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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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zählten mir viel von ihrer Zufriedenheit und dem Nutzen des be¬
schaulichen Lebens. Dann luden mich drei von den Jüngern zu
einer Truccoparthie ein. Dies lst ein eigenthümliches, nur in Ita¬
lien übliches Spiel. Die Spielenden, deren jeder eine Kugel erhält,
theilen sich in zwei gleiche Partheien, und beginnen von einem ge¬
gebenen Punkte an, mitten durch den Ring zu werfen. Von der
Stelle aus, an der die Kugel niederfällt, beginnt der zweite Wurf,
und so fort. Ein Hauptvortheil dabei ist's, den Gegner verkehrt
durch den Ring zu treiben. Die Parthei, welche zuerst viermal das
Ziel von vorne traf, hat gesiegt.

Obwohl ich mich bei dieser ungewohnten Belustigung sehr un¬
geschickt benahm, waren die Zöglinge doch so galant, mich gewinnen
zu lassen, und meine Gewandtheit am Schluße zu rühmen.

Eine Stunde später wurde zur Maranta gerufen. Beim An¬
blick der Portionen, die jeder Zögling von delicaten Kuchen und
wackerm Weine erhielt, bekam ich Respect vor Küche und Keller.
Gesprochen wurde am Tisch nur ausnahmsweise zu Ehren meiner
Ankunft. Auf ein gegebenes Zeichen erhoben sich dann die Zöglinge
wieder, und die Unterhaltung blieb die vorige, nämlich Spatzieren¬
gehen durch den Garten, Schach, Kegeln und Trucco. Alle andern
Belustigungen sind streng verboten. Ebenso muß natürlich ohne
Geld gespielt werden.

Gegen Abend versammelten sich die Zöglinge abermals auf
ein gegebenes Zeichen zu Gebet und Verehrung der Jungfrau Ma¬
ria. Dann gingen sie in den Ankleidesaal. Jeder Zögling nahm
seinen spitzen Dreimasthut, und zog seine Sclwlilstica an, welche in
einem geschlossenen langen Ueberwurf von hochrother Farbe besteht.
Paar- und paarweis in einem langen Zug schritten sie nun der
Stadt zu. Ich natürlich mit. Der Präfect und Pater Delacroir
hinten drein. Der Weg wurde gegen das Forum eingeschlagen.

"Jene große Ruine dort ist wohl das Colosseum?" fragte ich
meinen Begleiter.

"Ich glaube;" war die kurze Antwort.

"Und die zerfallenen Mauern dort links von der Straße auf
dem Hügel?"

"Neste aus der Heidenzeit," sagte der Begleiter.


zählten mir viel von ihrer Zufriedenheit und dem Nutzen des be¬
schaulichen Lebens. Dann luden mich drei von den Jüngern zu
einer Truccoparthie ein. Dies lst ein eigenthümliches, nur in Ita¬
lien übliches Spiel. Die Spielenden, deren jeder eine Kugel erhält,
theilen sich in zwei gleiche Partheien, und beginnen von einem ge¬
gebenen Punkte an, mitten durch den Ring zu werfen. Von der
Stelle aus, an der die Kugel niederfällt, beginnt der zweite Wurf,
und so fort. Ein Hauptvortheil dabei ist's, den Gegner verkehrt
durch den Ring zu treiben. Die Parthei, welche zuerst viermal das
Ziel von vorne traf, hat gesiegt.

Obwohl ich mich bei dieser ungewohnten Belustigung sehr un¬
geschickt benahm, waren die Zöglinge doch so galant, mich gewinnen
zu lassen, und meine Gewandtheit am Schluße zu rühmen.

Eine Stunde später wurde zur Maranta gerufen. Beim An¬
blick der Portionen, die jeder Zögling von delicaten Kuchen und
wackerm Weine erhielt, bekam ich Respect vor Küche und Keller.
Gesprochen wurde am Tisch nur ausnahmsweise zu Ehren meiner
Ankunft. Auf ein gegebenes Zeichen erhoben sich dann die Zöglinge
wieder, und die Unterhaltung blieb die vorige, nämlich Spatzieren¬
gehen durch den Garten, Schach, Kegeln und Trucco. Alle andern
Belustigungen sind streng verboten. Ebenso muß natürlich ohne
Geld gespielt werden.

Gegen Abend versammelten sich die Zöglinge abermals auf
ein gegebenes Zeichen zu Gebet und Verehrung der Jungfrau Ma¬
ria. Dann gingen sie in den Ankleidesaal. Jeder Zögling nahm
seinen spitzen Dreimasthut, und zog seine Sclwlilstica an, welche in
einem geschlossenen langen Ueberwurf von hochrother Farbe besteht.
Paar- und paarweis in einem langen Zug schritten sie nun der
Stadt zu. Ich natürlich mit. Der Präfect und Pater Delacroir
hinten drein. Der Weg wurde gegen das Forum eingeschlagen.

„Jene große Ruine dort ist wohl das Colosseum?" fragte ich
meinen Begleiter.

„Ich glaube;" war die kurze Antwort.

„Und die zerfallenen Mauern dort links von der Straße auf
dem Hügel?"

„Neste aus der Heidenzeit," sagte der Begleiter.


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[0197] zählten mir viel von ihrer Zufriedenheit und dem Nutzen des be¬ schaulichen Lebens. Dann luden mich drei von den Jüngern zu einer Truccoparthie ein. Dies lst ein eigenthümliches, nur in Ita¬ lien übliches Spiel. Die Spielenden, deren jeder eine Kugel erhält, theilen sich in zwei gleiche Partheien, und beginnen von einem ge¬ gebenen Punkte an, mitten durch den Ring zu werfen. Von der Stelle aus, an der die Kugel niederfällt, beginnt der zweite Wurf, und so fort. Ein Hauptvortheil dabei ist's, den Gegner verkehrt durch den Ring zu treiben. Die Parthei, welche zuerst viermal das Ziel von vorne traf, hat gesiegt. Obwohl ich mich bei dieser ungewohnten Belustigung sehr un¬ geschickt benahm, waren die Zöglinge doch so galant, mich gewinnen zu lassen, und meine Gewandtheit am Schluße zu rühmen. Eine Stunde später wurde zur Maranta gerufen. Beim An¬ blick der Portionen, die jeder Zögling von delicaten Kuchen und wackerm Weine erhielt, bekam ich Respect vor Küche und Keller. Gesprochen wurde am Tisch nur ausnahmsweise zu Ehren meiner Ankunft. Auf ein gegebenes Zeichen erhoben sich dann die Zöglinge wieder, und die Unterhaltung blieb die vorige, nämlich Spatzieren¬ gehen durch den Garten, Schach, Kegeln und Trucco. Alle andern Belustigungen sind streng verboten. Ebenso muß natürlich ohne Geld gespielt werden. Gegen Abend versammelten sich die Zöglinge abermals auf ein gegebenes Zeichen zu Gebet und Verehrung der Jungfrau Ma¬ ria. Dann gingen sie in den Ankleidesaal. Jeder Zögling nahm seinen spitzen Dreimasthut, und zog seine Sclwlilstica an, welche in einem geschlossenen langen Ueberwurf von hochrother Farbe besteht. Paar- und paarweis in einem langen Zug schritten sie nun der Stadt zu. Ich natürlich mit. Der Präfect und Pater Delacroir hinten drein. Der Weg wurde gegen das Forum eingeschlagen. „Jene große Ruine dort ist wohl das Colosseum?" fragte ich meinen Begleiter. „Ich glaube;" war die kurze Antwort. „Und die zerfallenen Mauern dort links von der Straße auf dem Hügel?" „Neste aus der Heidenzeit," sagte der Begleiter.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/197>, abgerufen am 05.02.2025.