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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Zunge; blos ein einziges Journal wird französisch geschrieben. Unter
den Städten steht Mailand mit 30 Zeitschriften obenan, dann folgt
Wien mit 24, Pesth mit 14 und Prag mit 13 Blattern.

Vor ein paar Tagen sind mehre spanische Offiziere angekommen,
um sich in den Artilleriewissenschaften und im Geniewesen auszubil¬
den, es sind die Obersten Novells und Venenco und der Lieutenant
Guillamas. Auch nach Berlin soll eine Anzahl k. spanischer Offiziere
zum Behuf ihrer weitern militärischen Ausbildung gesendet werden,
wenn sie nicht schon dort eingetroffen sind.

Die Grenzboten haben in einer ihrer letzten Nummern den durch
seine neuesten Erklärungen berüchtigt gewordenen Chownitz erwähnt.
Hier kennt man diesen Herrn ganz genau und lacht über die Bedeu¬
tung, welche die deutsche Tagespresse einem solchen Menschen beilegen
konnte. Herr Ehownitz ist ohne alle wissenschaftliche Bildung und
wurde in einer sogenannten Cadettenkompagnie mit Ausschluß aller
Humanitätsbildung blos für den Militärstand erzogen, dem auch sein
Vater angehörte, welcher als 5 ?. Rittmeister starb. Zur Zeit der
großen Rüstungen gegen das durch die Julirevolution tieferschütterte
Frankreich noch sehr jung zum Offizier befördert, diente er ein paar
Jahre in dem ungarischen Infanterieregimente Prinz Wasa, bis er in
Folge von Insubordination den Dienst verlassen mußte, einige Zeit
in Wien lebte, sich nach Pesth wendete und später Oesterreich verließ,
wo er sodann in Leipzig "die Eisenbahn", später in Mainz "das
Rheinland" redigirte und zuletzt als Redakteur "der Schnellpost" in
Ulm sein Unwesen trieb. Zur Charakteristik seiner konfessionellen Um¬
triebe mag dienen, daß er bei seinem hiesigen Aufenthalt, nachdem die
loyale Spekulation des "Herzogsliedes" mißlungen war, ein Gedicht,
"die Verirrten" schrieb, wodurch er sich das Patronat des Elerus
verschaffen wollte. Man sah ihn damals viel im Palast des Nun¬
tius, dessen Sekretair, jetzt Nuntius in Brasilien, Abbate Bedini, er
bestürmte, ihm eine päpstliche Auszeichnung zu verschaffen.


Aus Hamburg.

Der Geldmarkt. -- Eine Anekdote. -- Präpositionen des Senates.-- Sturm¬
flut vom 2t. Oktober. -- Hr. Lindberg. -- Die Presse. -- Theater. --
Künstlergästs. -- Scydelmann.

Wenn aus dem hiesigen Geldmarkt so starke Fluth gewesen wäre,
wie vor einigen Tagen in unsern Straßen, so hätte alles Geschrei
über die finanzielle Krisis jetzt ein Ende. Aber dort traurige Ebbe
und hier trübseliger Ueberfluß. Nicht einmal die endlich aus Eng¬
land erfolgten starken Silbersendungen, in Barren und Münzen,


Zunge; blos ein einziges Journal wird französisch geschrieben. Unter
den Städten steht Mailand mit 30 Zeitschriften obenan, dann folgt
Wien mit 24, Pesth mit 14 und Prag mit 13 Blattern.

Vor ein paar Tagen sind mehre spanische Offiziere angekommen,
um sich in den Artilleriewissenschaften und im Geniewesen auszubil¬
den, es sind die Obersten Novells und Venenco und der Lieutenant
Guillamas. Auch nach Berlin soll eine Anzahl k. spanischer Offiziere
zum Behuf ihrer weitern militärischen Ausbildung gesendet werden,
wenn sie nicht schon dort eingetroffen sind.

Die Grenzboten haben in einer ihrer letzten Nummern den durch
seine neuesten Erklärungen berüchtigt gewordenen Chownitz erwähnt.
Hier kennt man diesen Herrn ganz genau und lacht über die Bedeu¬
tung, welche die deutsche Tagespresse einem solchen Menschen beilegen
konnte. Herr Ehownitz ist ohne alle wissenschaftliche Bildung und
wurde in einer sogenannten Cadettenkompagnie mit Ausschluß aller
Humanitätsbildung blos für den Militärstand erzogen, dem auch sein
Vater angehörte, welcher als 5 ?. Rittmeister starb. Zur Zeit der
großen Rüstungen gegen das durch die Julirevolution tieferschütterte
Frankreich noch sehr jung zum Offizier befördert, diente er ein paar
Jahre in dem ungarischen Infanterieregimente Prinz Wasa, bis er in
Folge von Insubordination den Dienst verlassen mußte, einige Zeit
in Wien lebte, sich nach Pesth wendete und später Oesterreich verließ,
wo er sodann in Leipzig „die Eisenbahn", später in Mainz „das
Rheinland" redigirte und zuletzt als Redakteur „der Schnellpost" in
Ulm sein Unwesen trieb. Zur Charakteristik seiner konfessionellen Um¬
triebe mag dienen, daß er bei seinem hiesigen Aufenthalt, nachdem die
loyale Spekulation des „Herzogsliedes" mißlungen war, ein Gedicht,
„die Verirrten" schrieb, wodurch er sich das Patronat des Elerus
verschaffen wollte. Man sah ihn damals viel im Palast des Nun¬
tius, dessen Sekretair, jetzt Nuntius in Brasilien, Abbate Bedini, er
bestürmte, ihm eine päpstliche Auszeichnung zu verschaffen.


Aus Hamburg.

Der Geldmarkt. — Eine Anekdote. — Präpositionen des Senates.— Sturm¬
flut vom 2t. Oktober. — Hr. Lindberg. — Die Presse. — Theater. —
Künstlergästs. — Scydelmann.

Wenn aus dem hiesigen Geldmarkt so starke Fluth gewesen wäre,
wie vor einigen Tagen in unsern Straßen, so hätte alles Geschrei
über die finanzielle Krisis jetzt ein Ende. Aber dort traurige Ebbe
und hier trübseliger Ueberfluß. Nicht einmal die endlich aus Eng¬
land erfolgten starken Silbersendungen, in Barren und Münzen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/232>, abgerufen am 05.02.2025.