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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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einmal die religiöse Geschichtsperiode. Der Glaube saß in,f den,
Weltthrone, und diesem huldigte die Menschheit, als dem einigen
allmächtigen Herrscher. Der Glaube ist nun in unzählige Glauben
zerfahren; jeder Mensch hat seinen besonderen Glauben: und so bauet
man keine Kirchen mehr, denn ein Jeder müßte beinahe für sich al¬
lein eine bauen. Jetzt bauen nur noch die Staatsregierungen Kir¬
chen, denn deren Glaube ist einig geblieben; sie aber machen es damit
nicht eben gar zu bunt, weil sie noch andere Glauben haben, denen
sie Tempel bauen müssen, z. B. F-stungen, Zeug- und Zuchthäuser
und Regierungspaläste.

Wir traten in die Schloßkirche, welche neben dem Königspalaste
steht. Nimmer erfaßte mein Auge mit einem Blicke eine solche Masse
kirchlicher Pracht, als hier. Nichts als Marmor, Alabaster, Gold,
Silber, Edelsteine, Sammet, Seide und Gemälde! Von dem in un¬
geheuerer Höhe über dem Haupte schwebenden Kirchengewölbe blitz¬
ten unzählige goldene Arme (ein Geschenk Kasimirs des Großen)
herab; die kostbarsten Tapeten prangen von den Wänden, und die
Altäre, deren es nicht weniger als sechs und zwanzig in dieser rie¬
senhaften Kirche giebt, berauschen durch herrliche Gemälde und an¬
deren Schmuck das Auge.

Unter all' den polnischen Königen, welche seit der Mitte des
I4ten Jahrhunderts in Krakau residirt haben, hat es wohl nicht
einen gegeben, der nicht diese Kirche mit Reichthümern und Herrlich¬
keiten gesegnet hätte. Die Krakauer Bischöfe thaten es den Königen
nach, und ihnen viele reiche Privatpersonen. Daher diese unerme߬
liche Pracht.

Ich erwähnte die Mitte deS vierzehnten Jahrhunderts. In die¬
ser nämlich ist die Schloßkirche zu Krakau erbauet worden. Die ge¬
genwärtige aber ist die zweite Schloßkirche. Die erste wurde von
dem ersten christlichen Beherrscher von Polen Mieczyaw I. in der
Mitte des zehnten Jahrhunderts auf derselben Stelle, wo die gegen¬
wärtige sich befindet, erhalte. Diese alte Kirche verbrannte zu An¬
fange des vierzehnten Jahrhunderts mit dem Schlosse. Uralte Denk¬
mäler sind dadurch untergegangen, die darum für uns von unendli¬
chem Werthe fein müßten, daß sie Zeugen und Berichterstatter deS
Ueberganges des Heidenthumes in das Christenthum wären.

Nachdem wir die Altäre, unter denen sich, wie sich erwarten


einmal die religiöse Geschichtsperiode. Der Glaube saß in,f den,
Weltthrone, und diesem huldigte die Menschheit, als dem einigen
allmächtigen Herrscher. Der Glaube ist nun in unzählige Glauben
zerfahren; jeder Mensch hat seinen besonderen Glauben: und so bauet
man keine Kirchen mehr, denn ein Jeder müßte beinahe für sich al¬
lein eine bauen. Jetzt bauen nur noch die Staatsregierungen Kir¬
chen, denn deren Glaube ist einig geblieben; sie aber machen es damit
nicht eben gar zu bunt, weil sie noch andere Glauben haben, denen
sie Tempel bauen müssen, z. B. F-stungen, Zeug- und Zuchthäuser
und Regierungspaläste.

Wir traten in die Schloßkirche, welche neben dem Königspalaste
steht. Nimmer erfaßte mein Auge mit einem Blicke eine solche Masse
kirchlicher Pracht, als hier. Nichts als Marmor, Alabaster, Gold,
Silber, Edelsteine, Sammet, Seide und Gemälde! Von dem in un¬
geheuerer Höhe über dem Haupte schwebenden Kirchengewölbe blitz¬
ten unzählige goldene Arme (ein Geschenk Kasimirs des Großen)
herab; die kostbarsten Tapeten prangen von den Wänden, und die
Altäre, deren es nicht weniger als sechs und zwanzig in dieser rie¬
senhaften Kirche giebt, berauschen durch herrliche Gemälde und an¬
deren Schmuck das Auge.

