Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.hielt, antwortete er in einem Anflug von Humor, er würde binnen Kurhessen ist ein schönes Land. Es sind viel brave Leute da Als Paul in diesem Lande angekommen war, miethete er sich hielt, antwortete er in einem Anflug von Humor, er würde binnen Kurhessen ist ein schönes Land. Es sind viel brave Leute da Als Paul in diesem Lande angekommen war, miethete er sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271482"/> <p xml:id="ID_619" prev="#ID_618"> hielt, antwortete er in einem Anflug von Humor, er würde binnen<lb/> 5 Minuten dem Befehl nachgekommen sein. Er traf zu Hause noch<lb/> einige Vorkehrungen, tröstete seine weinende Frau mit der Hoffnung,<lb/> daß sie bald wieder vereinigt sein würden, und begab sich über die<lb/> Grenze nach der Residenzstadt des benachbarten Landes. Aber der<lb/> Empfang war hier nicht der erwartete. Wer einmal von der Po¬<lb/> lizei gezeichnet worden ist, kann einer steten Aufmerksamkeit von klei¬<lb/> nen und berichtlustigen Polizeiseelen gewiß sein, denn wenn irgend<lb/> in den deutschen Verhältnissen Einigkeit zu suchen ist, so wäre es in<lb/> denen der Polizei. Paul wurde abermals verwiesen, oder erhielt<lb/> vielmehr von vornherein keine Erlaubniß zum Aufenthalt. Ein Grund<lb/> wurde ihm für diese Maßnahme nicht angegeben, aber man ließ ihn<lb/> verstehen, daß es wegen seiner Verweisung in K. geschehe; man<lb/> wollte der Möglichkeit vorbeugen, in eine ähnliche Nothwendigkeit<lb/> versetzt zu werden. Das nennt man eine Präventivmaßregel. Paul<lb/> wollte zwar die Richtigkeit einer solchen nicht einsehen, und meinte,<lb/> daß es doch nicht erhört sei, daß man Jemanden auf die Möglich¬<lb/> keit hin, er könne einmal wahnsinnig werden, in ein Irrenhaus ge¬<lb/> sperrt habe: die Polizei aber gestattete ihm, auswärts darüber nach¬<lb/> zudenken, und transportirte ihn über die Grenze. Diese Geschichte<lb/> wiederholte sich noch einmal, und wenn Paul nicht noch einige drei¬<lb/> ßig Mal ausgewiesen wurde, so lag das einzig darin, daß er end¬<lb/> lich die Gelegenheit dazu vermied. Sein Gemüth wurde allmählig<lb/> furchtbar erbittert, und es läßt sich schwer beschreiben, was in der<lb/> Brust des Flüchtlings vorging, während er so gehetzt von Stadt zu<lb/> Stadt zog. Aber er mußte zur Ruhe kommen, und wiewohl es ihm<lb/> sauer erschien, beschloß er zuletzt, sich wieder in seine Heimath zu<lb/> begeben, deren Verhältnissen er entfremdet worden war. Er begab<lb/> sich also nach — Kurhessen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_620"> Kurhessen ist ein schönes Land. Es sind viel brave Leute da<lb/> gestorben, wie z. B. der Bürgermeister Schomburgk, viele auch nicht,<lb/> wie die im vorigen Jahrhundert nach Amerika versendeten Soldaten.<lb/> In Kurhessen ist Hr. von Hassenpflug Minister gewesen, und Syl¬<lb/> vester Jordan nicht geboren.</p><lb/> <p xml:id="ID_621" next="#ID_622"> Als Paul in diesem Lande angekommen war, miethete er sich<lb/> eine Wohnung, und schrieb seiner Frau, daß sie ihre Sachen ordnen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0221]
hielt, antwortete er in einem Anflug von Humor, er würde binnen
5 Minuten dem Befehl nachgekommen sein. Er traf zu Hause noch
einige Vorkehrungen, tröstete seine weinende Frau mit der Hoffnung,
daß sie bald wieder vereinigt sein würden, und begab sich über die
Grenze nach der Residenzstadt des benachbarten Landes. Aber der
Empfang war hier nicht der erwartete. Wer einmal von der Po¬
lizei gezeichnet worden ist, kann einer steten Aufmerksamkeit von klei¬
nen und berichtlustigen Polizeiseelen gewiß sein, denn wenn irgend
in den deutschen Verhältnissen Einigkeit zu suchen ist, so wäre es in
denen der Polizei. Paul wurde abermals verwiesen, oder erhielt
vielmehr von vornherein keine Erlaubniß zum Aufenthalt. Ein Grund
wurde ihm für diese Maßnahme nicht angegeben, aber man ließ ihn
verstehen, daß es wegen seiner Verweisung in K. geschehe; man
wollte der Möglichkeit vorbeugen, in eine ähnliche Nothwendigkeit
versetzt zu werden. Das nennt man eine Präventivmaßregel. Paul
wollte zwar die Richtigkeit einer solchen nicht einsehen, und meinte,
daß es doch nicht erhört sei, daß man Jemanden auf die Möglich¬
keit hin, er könne einmal wahnsinnig werden, in ein Irrenhaus ge¬
sperrt habe: die Polizei aber gestattete ihm, auswärts darüber nach¬
zudenken, und transportirte ihn über die Grenze. Diese Geschichte
wiederholte sich noch einmal, und wenn Paul nicht noch einige drei¬
ßig Mal ausgewiesen wurde, so lag das einzig darin, daß er end¬
lich die Gelegenheit dazu vermied. Sein Gemüth wurde allmählig
furchtbar erbittert, und es läßt sich schwer beschreiben, was in der
Brust des Flüchtlings vorging, während er so gehetzt von Stadt zu
Stadt zog. Aber er mußte zur Ruhe kommen, und wiewohl es ihm
sauer erschien, beschloß er zuletzt, sich wieder in seine Heimath zu
begeben, deren Verhältnissen er entfremdet worden war. Er begab
sich also nach — Kurhessen.
Kurhessen ist ein schönes Land. Es sind viel brave Leute da
gestorben, wie z. B. der Bürgermeister Schomburgk, viele auch nicht,
wie die im vorigen Jahrhundert nach Amerika versendeten Soldaten.
In Kurhessen ist Hr. von Hassenpflug Minister gewesen, und Syl¬
vester Jordan nicht geboren.
Als Paul in diesem Lande angekommen war, miethete er sich
eine Wohnung, und schrieb seiner Frau, daß sie ihre Sachen ordnen,
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