Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.resen nur ihre nöthigsten Sachen ordnen, und geleitete sie und die So waren also die beiden Eheleute durch einen polizeilichen In Paris Gemüth hatte sich seit der Trennung von There- resen nur ihre nöthigsten Sachen ordnen, und geleitete sie und die So waren also die beiden Eheleute durch einen polizeilichen In Paris Gemüth hatte sich seit der Trennung von There- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0224" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271485"/> <p xml:id="ID_627" prev="#ID_626"> resen nur ihre nöthigsten Sachen ordnen, und geleitete sie und die<lb/> Kinder noch bis zur Grenze.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_628"> So waren also die beiden Eheleute durch einen polizeilichen<lb/> Machtspruch geschieden. Paul blieb zurück, in seinem Innern voll<lb/> tiefen, bitteren Grolles über die Misere der deutschen Heimaihver-<lb/> Hältnisse; Therese reiste nach K, bangen und geknickten Herzens über<lb/> ihr Schicksal und die Trennung von ihrem Gatten. Ihr ahnte im<lb/> Stillen, daß sie einander nicht wiedersehen würden. In K. wurde<lb/> ihre Stimmung trüber und krankhafter. Ihr scheues Herz zog sich<lb/> vor jeder Berührung mit Menschen zusammen, der Gram nagte an<lb/> ihrem Lebensmaik, und das junge blühende Geschöpf begann lang¬<lb/> sam und elend hinzusiechen. Zu allem Unglück war durch die mehr¬<lb/> fachen Reisen der größte Theil ihres Vermögens erschöpft worden.<lb/> Paul mühte und quälte sich zwar, aber es wollte doch nicht recht<lb/> gelingen. Zudem erkrankten zwei von den Kindern, und Therese,<lb/> selbst leidend, konnte ihrem Hauswesen nicht mehr, wie früher, ord¬<lb/> nend und sorgend vorstehen. Da traf sie zerschmetternd der letzte<lb/> Schlag, die Trauerpost von Pauls Tode.</p><lb/> <p xml:id="ID_629" next="#ID_630"> In Paris Gemüth hatte sich seit der Trennung von There-<lb/> sen und den Kindern mehr und mehr ein verbissener Grimm ge¬<lb/> häuft. Sein stiller, häuslicher Friede war ihm geraubt, waS Wun¬<lb/> der, daß da der Haß gegen seine Verfolger immer mehr zur Herr¬<lb/> schaft kam? Eines Tages ließ sich Paul in Gesellschaft einiger<lb/> Freunde an einem öffentlichen Ort sehr heftig über gewisse Verhält¬<lb/> nisse aus. An einem benachbarten Tisch saß ein Lieutenant, dessen<lb/> eben ausgezahlte Gage ihm eine besondere Würde verlieh. Bei den<lb/> Worten Pauls erhob er sich, und in einem Anfall ritterlicher Treue<lb/> gegen den Landesherr» forderte er Paul auf, seine Ausdrücke zurückzu-<lb/> nehmen oder ihm dafür Satisfaction zu geben. Paul antwortete<lb/> ihm, daß er gar nicht zu ihm oder über ihn gesprochen, also ihm<lb/> gegenüber auch nichts zurückzunehmen habe; von Satisfaction könne<lb/> aus demselben Grunde keine Rede sein, weshalb er sich eine andere<lb/> Gelegenheit zur Auszeichnung suchen möge. Der trunkene Lieutenant<lb/> riß hierauf seinen Degen aus der Scheide, und mit dem Ausruf:<lb/> „Blut muß es abwaschen!" versetzte er Paul einen tiefen Stich in<lb/> den Oberschenkel. Wie er später aussagte, habe er Paul keines-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0224]
resen nur ihre nöthigsten Sachen ordnen, und geleitete sie und die
Kinder noch bis zur Grenze.
So waren also die beiden Eheleute durch einen polizeilichen
Machtspruch geschieden. Paul blieb zurück, in seinem Innern voll
tiefen, bitteren Grolles über die Misere der deutschen Heimaihver-
Hältnisse; Therese reiste nach K, bangen und geknickten Herzens über
ihr Schicksal und die Trennung von ihrem Gatten. Ihr ahnte im
Stillen, daß sie einander nicht wiedersehen würden. In K. wurde
ihre Stimmung trüber und krankhafter. Ihr scheues Herz zog sich
vor jeder Berührung mit Menschen zusammen, der Gram nagte an
ihrem Lebensmaik, und das junge blühende Geschöpf begann lang¬
sam und elend hinzusiechen. Zu allem Unglück war durch die mehr¬
fachen Reisen der größte Theil ihres Vermögens erschöpft worden.
Paul mühte und quälte sich zwar, aber es wollte doch nicht recht
gelingen. Zudem erkrankten zwei von den Kindern, und Therese,
selbst leidend, konnte ihrem Hauswesen nicht mehr, wie früher, ord¬
nend und sorgend vorstehen. Da traf sie zerschmetternd der letzte
Schlag, die Trauerpost von Pauls Tode.
In Paris Gemüth hatte sich seit der Trennung von There-
sen und den Kindern mehr und mehr ein verbissener Grimm ge¬
häuft. Sein stiller, häuslicher Friede war ihm geraubt, waS Wun¬
der, daß da der Haß gegen seine Verfolger immer mehr zur Herr¬
schaft kam? Eines Tages ließ sich Paul in Gesellschaft einiger
Freunde an einem öffentlichen Ort sehr heftig über gewisse Verhält¬
nisse aus. An einem benachbarten Tisch saß ein Lieutenant, dessen
eben ausgezahlte Gage ihm eine besondere Würde verlieh. Bei den
Worten Pauls erhob er sich, und in einem Anfall ritterlicher Treue
gegen den Landesherr» forderte er Paul auf, seine Ausdrücke zurückzu-
nehmen oder ihm dafür Satisfaction zu geben. Paul antwortete
ihm, daß er gar nicht zu ihm oder über ihn gesprochen, also ihm
gegenüber auch nichts zurückzunehmen habe; von Satisfaction könne
aus demselben Grunde keine Rede sein, weshalb er sich eine andere
Gelegenheit zur Auszeichnung suchen möge. Der trunkene Lieutenant
riß hierauf seinen Degen aus der Scheide, und mit dem Ausruf:
„Blut muß es abwaschen!" versetzte er Paul einen tiefen Stich in
den Oberschenkel. Wie er später aussagte, habe er Paul keines-
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