Unter all' den polnischen Königen, welche seit der Mitte des
I4ten Jahrhunderts in Krakau residirt haben, hat es wohl nicht
einen gegeben, der nicht diese Kirche mit Reichthümern und Herrlich¬
keiten gesegnet hätte. Die Krakauer Bischöfe thaten es den Königen
nach, und ihnen viele reiche Privatpersonen. Daher diese unerme߬
liche Pracht.

Ich erwähnte die Mitte deS vierzehnten Jahrhunderts. In die¬
ser nämlich ist die Schloßkirche zu Krakau erbauet worden. Die ge¬
genwärtige aber ist die zweite Schloßkirche. Die erste wurde von
dem ersten christlichen Beherrscher von Polen Mieczyaw I. in der
Mitte des zehnten Jahrhunderts auf derselben Stelle, wo die gegen¬
wärtige sich befindet, erhalte. Diese alte Kirche verbrannte zu An¬
fange des vierzehnten Jahrhunderts mit dem Schlosse. Uralte Denk¬
mäler sind dadurch untergegangen, die darum für uns von unendli¬
chem Werthe fein müßten, daß sie Zeugen und Berichterstatter deS
Ueberganges des Heidenthumes in das Christenthum wären.

Nachdem wir die Altäre, unter denen sich, wie sich erwarten


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[0215] einmal die religiöse Geschichtsperiode. Der Glaube saß in,f den, Weltthrone, und diesem huldigte die Menschheit, als dem einigen allmächtigen Herrscher. Der Glaube ist nun in unzählige Glauben zerfahren; jeder Mensch hat seinen besonderen Glauben: und so bauet man keine Kirchen mehr, denn ein Jeder müßte beinahe für sich al¬ lein eine bauen. Jetzt bauen nur noch die Staatsregierungen Kir¬ chen, denn deren Glaube ist einig geblieben; sie aber machen es damit nicht eben gar zu bunt, weil sie noch andere Glauben haben, denen sie Tempel bauen müssen, z. B. F-stungen, Zeug- und Zuchthäuser und Regierungspaläste. Wir traten in die Schloßkirche, welche neben dem Königspalaste steht. Nimmer erfaßte mein Auge mit einem Blicke eine solche Masse kirchlicher Pracht, als hier. Nichts als Marmor, Alabaster, Gold, Silber, Edelsteine, Sammet, Seide und Gemälde! Von dem in un¬ geheuerer Höhe über dem Haupte schwebenden Kirchengewölbe blitz¬ ten unzählige goldene Arme (ein Geschenk Kasimirs des Großen) herab; die kostbarsten Tapeten prangen von den Wänden, und die Altäre, deren es nicht weniger als sechs und zwanzig in dieser rie¬ senhaften Kirche giebt, berauschen durch herrliche Gemälde und an¬ deren Schmuck das Auge. Unter all' den polnischen Königen, welche seit der Mitte des I4ten Jahrhunderts in Krakau residirt haben, hat es wohl nicht einen gegeben, der nicht diese Kirche mit Reichthümern und Herrlich¬ keiten gesegnet hätte. Die Krakauer Bischöfe thaten es den Königen nach, und ihnen viele reiche Privatpersonen. Daher diese unerme߬ liche Pracht. Ich erwähnte die Mitte deS vierzehnten Jahrhunderts. In die¬ ser nämlich ist die Schloßkirche zu Krakau erbauet worden. Die ge¬ genwärtige aber ist die zweite Schloßkirche. Die erste wurde von dem ersten christlichen Beherrscher von Polen Mieczyaw I. in der Mitte des zehnten Jahrhunderts auf derselben Stelle, wo die gegen¬ wärtige sich befindet, erhalte. Diese alte Kirche verbrannte zu An¬ fange des vierzehnten Jahrhunderts mit dem Schlosse. Uralte Denk¬ mäler sind dadurch untergegangen, die darum für uns von unendli¬ chem Werthe fein müßten, daß sie Zeugen und Berichterstatter deS Ueberganges des Heidenthumes in das Christenthum wären. Nachdem wir die Altäre, unter denen sich, wie sich erwarten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/215>, abgerufen am 05.02.2025.