Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.wenn sie die Theologiam absolvirt haben. Das ächte FundamenS Mein Witz war erschöpft. Ich verlangte von nun an kein Buch Die Kunst des Arztes, die sorgfältige Pflege eines Jesuiten- "Gott im Himmel! wenn Du es über mich verhängt hast, daß wenn sie die Theologiam absolvirt haben. Das ächte FundamenS Mein Witz war erschöpft. Ich verlangte von nun an kein Buch Die Kunst des Arztes, die sorgfältige Pflege eines Jesuiten- „Gott im Himmel! wenn Du es über mich verhängt hast, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271523"/> <p xml:id="ID_739" prev="#ID_738"> wenn sie die Theologiam absolvirt haben. Das ächte FundamenS<lb/> ist die Hauptsache. Der Pedell giebt eben das Zeichen zur Erbau¬<lb/> ungsrede des Präfektö. Seien Sie ohne Murren ein gehorsamer<lb/> Sohn und gehen Sie schnell in die Aula, daß Sie mir fein an<lb/> der Bildung des wahren Geistes nichts versäumen!" — Ich<lb/> wankte nun der Aula zu, und horte hier die Beschreibung der Hölle<lb/> an, in die eben einige neue Verurtheilte eintreten. Das Geschrei<lb/> der Verdammten klang gräßlicher, als eine Bluttragödie von Victor<lb/> Hugo.</p><lb/> <p xml:id="ID_740"> Mein Witz war erschöpft. Ich verlangte von nun an kein Buch<lb/> mehr. Aber mein Körper erlag jetzt dem innern Schmerz. Aufs<lb/> Krankenlager geworfen, wünschte ich mir den Tod, weil ich wohl<lb/> ahnte, daß mein Rücktritt aus dem Colleg so manches theure Band<lb/> für immer gewaltsam lösen würde, das mir einst im Vaterlande die<lb/> Tage verschönert. Auch hatte das Leben mitten unter diesen mich<lb/> stündlich umgaukelnden Schreckgestalten, neben all diesen vorgehalte¬<lb/> nen Spiegeln der Ascetik, in denen sich das Register der Heiligen<lb/> selbst geiselt oder aushungert, sür mich allen Reiz verloren. Mein<lb/> Inneres schauerte vor der Zukunft zusammen, aber mein Kopf war<lb/> verwirrt und unfähig für ein klares Urtheil geworden. Ich fühlte,<lb/> daß ich meine Laufbahn verfehlt, aber ich sah jetzt keinen Weg, der<lb/> mich wieder zurück zur Verlornen, wahrhaft glücklichen Unbefangenheit<lb/> führen konnte! Die eine Hälfte des Herzens war bereits einem fin¬<lb/> stern Wahne verfallen, und zog die andere nach, die sich noch mäch¬<lb/> tig dagegen sträubte. Ein solches Zerfallen mit sich selbst ist Wohl<lb/> einer der schrecklichsten Zustände, in die der Mensch versinken kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_741"> Die Kunst des Arztes, die sorgfältige Pflege eines Jesuiten-<lb/> Bruders und meine eigne gute Natur brachte dem Körper nach vier¬<lb/> zehn Tagen die Gesundheit wieder.</p><lb/> <p xml:id="ID_742" next="#ID_743"> „Gott im Himmel! wenn Du es über mich verhängt hast, daß<lb/> ich an diese Gesellschaft zeitlebens gebunden werden soll, so nimm<lb/> mir meinen Verstand! Diese ewigen Zweifel und Skrupel sind pein¬<lb/> licher, als die Folter." So betete ich eines Tages und sprang dann<lb/> wieder auf und sagte zu mir selbst: „Nein! das ist ein gottloses<lb/> Gebet. Muth, Muth, himmlischer Vater, diese Fesseln wieder zu<lb/> zerreißen, und wenn alle Jesuiten und meine Familie selbst dagegen<lb/> wären!" und schritt wie ein Rasender in der Zelle auf und nieder.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0262]
wenn sie die Theologiam absolvirt haben. Das ächte FundamenS
ist die Hauptsache. Der Pedell giebt eben das Zeichen zur Erbau¬
ungsrede des Präfektö. Seien Sie ohne Murren ein gehorsamer
Sohn und gehen Sie schnell in die Aula, daß Sie mir fein an
der Bildung des wahren Geistes nichts versäumen!" — Ich
wankte nun der Aula zu, und horte hier die Beschreibung der Hölle
an, in die eben einige neue Verurtheilte eintreten. Das Geschrei
der Verdammten klang gräßlicher, als eine Bluttragödie von Victor
Hugo.
Mein Witz war erschöpft. Ich verlangte von nun an kein Buch
mehr. Aber mein Körper erlag jetzt dem innern Schmerz. Aufs
Krankenlager geworfen, wünschte ich mir den Tod, weil ich wohl
ahnte, daß mein Rücktritt aus dem Colleg so manches theure Band
für immer gewaltsam lösen würde, das mir einst im Vaterlande die
Tage verschönert. Auch hatte das Leben mitten unter diesen mich
stündlich umgaukelnden Schreckgestalten, neben all diesen vorgehalte¬
nen Spiegeln der Ascetik, in denen sich das Register der Heiligen
selbst geiselt oder aushungert, sür mich allen Reiz verloren. Mein
Inneres schauerte vor der Zukunft zusammen, aber mein Kopf war
verwirrt und unfähig für ein klares Urtheil geworden. Ich fühlte,
daß ich meine Laufbahn verfehlt, aber ich sah jetzt keinen Weg, der
mich wieder zurück zur Verlornen, wahrhaft glücklichen Unbefangenheit
führen konnte! Die eine Hälfte des Herzens war bereits einem fin¬
stern Wahne verfallen, und zog die andere nach, die sich noch mäch¬
tig dagegen sträubte. Ein solches Zerfallen mit sich selbst ist Wohl
einer der schrecklichsten Zustände, in die der Mensch versinken kann.
Die Kunst des Arztes, die sorgfältige Pflege eines Jesuiten-
Bruders und meine eigne gute Natur brachte dem Körper nach vier¬
zehn Tagen die Gesundheit wieder.
„Gott im Himmel! wenn Du es über mich verhängt hast, daß
ich an diese Gesellschaft zeitlebens gebunden werden soll, so nimm
mir meinen Verstand! Diese ewigen Zweifel und Skrupel sind pein¬
licher, als die Folter." So betete ich eines Tages und sprang dann
wieder auf und sagte zu mir selbst: „Nein! das ist ein gottloses
Gebet. Muth, Muth, himmlischer Vater, diese Fesseln wieder zu
zerreißen, und wenn alle Jesuiten und meine Familie selbst dagegen
wären!" und schritt wie ein Rasender in der Zelle auf und nieder.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |