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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Kr a V a u.
Bon C. Göhving.



II.

Ich lobe mir meine polnische Gefährtin. Sie lachte auch nicht
einmal über den uralten Drachen, welcher der Höhle im Wawelberge
den Namen verliehen hat, und erzählte, daß dieses Ungeheuer den
Aufbau der kaum neu begründeten Stadt Krakau dadurch gestört
habe, daß es die Bauleute erwürgt oder wiederholt zur Flucht ge¬
zwungen. Der Fürst Krakus sah sich seiner Stadt wegen genvthigei,
dieses Ungethüm, welches meine Gefährtin für eine riesenhafte Schlange
hielt, zu beseitigen. Dies gelang ihm dadurch, daß er Thiercadaver
mit Feuerstoffen gefüllt vor die Höhle werfen ließ. Der Drache fraß
die Cadaver und die Feuerftoffe erplodirten in seinem Leibe und
raubten ihm das Leben.

Mehre alte Chronikenschreiber berichten dieses abenteuerliche
Ereigniß, und einer derselben, ein krakauischer Bischof, findet in dem¬
selben sogar den Namen der Stadt Krakau begründet. Auf den
Cadaver des Drachen, erzählt er, seien dichte Schwärme von Raben
niedergefallen und haben bei ihrem Jubelschmause entsetzlich gekrächzet.
Von diesem Krächzen (polnisch: Kr-ni-xy komme der Name Krakau.

Wir schritten in das alte Schloß. Aus der Hand des Herzogs
Krakus ist es hölzern gekommen, und erst der König Kasimir der
Große, den die meisten öffentlichen Prachtgebäude zu Krakau als
ihren Schöpfer preisen, verwandelte eS in Stein. Es ist ein riesiges,
aus Vielen einzelnen großen Bauwerken bestehendes Ganze, welches
auch dem Beschauer, der nicht an die Geschichte Polens denkt. Ehr¬
furcht einflößt. Die Gebäude sind colossal. Mehre große Höfe be¬
finden sich zwischen ihnen. Der Palast, welchen die polnischen Kö-


Kr a V a u.
Bon C. Göhving.



II.

Ich lobe mir meine polnische Gefährtin. Sie lachte auch nicht
einmal über den uralten Drachen, welcher der Höhle im Wawelberge
den Namen verliehen hat, und erzählte, daß dieses Ungeheuer den
Aufbau der kaum neu begründeten Stadt Krakau dadurch gestört
habe, daß es die Bauleute erwürgt oder wiederholt zur Flucht ge¬
zwungen. Der Fürst Krakus sah sich seiner Stadt wegen genvthigei,
dieses Ungethüm, welches meine Gefährtin für eine riesenhafte Schlange
hielt, zu beseitigen. Dies gelang ihm dadurch, daß er Thiercadaver
mit Feuerstoffen gefüllt vor die Höhle werfen ließ. Der Drache fraß
die Cadaver und die Feuerftoffe erplodirten in seinem Leibe und
raubten ihm das Leben.

Mehre alte Chronikenschreiber berichten dieses abenteuerliche
Ereigniß, und einer derselben, ein krakauischer Bischof, findet in dem¬
selben sogar den Namen der Stadt Krakau begründet. Auf den
Cadaver des Drachen, erzählt er, seien dichte Schwärme von Raben
niedergefallen und haben bei ihrem Jubelschmause entsetzlich gekrächzet.
Von diesem Krächzen (polnisch: Kr-ni-xy komme der Name Krakau.

Wir schritten in das alte Schloß. Aus der Hand des Herzogs
Krakus ist es hölzern gekommen, und erst der König Kasimir der
Große, den die meisten öffentlichen Prachtgebäude zu Krakau als
ihren Schöpfer preisen, verwandelte eS in Stein. Es ist ein riesiges,
aus Vielen einzelnen großen Bauwerken bestehendes Ganze, welches
auch dem Beschauer, der nicht an die Geschichte Polens denkt. Ehr¬
furcht einflößt. Die Gebäude sind colossal. Mehre große Höfe be¬
finden sich zwischen ihnen. Der Palast, welchen die polnischen Kö-


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[0211] Kr a V a u. Bon C. Göhving. II. Ich lobe mir meine polnische Gefährtin. Sie lachte auch nicht einmal über den uralten Drachen, welcher der Höhle im Wawelberge den Namen verliehen hat, und erzählte, daß dieses Ungeheuer den Aufbau der kaum neu begründeten Stadt Krakau dadurch gestört habe, daß es die Bauleute erwürgt oder wiederholt zur Flucht ge¬ zwungen. Der Fürst Krakus sah sich seiner Stadt wegen genvthigei, dieses Ungethüm, welches meine Gefährtin für eine riesenhafte Schlange hielt, zu beseitigen. Dies gelang ihm dadurch, daß er Thiercadaver mit Feuerstoffen gefüllt vor die Höhle werfen ließ. Der Drache fraß die Cadaver und die Feuerftoffe erplodirten in seinem Leibe und raubten ihm das Leben. Mehre alte Chronikenschreiber berichten dieses abenteuerliche Ereigniß, und einer derselben, ein krakauischer Bischof, findet in dem¬ selben sogar den Namen der Stadt Krakau begründet. Auf den Cadaver des Drachen, erzählt er, seien dichte Schwärme von Raben niedergefallen und haben bei ihrem Jubelschmause entsetzlich gekrächzet. Von diesem Krächzen (polnisch: Kr-ni-xy komme der Name Krakau. Wir schritten in das alte Schloß. Aus der Hand des Herzogs Krakus ist es hölzern gekommen, und erst der König Kasimir der Große, den die meisten öffentlichen Prachtgebäude zu Krakau als ihren Schöpfer preisen, verwandelte eS in Stein. Es ist ein riesiges, aus Vielen einzelnen großen Bauwerken bestehendes Ganze, welches auch dem Beschauer, der nicht an die Geschichte Polens denkt. Ehr¬ furcht einflößt. Die Gebäude sind colossal. Mehre große Höfe be¬ finden sich zwischen ihnen. Der Palast, welchen die polnischen Kö-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/211>, abgerufen am 05.02.2025.