solchen Priester nicht tauge. Ich binde
mich zu keinem Schritte weiter, als ich bereits gebunden bin. Ich
verspreche nichts weiter mehr. Das ist meine ernste Erklärung. Nun
verfügen Sie über mich nach Ihrer Pflicht und lassen Sie mich
ruhig aus diesem Kreise scheiden."

„Und warum," entgegnete der Rector, „warum können Sie den
heiligen Eid nicht leisten? Verkünden wir Krieg? Ist eS nicht viel¬
mehr die Liebe, welche uns treibt, alle Kinder der Welt wieder zu¬
rück zur einzig wahren Kirche, zum ewigen Heil zu führen? Predi¬
gen wir mit Feuer und Schwert? Nein! unsre Waffe ist ein er¬
baulicher Wandel und das Wort Gottes. Wir verwunden Nieman¬
den. Warum können Sie den Eid nicht leisten?"

„Er ist gegen mein Gewissen."

„Gegen Ihr Gewissen? Verblendeter, dessen Gewissen gegen
daS allmächtige Wort Gottes ist!"

„Ehrwürdiger Herr Pater Rector, ich bin ein Deutscher, und
ehre die Gesetze meines Landes. Ich kenne die Bedingungen des
westphälischen Friedens. Zwingt mich mein katholischer Glaube, da¬
gegen zu handeln? Ehe ich hierher kam, wurde ich auch an einer
katholischen Anstalt erzogen, aber nie hörte ich ein Wort, das mich
in dieser Hinsicht beunruhigt hätte."

„Wie Sie noch alle Begriffe durch einander werfen!" entgeg¬
nete der Rector. „Sie sind ganz verwirrt, mein Sohn. Sammeln
Sie sich klar und schreiben Sie die Gründe auf einen Bogen Pa¬
pier zusammen, die Sie beunruhigen."

„Wozu das? wird die Ansicht eines unerfahrnen Jünglings
etwas ändern können im Geist und der Einrichtung eines Institu¬
tes, das seit drei Jahrhunderten unwandelbar dasselbe blieb? Kann
meine Sprache in die Wagschaale fallen gegen Hunderte in seinem



*) Der Hieher gehörige Paragraph der Informativ ist in einer Note der
ersten Abtheilung bereits wörtlich mitgetheilt worden.
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[0264] die Bereitwilligkeit, Priester werden zu wollen") Ich hatte damals aufrichtig im Sinne, mich diesem Stande zu widmen. Dieser Stand halte für mich etwas Heiliges, Ehrwürdiges. Er stand makellos da vor meinen Augen. Seit Sie mich gewöhnt, einen so zweideutigen Nebenbegriff mit ihm zu verbinden, habe ich leider sehr spät einsehen lernen, daß ich zu einem solchen Priester nicht tauge. Ich binde mich zu keinem Schritte weiter, als ich bereits gebunden bin. Ich verspreche nichts weiter mehr. Das ist meine ernste Erklärung. Nun verfügen Sie über mich nach Ihrer Pflicht und lassen Sie mich ruhig aus diesem Kreise scheiden." „Und warum," entgegnete der Rector, „warum können Sie den heiligen Eid nicht leisten? Verkünden wir Krieg? Ist eS nicht viel¬ mehr die Liebe, welche uns treibt, alle Kinder der Welt wieder zu¬ rück zur einzig wahren Kirche, zum ewigen Heil zu führen? Predi¬ gen wir mit Feuer und Schwert? Nein! unsre Waffe ist ein er¬ baulicher Wandel und das Wort Gottes. Wir verwunden Nieman¬ den. Warum können Sie den Eid nicht leisten?" „Er ist gegen mein Gewissen." „Gegen Ihr Gewissen? Verblendeter, dessen Gewissen gegen daS allmächtige Wort Gottes ist!" „Ehrwürdiger Herr Pater Rector, ich bin ein Deutscher, und ehre die Gesetze meines Landes. Ich kenne die Bedingungen des westphälischen Friedens. Zwingt mich mein katholischer Glaube, da¬ gegen zu handeln? Ehe ich hierher kam, wurde ich auch an einer katholischen Anstalt erzogen, aber nie hörte ich ein Wort, das mich in dieser Hinsicht beunruhigt hätte." „Wie Sie noch alle Begriffe durch einander werfen!" entgeg¬ nete der Rector. „Sie sind ganz verwirrt, mein Sohn. Sammeln Sie sich klar und schreiben Sie die Gründe auf einen Bogen Pa¬ pier zusammen, die Sie beunruhigen." „Wozu das? wird die Ansicht eines unerfahrnen Jünglings etwas ändern können im Geist und der Einrichtung eines Institu¬ tes, das seit drei Jahrhunderten unwandelbar dasselbe blieb? Kann meine Sprache in die Wagschaale fallen gegen Hunderte in seinem *) Der Hieher gehörige Paragraph der Informativ ist in einer Note der ersten Abtheilung bereits wörtlich mitgetheilt worden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/264>, abgerufen am 05.02.2025.