Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band."Ja, und die Zeitungen sind immer voll von solchen Sachen. Das Gespräch, welches wir die beiden Wetbcr auf der Gasse „Ja, und die Zeitungen sind immer voll von solchen Sachen. Das Gespräch, welches wir die beiden Wetbcr auf der Gasse <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0219" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271480"/> <p xml:id="ID_612"> „Ja, und die Zeitungen sind immer voll von solchen Sachen.<lb/> Die Polizei ist ihnen immer auf den Hacken, waS kann da Gutes<lb/> an den Leuten sein? Nicht einen Dreier geb' ich auf solch' einen<lb/> Kerl." —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_613" next="#ID_614"> Das Gespräch, welches wir die beiden Wetbcr auf der Gasse<lb/> in K. eben führen hörten, bezog sich auf einen jungen Mann, Na--<lb/> mens Paul. Derselbe hatte früher dein Studium der Theologie ob¬<lb/> gelegen und seine Prüfungen mit glänzendem Erfolg bestanden. Von<lb/> der Kandidatur aber war er von dem Konsistorium in seine Hei¬<lb/> math zurückgewiesen worden, weil die in seiner Probepredigt aus¬<lb/> gesprochenen Grundsähe als der herrschenden Richtung zuwiderlau¬<lb/> fend erachtet wurden. Paul hatte von Haus aus nur ein kleines<lb/> Vermögen besessen, und dies war durch seine Studien fast gänzlich<lb/> erschöpft. Als ihm daher durch das Konsistorium die Aussicht auf<lb/> eine Anstellung abgeschnitten ward, mußte er sich eine andere Existenz<lb/> zu begründen suchen. Er verließ zunächst seine Heimath und begab<lb/> sich nach K., wo er Gelegenheit fand, seine Thätigkeit auf literarische<lb/> Arbeiten zu verwenden. Nach einem Jahre heirathete er hier , ein<lb/> junges liebenswürdiges Mädchen aus den sogenannten gebildeten<lb/> Ständen, der aus ihren einst glücklichen Verhältnissen nur ein gerin¬<lb/> ges Kapital geblieben war. Indeß verschaffte dies und die Thätig¬<lb/> keit Pauls den beiden Gatten eine hinlänglich ruhige Existenz und<lb/> ihr bescheidenes Glück ward lange durch nichts getrübt. Therese<lb/> schenkte ihrem Gatten im Laufe der Zeit drei Kinder; sie war eine<lb/> schlanke, hübsche Blondine, voll sittsamer, natürlicher Liebenswürdig¬<lb/> keit, die durch ihr einfaches Wesen Alle, die ihr nahe kamen, fesseln<lb/> mußte. Ihren Gatten liebte sie mit unaussprechlicher Hingebung,<lb/> und die Kinder, auf welche Beide ihre ganze Sorgfalt und Zärt¬<lb/> lichkeit wendeten, befestigte das innige Band des Paares immer<lb/> mehr. Um diese Zeit erregte eine Arbeit Pauls — in welcher Art,<lb/> ist hier gleichgültig — die Aufmerksamkeit der Polizei. Ganz wie<lb/> oben die beiden Weiber erzählten, trat eines Morgens ein Polizei¬<lb/> beamter mit vier Gensdarmen in Pauls Wohnung, durchstöberte,<lb/> obgleich Paul sich zu dem quästionirten Artikel bekannt hatte, alle<lb/> Papiere desselben, steckte Briefe und Manuscripte ein und führte Paul<lb/> mit sich fort. Therese geriet!) dabei in die furchtbarste Angst. Mit</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0219]
„Ja, und die Zeitungen sind immer voll von solchen Sachen.
Die Polizei ist ihnen immer auf den Hacken, waS kann da Gutes
an den Leuten sein? Nicht einen Dreier geb' ich auf solch' einen
Kerl." —
Das Gespräch, welches wir die beiden Wetbcr auf der Gasse
in K. eben führen hörten, bezog sich auf einen jungen Mann, Na--
mens Paul. Derselbe hatte früher dein Studium der Theologie ob¬
gelegen und seine Prüfungen mit glänzendem Erfolg bestanden. Von
der Kandidatur aber war er von dem Konsistorium in seine Hei¬
math zurückgewiesen worden, weil die in seiner Probepredigt aus¬
gesprochenen Grundsähe als der herrschenden Richtung zuwiderlau¬
fend erachtet wurden. Paul hatte von Haus aus nur ein kleines
Vermögen besessen, und dies war durch seine Studien fast gänzlich
erschöpft. Als ihm daher durch das Konsistorium die Aussicht auf
eine Anstellung abgeschnitten ward, mußte er sich eine andere Existenz
zu begründen suchen. Er verließ zunächst seine Heimath und begab
sich nach K., wo er Gelegenheit fand, seine Thätigkeit auf literarische
Arbeiten zu verwenden. Nach einem Jahre heirathete er hier , ein
junges liebenswürdiges Mädchen aus den sogenannten gebildeten
Ständen, der aus ihren einst glücklichen Verhältnissen nur ein gerin¬
ges Kapital geblieben war. Indeß verschaffte dies und die Thätig¬
keit Pauls den beiden Gatten eine hinlänglich ruhige Existenz und
ihr bescheidenes Glück ward lange durch nichts getrübt. Therese
schenkte ihrem Gatten im Laufe der Zeit drei Kinder; sie war eine
schlanke, hübsche Blondine, voll sittsamer, natürlicher Liebenswürdig¬
keit, die durch ihr einfaches Wesen Alle, die ihr nahe kamen, fesseln
mußte. Ihren Gatten liebte sie mit unaussprechlicher Hingebung,
und die Kinder, auf welche Beide ihre ganze Sorgfalt und Zärt¬
lichkeit wendeten, befestigte das innige Band des Paares immer
mehr. Um diese Zeit erregte eine Arbeit Pauls — in welcher Art,
ist hier gleichgültig — die Aufmerksamkeit der Polizei. Ganz wie
oben die beiden Weiber erzählten, trat eines Morgens ein Polizei¬
beamter mit vier Gensdarmen in Pauls Wohnung, durchstöberte,
obgleich Paul sich zu dem quästionirten Artikel bekannt hatte, alle
Papiere desselben, steckte Briefe und Manuscripte ein und führte Paul
mit sich fort. Therese geriet!) dabei in die furchtbarste Angst. Mit
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